Das Nicht - B zeiget demnach nicht alles, son- dern nur etwas von den Dingen an, die nicht B sind, oder denen B nicht als ein Prädicat zukömmt. Und wenn man saget: Aist Nicht - B, so will man dadurch sagen: Aist etwas anders alsB. Dieser Ausdruck ist aber noch nicht bestimmt genug. Denn es bleiben dabey noch zween Fälle möglich. 1°. A kann, außer daß es B ist, noch gar wohl etwas anders, als B seyn. Und da sagt man bestimmter: Aist noch etwas anders, oder noch etwas mehr alsB. Und diese Redensart gebraucht man, wenn man A definiren will, und in B noch nicht ein vollständiges oder zureichendes Merkmal findet. 2°. KannAdergestalt etwas anders alsBseyn, daßBdavon ganz ausgeschlossen bleibt, oder wenn man es als eine Bestimmung mitnehmen wollte, in A einen Widerspruch bringen würde. Und da ist A etwas dem B Widersprechendes, das mit B nicht be- stehen kann (incompatibile). Von diesen beyden Fäl- len muß nun einer dem nicht - B entsprechen, und da ist offenbar, daß es der zweyte ist. Denn das nicht, so lange es nur dem ist als ein Aduerbium beygefüget wird, zeiget eine bloße Privation an, hin- gegen als Adiectiuum hat es etwas Categorisches, und das Nicht - B schließt das B nicht nur zum Theil, sondern ganz aus. Wenn man daher sagt: Aist Nicht - B, so will dieses so viel sagen: Ahat solche Prädi- cate, mit welchenBzugleich nicht seyn kann, und hat sie wirklich oder auch schlechthin; oder auch: A ist nicht nur nicht B, sondern es kann auch
nicht
VIII. Hauptſtuͤck.
§. 257.
Das Nicht ‒ B zeiget demnach nicht alles, ſon- dern nur etwas von den Dingen an, die nicht B ſind, oder denen B nicht als ein Praͤdicat zukoͤmmt. Und wenn man ſaget: Aiſt Nicht ‒ B, ſo will man dadurch ſagen: Aiſt etwas anders alsB. Dieſer Ausdruck iſt aber noch nicht beſtimmt genug. Denn es bleiben dabey noch zween Faͤlle moͤglich. 1°. A kann, außer daß es B iſt, noch gar wohl etwas anders, als B ſeyn. Und da ſagt man beſtimmter: Aiſt noch etwas anders, oder noch etwas mehr alsB. Und dieſe Redensart gebraucht man, wenn man A definiren will, und in B noch nicht ein vollſtaͤndiges oder zureichendes Merkmal findet. 2°. KannAdergeſtalt etwas anders alsBſeyn, daßBdavon ganz ausgeſchloſſen bleibt, oder wenn man es als eine Beſtimmung mitnehmen wollte, in A einen Widerſpruch bringen wuͤrde. Und da iſt A etwas dem B Widerſprechendes, das mit B nicht be- ſtehen kann (incompatibile). Von dieſen beyden Faͤl- len muß nun einer dem nicht ‒ B entſprechen, und da iſt offenbar, daß es der zweyte iſt. Denn das nicht, ſo lange es nur dem iſt als ein Aduerbium beygefuͤget wird, zeiget eine bloße Privation an, hin- gegen als Adiectiuum hat es etwas Categoriſches, und das Nicht ‒ B ſchließt das B nicht nur zum Theil, ſondern ganz aus. Wenn man daher ſagt: Aiſt Nicht ‒ B, ſo will dieſes ſo viel ſagen: Ahat ſolche Praͤdi- cate, mit welchenBzugleich nicht ſeyn kann, und hat ſie wirklich oder auch ſchlechthin; oder auch: A iſt nicht nur nicht B, ſondern es kann auch
nicht
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VIII. Hauptſtuͤck.
§. 257.
Das Nicht ‒ B zeiget demnach nicht alles, ſon-
dern nur etwas von den Dingen an, die nicht B ſind,
oder denen B nicht als ein Praͤdicat zukoͤmmt. Und
wenn man ſaget:
A iſt Nicht ‒ B,
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als B. Dieſer Ausdruck iſt aber noch nicht beſtimmt
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moͤglich. 1°. A kann, außer daß es B iſt, noch gar
wohl etwas anders, als B ſeyn. Und da ſagt man
beſtimmter: A iſt noch etwas anders, oder noch
etwas mehr als B. Und dieſe Redensart gebraucht
man, wenn man A definiren will, und in B noch nicht
ein vollſtaͤndiges oder zureichendes Merkmal findet.
2°. Kann A dergeſtalt etwas anders als B ſeyn,
daß B davon ganz ausgeſchloſſen bleibt, oder
wenn man es als eine Beſtimmung mitnehmen wollte,
in A einen Widerſpruch bringen wuͤrde. Und da iſt A
etwas dem B Widerſprechendes, das mit B nicht be-
ſtehen kann (incompatibile). Von dieſen beyden Faͤl-
len muß nun einer dem nicht ‒ B entſprechen, und
da iſt offenbar, daß es der zweyte iſt. Denn das
nicht, ſo lange es nur dem iſt als ein Aduerbium
beygefuͤget wird, zeiget eine bloße Privation an, hin-
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und das Nicht ‒ B ſchließt das B nicht nur zum
Theil, ſondern ganz aus. Wenn man daher ſagt:
A iſt Nicht ‒ B,
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und hat ſie wirklich oder auch ſchlechthin; oder
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/266>, abgerufen am 23.02.2025.
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