Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
ihrer wahren Gestalt verliehren kan, und man muß es
wahrgenommen haben, weil ich ofters gehöret habe, daß
man auf die Erzehlung einer sehr unglaublichen Sache in
Scherze zu antworten pflege: es müsse sehr lange seyn da
sich dieses zugetragen hätte. Sollte einen dieses aber
nicht so furchtsam machen, daß man der Erzehlung einer
sehr alten Geschichte jederzeit wenn die übrigen Umstände
einerley sind, einen etwas geringern Grad der Wahr-
scheinlichkeit als einer nicht so alten zueignete?

§. 35.

Die andere Würkung der anziehenden Kraft des Sünd-
fluthcometens soll darinn bestanden haben, daß er die
Erdenrinde zerrissen, und den unterirdischen Wassern ei-
nen Durchgang verstattet hätte. Wenn wir die Newto-
nische Theorie der Ebbe und Fluth betrachten: so scheinet
nichts leichter zu begreifen zu seyn. Denn dieser zu folge
muß der Comet allenthalben, wo er gerade über dem Wasser
gestanden, ein Aufschwellen desselben, das ist, eine Fluth
verursacht haben, dergleichen auch zu gleicher Zeit in den
entgegengesetzten Theile des Erdbodens erfolget seyn müste,
gleichwie wir sehen, daß dieses von den Monde zu gesche-
hen pflegt. Allein, daß der obgedachte Comete die Erde
zerreissen und solchergestalt denen unterirdischen Wassern
einen Ausbruch verstatten können, ist wieder sehr schwer zu
glauben. Denn wenn wir auch einräumen wollen, daß
er zur Zeit der Sündfluth ausserordentlich nahe an die
Erde gekommen wäre: so bliebe doch die Schwierigkeit
noch übrig, wie er sich wieder von der Erde habe entfer-
nen können. Denn es ist einmal unter den Planeten die
Mode von Anfang her eingeführet, daß der stärkere den
schwächern zwingt um ihn herum zu laufen, wenn er ihn
in seiner Bewegung zu nahe kommt. Der Mond muß
blos aus dieser Ursache der Erde beständig folgen, und
warum sollte man denen Cometen ein besseres Schicksal

pro-
E

in den alleraͤlteſten Zeiten.
ihrer wahren Geſtalt verliehren kan, und man muß es
wahrgenommen haben, weil ich ofters gehoͤret habe, daß
man auf die Erzehlung einer ſehr unglaublichen Sache in
Scherze zu antworten pflege: es muͤſſe ſehr lange ſeyn da
ſich dieſes zugetragen haͤtte. Sollte einen dieſes aber
nicht ſo furchtſam machen, daß man der Erzehlung einer
ſehr alten Geſchichte jederzeit wenn die uͤbrigen Umſtaͤnde
einerley ſind, einen etwas geringern Grad der Wahr-
ſcheinlichkeit als einer nicht ſo alten zueignete?

§. 35.

Die andere Wuͤrkung der anziehenden Kraft des Suͤnd-
fluthcometens ſoll darinn beſtanden haben, daß er die
Erdenrinde zerriſſen, und den unterirdiſchen Waſſern ei-
nen Durchgang verſtattet haͤtte. Wenn wir die Newto-
niſche Theorie der Ebbe und Fluth betrachten: ſo ſcheinet
nichts leichter zu begreifen zu ſeyn. Denn dieſer zu folge
muß der Comet allenthalben, wo er gerade uͤber dem Waſſer
geſtanden, ein Aufſchwellen deſſelben, das iſt, eine Fluth
verurſacht haben, dergleichen auch zu gleicher Zeit in den
entgegengeſetzten Theile des Erdbodens erfolget ſeyn muͤſte,
gleichwie wir ſehen, daß dieſes von den Monde zu geſche-
hen pflegt. Allein, daß der obgedachte Comete die Erde
zerreiſſen und ſolchergeſtalt denen unterirdiſchen Waſſern
einen Ausbruch verſtatten koͤnnen, iſt wieder ſehr ſchwer zu
glauben. Denn wenn wir auch einraͤumen wollen, daß
er zur Zeit der Suͤndfluth auſſerordentlich nahe an die
Erde gekommen waͤre: ſo bliebe doch die Schwierigkeit
noch uͤbrig, wie er ſich wieder von der Erde habe entfer-
nen koͤnnen. Denn es iſt einmal unter den Planeten die
Mode von Anfang her eingefuͤhret, daß der ſtaͤrkere den
ſchwaͤchern zwingt um ihn herum zu laufen, wenn er ihn
in ſeiner Bewegung zu nahe kommt. Der Mond muß
blos aus dieſer Urſache der Erde beſtaͤndig folgen, und
warum ſollte man denen Cometen ein beſſeres Schickſal

