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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Drei und zwanzigstes Kapitel.

Neuer Krieg. Ruin der Gießer Universität.



In den Ferien des Jahres 1777 kam ein ge-
wisser Wittenberg nach Gießen Er war ein
Genie, -- focht unverbesserlich auf Hieb und Stich,
und spielte die Geige und den Baß meisterhaft; war
aber dabei der liederlichste Kerl, den man sich vor-
stellen kann. Durch diesen Menschen, der sich zu
den Amicisten gesellte, entstand allerlei Unruhe, und
manche Schlägerei. Die Amicisten bekamen daher
eine Menge Gegner und Feinde, und die Gährung
ward allgemein. Endlich trafen einmal einige vor
der Stadt am Wasser zusammen, und behandelten
sich, wie besoffene Bauern: sie schossen sogar auf ein-
ander; und ein gewisser Lange aus dem Elsaß,
wurde durch einen Schuß so gefährlich verwundet,
daß man an seinem Leben lange zweifelte. Er mu-
ste über fünf Monate die Stube hüten. Einer,
Namens Conradi, hieb einen andern dergestalt
zusammen, daß man mehr als zwölf Wunden vor-
fand. Dieser Auftritt endigte den Spektakel noch
nicht, und so klein die Universität war, fielen
doch innerhalb acht Tagen mehr als dreißig Schläge-

Erster Theil. O
Drei und zwanzigſtes Kapitel.

Neuer Krieg. Ruin der Gießer Univerſitaͤt.



In den Ferien des Jahres 1777 kam ein ge-
wiſſer Wittenberg nach Gießen Er war ein
Genie, — focht unverbeſſerlich auf Hieb und Stich,
und ſpielte die Geige und den Baß meiſterhaft; war
aber dabei der liederlichſte Kerl, den man ſich vor-
ſtellen kann. Durch dieſen Menſchen, der ſich zu
den Amiciſten geſellte, entſtand allerlei Unruhe, und
manche Schlaͤgerei. Die Amiciſten bekamen daher
eine Menge Gegner und Feinde, und die Gaͤhrung
ward allgemein. Endlich trafen einmal einige vor
der Stadt am Waſſer zuſammen, und behandelten
ſich, wie beſoffene Bauern: ſie ſchoſſen ſogar auf ein-
ander; und ein gewiſſer Lange aus dem Elſaß,
wurde durch einen Schuß ſo gefaͤhrlich verwundet,
daß man an ſeinem Leben lange zweifelte. Er mu-
ſte uͤber fuͤnf Monate die Stube huͤten. Einer,
Namens Conradi, hieb einen andern dergeſtalt
zuſammen, daß man mehr als zwoͤlf Wunden vor-
fand. Dieſer Auftritt endigte den Spektakel noch
nicht, und ſo klein die Univerſitaͤt war, fielen
doch innerhalb acht Tagen mehr als dreißig Schlaͤge-

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[209/0223] Drei und zwanzigſtes Kapitel. Neuer Krieg. Ruin der Gießer Univerſitaͤt. In den Ferien des Jahres 1777 kam ein ge- wiſſer Wittenberg nach Gießen Er war ein Genie, — focht unverbeſſerlich auf Hieb und Stich, und ſpielte die Geige und den Baß meiſterhaft; war aber dabei der liederlichſte Kerl, den man ſich vor- ſtellen kann. Durch dieſen Menſchen, der ſich zu den Amiciſten geſellte, entſtand allerlei Unruhe, und manche Schlaͤgerei. Die Amiciſten bekamen daher eine Menge Gegner und Feinde, und die Gaͤhrung ward allgemein. Endlich trafen einmal einige vor der Stadt am Waſſer zuſammen, und behandelten ſich, wie beſoffene Bauern: ſie ſchoſſen ſogar auf ein- ander; und ein gewiſſer Lange aus dem Elſaß, wurde durch einen Schuß ſo gefaͤhrlich verwundet, daß man an ſeinem Leben lange zweifelte. Er mu- ſte uͤber fuͤnf Monate die Stube huͤten. Einer, Namens Conradi, hieb einen andern dergeſtalt zuſammen, daß man mehr als zwoͤlf Wunden vor- fand. Dieſer Auftritt endigte den Spektakel noch nicht, und ſo klein die Univerſitaͤt war, fielen doch innerhalb acht Tagen mehr als dreißig Schlaͤge- Erſter Theil. O

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/223>, abgerufen am 21.11.2024.