Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Beweisen.
bereits angezogenen 322sten Absatze bey, daß jeder
Beweis, der aus einfachen Schlüssen besteht, sich in
eine Schlußkette verwandeln lasse, so wird das, was
wir hier von Schlußketten erwiesen haben, auf alle
diese Beweise ausgedehnt. Denn wenn es einen sol-
chen Beweis geben sollte, wodurch aus einem Satze
mit Zuziehung richtiger Sätze das Gegentheil des
ersten Satzes gefolgert werden könnte, so würde es,
vermöge des angezogenen §. 322. auch eine Schluß-
kette geben, wodurch dieses geschehen könnte. Nun
ist, vermöge des erwiesenen, letzteres falsch, folglich
auch das erste.

§. 385.

Jndessen ist es gar wohl möglich, daß jemand
sich eine solche Schlußkette, oder wenigstens die Sä-
tze dazu, als wahr vorstelle, weil es sehr möglich
ist und oft geschieht, daß man Sätze für wahr hält,
die, wenn man sie genauer mit einander vergleicht,
einander umstoßen. Dieser Fall gehört aber zu de-
nen, die wir vorhin (§. 379.) angeführt haben, und
ist nur eine besondere Art davon. Denn nimmt man
zu einer Schlußkette wahre und falsche Sätze ohne
Unterschied, so kann man allerdings heraus bringen,
was man will. Aber mit Zuziehung lauter wahrer
Sätze und in richtiger Form, wird man vermöge des
erst erwiesenen niemals aus einem Satze sein Gegen-
theil herausbringen. Denn das Gegentheil würde
mit dem Satze in einem nothwendigen und schlüßigen
Zusammenhange, und folglich beyde wahr seyn, wel-
ches ungereimt ist.

§. 386.

Jndessen bringt man des hier gegebenen Bewei-
ses ungeachtet Beyspiele an, welche denselben umzu-
stoßen scheinen. Da aber dieser Beweis nothwendig

schlüßig

von den Beweiſen.
bereits angezogenen 322ſten Abſatze bey, daß jeder
Beweis, der aus einfachen Schluͤſſen beſteht, ſich in
eine Schlußkette verwandeln laſſe, ſo wird das, was
wir hier von Schlußketten erwieſen haben, auf alle
dieſe Beweiſe ausgedehnt. Denn wenn es einen ſol-
chen Beweis geben ſollte, wodurch aus einem Satze
mit Zuziehung richtiger Saͤtze das Gegentheil des
erſten Satzes gefolgert werden koͤnnte, ſo wuͤrde es,
vermoͤge des angezogenen §. 322. auch eine Schluß-
kette geben, wodurch dieſes geſchehen koͤnnte. Nun
iſt, vermoͤge des erwieſenen, letzteres falſch, folglich
auch das erſte.

§. 385.

Jndeſſen iſt es gar wohl moͤglich, daß jemand
ſich eine ſolche Schlußkette, oder wenigſtens die Saͤ-
tze dazu, als wahr vorſtelle, weil es ſehr moͤglich
iſt und oft geſchieht, daß man Saͤtze fuͤr wahr haͤlt,
die, wenn man ſie genauer mit einander vergleicht,
einander umſtoßen. Dieſer Fall gehoͤrt aber zu de-
nen, die wir vorhin (§. 379.) angefuͤhrt haben, und
iſt nur eine beſondere Art davon. Denn nimmt man
zu einer Schlußkette wahre und falſche Saͤtze ohne
Unterſchied, ſo kann man allerdings heraus bringen,
was man will. Aber mit Zuziehung lauter wahrer
Saͤtze und in richtiger Form, wird man vermoͤge des
erſt erwieſenen niemals aus einem Satze ſein Gegen-
theil herausbringen. Denn das Gegentheil wuͤrde
mit dem Satze in einem nothwendigen und ſchluͤßigen
Zuſammenhange, und folglich beyde wahr ſeyn, wel-
ches ungereimt iſt.

§. 386.

Jndeſſen bringt man des hier gegebenen Bewei-
ſes ungeachtet Beyſpiele an, welche denſelben umzu-
ſtoßen ſcheinen. Da aber dieſer Beweis nothwendig

