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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Drittes Kapitel.

Ein Sprichwort ist nicht immer ein wahres Wort.



Das Gegentheil von dem in der Ueberschrift die-
ses Kapitels angegebnen Grundsatz ist selbst ein
Sprichwort: aber so sehr ich auch selbst hin und
wieder in meinen Büchern den Gebrauch der Sprich-
wörter empfohlen habe, und noch empfehle, so
muß ich doch bemerken, daß sie durch die Erfah-
rung oft widerlegt werden, und daß sie folglich
nicht immer wahr sind. Das bekannte Weid-
sprüchlein "wie man's treibt, so gehts"
hab' ich zwar hundertmal durch meine eigne Erfah-
rung bestätigt gefunden, allein im Winter 1797 --
98 wollte das gute Sprüchlein nicht bey mir ein-
treffen. Ich hatte mir vorgenommen, so zu hausen,
daß ich ruhig und ohne weitere Sorgen leben könn-
te; allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirth
gemacht, und so sehr ich auch alles aufbot, und
alle meine Kräfte anstrengte, um soviel zu erwer-
ben, als nöthig war, meine kleine Wirthschaft
zu führen, so war ich doch keinen Tag ohne Kum-
mer, und wenn auch alles noch so gut ging, so
fing mein Hannchen an, über ihre Lage zu nörgeln,

Drittes Kapitel.

Ein Sprichwort iſt nicht immer ein wahres Wort.



Das Gegentheil von dem in der Ueberſchrift die-
ſes Kapitels angegebnen Grundſatz iſt ſelbſt ein
Sprichwort: aber ſo ſehr ich auch ſelbſt hin und
wieder in meinen Buͤchern den Gebrauch der Sprich-
woͤrter empfohlen habe, und noch empfehle, ſo
muß ich doch bemerken, daß ſie durch die Erfah-
rung oft widerlegt werden, und daß ſie folglich
nicht immer wahr ſind. Das bekannte Weid-
ſpruͤchlein „wie man's treibt, ſo gehts
hab' ich zwar hundertmal durch meine eigne Erfah-
rung beſtaͤtigt gefunden, allein im Winter 1797 —
98 wollte das gute Spruͤchlein nicht bey mir ein-
treffen. Ich hatte mir vorgenommen, ſo zu hauſen,
daß ich ruhig und ohne weitere Sorgen leben koͤnn-
te; allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirth
gemacht, und ſo ſehr ich auch alles aufbot, und
alle meine Kraͤfte anſtrengte, um ſoviel zu erwer-
ben, als noͤthig war, meine kleine Wirthſchaft
zu fuͤhren, ſo war ich doch keinen Tag ohne Kum-
mer, und wenn auch alles noch ſo gut ging, ſo
fing mein Hannchen an, uͤber ihre Lage zu noͤrgeln,

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[22/0030] Drittes Kapitel. Ein Sprichwort iſt nicht immer ein wahres Wort. Das Gegentheil von dem in der Ueberſchrift die- ſes Kapitels angegebnen Grundſatz iſt ſelbſt ein Sprichwort: aber ſo ſehr ich auch ſelbſt hin und wieder in meinen Buͤchern den Gebrauch der Sprich- woͤrter empfohlen habe, und noch empfehle, ſo muß ich doch bemerken, daß ſie durch die Erfah- rung oft widerlegt werden, und daß ſie folglich nicht immer wahr ſind. Das bekannte Weid- ſpruͤchlein „wie man's treibt, ſo gehts“ hab' ich zwar hundertmal durch meine eigne Erfah- rung beſtaͤtigt gefunden, allein im Winter 1797 — 98 wollte das gute Spruͤchlein nicht bey mir ein- treffen. Ich hatte mir vorgenommen, ſo zu hauſen, daß ich ruhig und ohne weitere Sorgen leben koͤnn- te; allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, und ſo ſehr ich auch alles aufbot, und alle meine Kraͤfte anſtrengte, um ſoviel zu erwer- ben, als noͤthig war, meine kleine Wirthſchaft zu fuͤhren, ſo war ich doch keinen Tag ohne Kum- mer, und wenn auch alles noch ſo gut ging, ſo fing mein Hannchen an, uͤber ihre Lage zu noͤrgeln,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/30>, abgerufen am 21.11.2024.