Endlich wollen wir noch anmerken, daß man auf ver- schiedene Arten Accidenzen erdichtungsweise als Sub- stanzen betrachtet. So z. E. sieht man in der Geometrie die Theile des Raumes, Linien, Figuren, Flächen etc. als Substanzen, hingegen Winkel, Größe, Lage etc. als Accidenzen an. Und in der Sprache hat man eine ganze Classe von Substantiuis abstractis, z. E. Tugend, Laster, Freyheit, Weisheit, Klugheit etc. die man gleichsam als Substanzen ansieht, unge- achtet sie eigentlich nur den Substanzen als Acciden- zen anhängen. Da es Accidenzen giebt, die nicht unmittelbar der Substanz, sondern andern Acciden- zen anhangen, so sieht man diese erdichtungsweise als Substanzen an, damit man sie, ohne immer auf die Substanz, deren sie anhängen, zurück zu sehen, für sich betrachten, und alles, was denselben besonders anhängig ist, durchgehen könne. Dieses scheint auch der eigentliche Grund zu seyn, warum man sie durch Substantiua abstracta ausdrücket. Man sehe Semiot. §. 138. seqq. 201. 202.
Ein und zwanzigstes Hauptstück. Zeichen und Bedeutungen.
§. 646.
Nachdem wir nun die verschiedenen Hauptarten der Verhältnisse durchgangen, so können wir das, was man in der Ontologie zuletzt noch mit- nimmt, ebenfalls noch berühren, und die Verbin- dungen untersuchen, welche zwischen Zeichen und
den
S 2
Subſtanzen und Accidenzen.
§. 645.
Endlich wollen wir noch anmerken, daß man auf ver- ſchiedene Arten Accidenzen erdichtungsweiſe als Sub- ſtanzen betrachtet. So z. E. ſieht man in der Geometrie die Theile des Raumes, Linien, Figuren, Flaͤchen ꝛc. als Subſtanzen, hingegen Winkel, Groͤße, Lage ꝛc. als Accidenzen an. Und in der Sprache hat man eine ganze Claſſe von Subſtantiuis abſtractis, z. E. Tugend, Laſter, Freyheit, Weisheit, Klugheit ꝛc. die man gleichſam als Subſtanzen anſieht, unge- achtet ſie eigentlich nur den Subſtanzen als Acciden- zen anhaͤngen. Da es Accidenzen giebt, die nicht unmittelbar der Subſtanz, ſondern andern Acciden- zen anhangen, ſo ſieht man dieſe erdichtungsweiſe als Subſtanzen an, damit man ſie, ohne immer auf die Subſtanz, deren ſie anhaͤngen, zuruͤck zu ſehen, fuͤr ſich betrachten, und alles, was denſelben beſonders anhaͤngig iſt, durchgehen koͤnne. Dieſes ſcheint auch der eigentliche Grund zu ſeyn, warum man ſie durch Subſtantiua abſtracta ausdruͤcket. Man ſehe Semiot. §. 138. ſeqq. 201. 202.
Ein und zwanzigſtes Hauptſtuͤck. Zeichen und Bedeutungen.
§. 646.