ſchluͤßig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0273" n="251"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Bewei&#x017F;en.</hi></fw><lb/>
bereits angezogenen 322&#x017F;ten Ab&#x017F;atze bey, daß jeder<lb/>
Beweis, der aus einfachen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;teht, &#x017F;ich in<lb/>
eine Schlußkette verwandeln la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o wird das, was<lb/>
wir hier von Schlußketten erwie&#x017F;en haben, auf alle<lb/>
die&#x017F;e Bewei&#x017F;e ausgedehnt. Denn wenn es einen &#x017F;ol-<lb/>
chen Beweis geben &#x017F;ollte, wodurch aus einem Satze<lb/>
mit Zuziehung richtiger Sa&#x0364;tze das Gegentheil des<lb/>
er&#x017F;ten Satzes gefolgert werden ko&#x0364;nnte, &#x017F;o wu&#x0364;rde es,<lb/>
vermo&#x0364;ge des angezogenen §. 322. auch eine Schluß-<lb/>
kette geben, wodurch die&#x017F;es ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnte. Nun<lb/>
i&#x017F;t, vermo&#x0364;ge des erwie&#x017F;enen, letzteres fal&#x017F;ch, folglich<lb/>
auch das er&#x017F;te.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 385.</head><lb/>
            <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t es gar wohl mo&#x0364;glich, daß jemand<lb/>
&#x017F;ich eine &#x017F;olche Schlußkette, oder wenig&#x017F;tens die Sa&#x0364;-<lb/>
tze dazu, als wahr vor&#x017F;telle, weil es &#x017F;ehr mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t und oft ge&#x017F;chieht, daß man Sa&#x0364;tze fu&#x0364;r wahr ha&#x0364;lt,<lb/>
die, wenn man &#x017F;ie genauer mit einander vergleicht,<lb/>
einander um&#x017F;toßen. Die&#x017F;er Fall geho&#x0364;rt aber zu de-<lb/>
nen, die wir vorhin (§. 379.) angefu&#x0364;hrt haben, und<lb/>
i&#x017F;t nur eine be&#x017F;ondere Art davon. Denn nimmt man<lb/>
zu einer Schlußkette wahre und fal&#x017F;che Sa&#x0364;tze ohne<lb/>
Unter&#x017F;chied, &#x017F;o kann man allerdings heraus bringen,<lb/>
was man will. Aber mit Zuziehung lauter wahrer<lb/>
Sa&#x0364;tze und in richtiger Form, wird man vermo&#x0364;ge des<lb/>
er&#x017F;t erwie&#x017F;enen niemals aus einem Satze &#x017F;ein Gegen-<lb/>
theil herausbringen. Denn das Gegentheil wu&#x0364;rde<lb/>
mit dem Satze in einem nothwendigen und &#x017F;chlu&#x0364;ßigen<lb/>
Zu&#x017F;ammenhange, und folglich beyde wahr &#x017F;eyn, wel-<lb/>
ches ungereimt i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 386.</head><lb/>
            <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en bringt man des hier gegebenen Bewei-<lb/>
&#x017F;es ungeachtet Bey&#x017F;piele an, welche den&#x017F;elben umzu-<lb/>
&#x017F;toßen &#x017F;cheinen. Da aber die&#x017F;er Beweis nothwendig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chlu&#x0364;ßig</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0273] von den Beweiſen. bereits angezogenen 322ſten Abſatze bey, daß jeder Beweis, der aus einfachen Schluͤſſen beſteht, ſich in eine Schlußkette verwandeln laſſe, ſo wird das, was wir hier von Schlußketten erwieſen haben, auf alle dieſe Beweiſe ausgedehnt. Denn wenn es einen ſol- chen Beweis geben ſollte, wodurch aus einem Satze mit Zuziehung richtiger Saͤtze das Gegentheil des erſten Satzes gefolgert werden koͤnnte, ſo wuͤrde es, vermoͤge des angezogenen §. 322. auch eine Schluß- kette geben, wodurch dieſes geſchehen koͤnnte. Nun iſt, vermoͤge des erwieſenen, letzteres falſch, folglich auch das erſte. §. 385. Jndeſſen iſt es gar wohl moͤglich, daß jemand ſich eine ſolche Schlußkette, oder wenigſtens die Saͤ- tze dazu, als wahr vorſtelle, weil es ſehr moͤglich iſt und oft geſchieht, daß man Saͤtze fuͤr wahr haͤlt, die, wenn man ſie genauer mit einander vergleicht, einander umſtoßen. Dieſer Fall gehoͤrt aber zu de- nen, die wir vorhin (§. 379.) angefuͤhrt haben, und iſt nur eine beſondere Art davon. Denn nimmt man zu einer Schlußkette wahre und falſche Saͤtze ohne Unterſchied, ſo kann man allerdings heraus bringen, was man will. Aber mit Zuziehung lauter wahrer Saͤtze und in richtiger Form, wird man vermoͤge des erſt erwieſenen niemals aus einem Satze ſein Gegen- theil herausbringen. Denn das Gegentheil wuͤrde mit dem Satze in einem nothwendigen und ſchluͤßigen Zuſammenhange, und folglich beyde wahr ſeyn, wel- ches ungereimt iſt. §. 386. Jndeſſen bringt man des hier gegebenen Bewei- ſes ungeachtet Beyſpiele an, welche denſelben umzu- ſtoßen ſcheinen. Da aber dieſer Beweis nothwendig ſchluͤßig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/273
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/273>, abgerufen am 03.12.2024.