pro-
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="65"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
ihrer wahren Ge&#x017F;talt verliehren kan, und man muß es<lb/>
wahrgenommen haben, weil ich ofters geho&#x0364;ret habe, daß<lb/>
man auf die Erzehlung einer &#x017F;ehr unglaublichen Sache in<lb/>
Scherze zu antworten pflege: es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehr lange &#x017F;eyn da<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;es zugetragen ha&#x0364;tte. Sollte einen die&#x017F;es aber<lb/>
nicht &#x017F;o furcht&#x017F;am machen, daß man der Erzehlung einer<lb/>
&#x017F;ehr alten Ge&#x017F;chichte jederzeit wenn die u&#x0364;brigen Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
einerley &#x017F;ind, einen etwas geringern Grad der Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichkeit als einer nicht &#x017F;o alten zueignete?</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 35.</head><lb/>
        <p>Die andere Wu&#x0364;rkung der anziehenden Kraft des Su&#x0364;nd-<lb/>
fluthcometens &#x017F;oll darinn be&#x017F;tanden haben, daß er die<lb/>
Erdenrinde zerri&#x017F;&#x017F;en, und den unterirdi&#x017F;chen Wa&#x017F;&#x017F;ern ei-<lb/>
nen Durchgang ver&#x017F;tattet ha&#x0364;tte. Wenn wir die Newto-<lb/>
ni&#x017F;che Theorie der Ebbe und Fluth betrachten: &#x017F;o &#x017F;cheinet<lb/>
nichts leichter zu begreifen zu &#x017F;eyn. Denn die&#x017F;er zu folge<lb/>
muß der Comet allenthalben, wo er gerade u&#x0364;ber dem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ge&#x017F;tanden, ein Auf&#x017F;chwellen de&#x017F;&#x017F;elben, das i&#x017F;t, eine Fluth<lb/>
verur&#x017F;acht haben, dergleichen auch zu gleicher Zeit in den<lb/>
entgegenge&#x017F;etzten Theile des Erdbodens erfolget &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;te,<lb/>
gleichwie wir &#x017F;ehen, daß die&#x017F;es von den Monde zu ge&#x017F;che-<lb/>
hen pflegt. Allein, daß der obgedachte Comete die Erde<lb/>
zerrei&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;olcherge&#x017F;talt denen unterirdi&#x017F;chen Wa&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
einen Ausbruch ver&#x017F;tatten ko&#x0364;nnen, i&#x017F;t wieder &#x017F;ehr &#x017F;chwer zu<lb/>
glauben. Denn wenn wir auch einra&#x0364;umen wollen, daß<lb/>
er zur Zeit der Su&#x0364;ndfluth au&#x017F;&#x017F;erordentlich nahe an die<lb/>
Erde gekommen wa&#x0364;re: &#x017F;o bliebe doch die Schwierigkeit<lb/>
noch u&#x0364;brig, wie er &#x017F;ich wieder von der Erde habe entfer-<lb/>
nen ko&#x0364;nnen. Denn es i&#x017F;t einmal unter den Planeten die<lb/>
Mode von Anfang her eingefu&#x0364;hret, daß der &#x017F;ta&#x0364;rkere den<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chern zwingt um ihn herum zu laufen, wenn er ihn<lb/>
in &#x017F;einer Bewegung zu nahe kommt. Der Mond muß<lb/>
blos aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache der Erde be&#x017F;ta&#x0364;ndig folgen, und<lb/>
warum &#x017F;ollte man denen Cometen ein be&#x017F;&#x017F;eres Schick&#x017F;al<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">pro-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0079] in den alleraͤlteſten Zeiten. ihrer wahren Geſtalt verliehren kan, und man muß es wahrgenommen haben, weil ich ofters gehoͤret habe, daß man auf die Erzehlung einer ſehr unglaublichen Sache in Scherze zu antworten pflege: es muͤſſe ſehr lange ſeyn da ſich dieſes zugetragen haͤtte. Sollte einen dieſes aber nicht ſo furchtſam machen, daß man der Erzehlung einer ſehr alten Geſchichte jederzeit wenn die uͤbrigen Umſtaͤnde einerley ſind, einen etwas geringern Grad der Wahr- ſcheinlichkeit als einer nicht ſo alten zueignete? §. 35. Die andere Wuͤrkung der anziehenden Kraft des Suͤnd- fluthcometens ſoll darinn beſtanden haben, daß er die Erdenrinde zerriſſen, und den unterirdiſchen Waſſern ei- nen Durchgang verſtattet haͤtte. Wenn wir die Newto- niſche Theorie der Ebbe und Fluth betrachten: ſo ſcheinet nichts leichter zu begreifen zu ſeyn. Denn dieſer zu folge muß der Comet allenthalben, wo er gerade uͤber dem Waſſer geſtanden, ein Aufſchwellen deſſelben, das iſt, eine Fluth verurſacht haben, dergleichen auch zu gleicher Zeit in den entgegengeſetzten Theile des Erdbodens erfolget ſeyn muͤſte, gleichwie wir ſehen, daß dieſes von den Monde zu geſche- hen pflegt. Allein, daß der obgedachte Comete die Erde zerreiſſen und ſolchergeſtalt denen unterirdiſchen Waſſern einen Ausbruch verſtatten koͤnnen, iſt wieder ſehr ſchwer zu glauben. Denn wenn wir auch einraͤumen wollen, daß er zur Zeit der Suͤndfluth auſſerordentlich nahe an die Erde gekommen waͤre: ſo bliebe doch die Schwierigkeit noch uͤbrig, wie er ſich wieder von der Erde habe entfer- nen koͤnnen. Denn es iſt einmal unter den Planeten die Mode von Anfang her eingefuͤhret, daß der ſtaͤrkere den ſchwaͤchern zwingt um ihn herum zu laufen, wenn er ihn in ſeiner Bewegung zu nahe kommt. Der Mond muß blos aus dieſer Urſache der Erde beſtaͤndig folgen, und warum ſollte man denen Cometen ein beſſeres Schickſal pro- E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/79
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/79>, abgerufen am 21.12.2024.