Nachdem wir nun die verſchiedenen Hauptarten der Verhaͤltniſſe durchgangen, ſo koͤnnen wir das, was man in der Ontologie zuletzt noch mit- nimmt, ebenfalls noch beruͤhren, und die Verbin- dungen unterſuchen, welche zwiſchen Zeichen und
den
S 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0283"n="275"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Subſtanzen und Accidenzen.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 645.</head><lb/><p>Endlich wollen wir noch anmerken, daß man auf ver-<lb/>ſchiedene Arten Accidenzen erdichtungsweiſe als Sub-<lb/>ſtanzen betrachtet. So z. E. ſieht man in der Geometrie<lb/>
die Theile des Raumes, Linien, Figuren, Flaͤchen ꝛc.<lb/>
als Subſtanzen, hingegen Winkel, Groͤße, Lage ꝛc.<lb/>
als Accidenzen an. Und in der Sprache hat man<lb/>
eine ganze Claſſe von <hirendition="#aq">Subſtantiuis abſtractis,</hi> z. E.<lb/>
Tugend, Laſter, Freyheit, Weisheit, Klugheit ꝛc.<lb/>
die man gleichſam als Subſtanzen anſieht, unge-<lb/>
achtet ſie eigentlich nur den Subſtanzen als Acciden-<lb/>
zen anhaͤngen. Da es Accidenzen giebt, die nicht<lb/>
unmittelbar der Subſtanz, ſondern andern Acciden-<lb/>
zen anhangen, ſo ſieht man dieſe erdichtungsweiſe<lb/>
als Subſtanzen an, damit man ſie, ohne immer<lb/>
auf die Subſtanz, deren ſie anhaͤngen, zuruͤck zu<lb/>ſehen, fuͤr ſich betrachten, und alles, was denſelben<lb/>
beſonders anhaͤngig iſt, durchgehen koͤnne. Dieſes<lb/>ſcheint auch der eigentliche Grund zu ſeyn, warum<lb/>
man ſie durch <hirendition="#aq">Subſtantiua abſtracta</hi> ausdruͤcket. Man<lb/>ſehe Semiot. §. 138. <hirendition="#aq">ſeqq.</hi> 201. 202.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Ein und zwanzigſtes Hauptſtuͤck.<lb/>
Zeichen und Bedeutungen.</hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 646.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>achdem wir nun die verſchiedenen Hauptarten<lb/>
der Verhaͤltniſſe durchgangen, ſo koͤnnen wir<lb/>
das, was man in der Ontologie zuletzt noch mit-<lb/>
nimmt, ebenfalls noch beruͤhren, und die Verbin-<lb/>
dungen unterſuchen, welche zwiſchen <hirendition="#fr">Zeichen</hi> und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[275/0283]
Subſtanzen und Accidenzen.
§. 645.
Endlich wollen wir noch anmerken, daß man auf ver-
ſchiedene Arten Accidenzen erdichtungsweiſe als Sub-
ſtanzen betrachtet. So z. E. ſieht man in der Geometrie
die Theile des Raumes, Linien, Figuren, Flaͤchen ꝛc.
als Subſtanzen, hingegen Winkel, Groͤße, Lage ꝛc.
als Accidenzen an. Und in der Sprache hat man
eine ganze Claſſe von Subſtantiuis abſtractis, z. E.
Tugend, Laſter, Freyheit, Weisheit, Klugheit ꝛc.
die man gleichſam als Subſtanzen anſieht, unge-
achtet ſie eigentlich nur den Subſtanzen als Acciden-
zen anhaͤngen. Da es Accidenzen giebt, die nicht
unmittelbar der Subſtanz, ſondern andern Acciden-
zen anhangen, ſo ſieht man dieſe erdichtungsweiſe
als Subſtanzen an, damit man ſie, ohne immer
auf die Subſtanz, deren ſie anhaͤngen, zuruͤck zu
ſehen, fuͤr ſich betrachten, und alles, was denſelben
beſonders anhaͤngig iſt, durchgehen koͤnne. Dieſes
ſcheint auch der eigentliche Grund zu ſeyn, warum
man ſie durch Subſtantiua abſtracta ausdruͤcket. Man
ſehe Semiot. §. 138. ſeqq. 201. 202.
Ein und zwanzigſtes Hauptſtuͤck.
Zeichen und Bedeutungen.
§. 646.
Nachdem wir nun die verſchiedenen Hauptarten
der Verhaͤltniſſe durchgangen, ſo koͤnnen wir
das, was man in der Ontologie zuletzt noch mit-
nimmt, ebenfalls noch beruͤhren, und die Verbin-
dungen unterſuchen, welche zwiſchen Zeichen und
den
S 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/283>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.