Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde zweyerley Veränderungen bey der Erde hervorgebracht wor-den wären, deren eine darinne bestanden, daß die ellipti- sche Linie, in welcher sich die Erde um die Sonne bewe- get, dergestalt erweitert worden, daß sie eine längere Zeit ihren Umlauf zu verrichten, als vormals nöthig gehabt hätte. Er sucht dieses aus den ältesten Schriftstellern zu beweisen, die alle darinn mit einander übereinkommen, daß die Egyptier, Babylonier, Perser, Griechen und Römer in dem ersten Jahrhunderten nach der Sünd- fluth, ehe sie sich auf die Astronomie gelegt, einen Mo- nath zu 30. Tagen, und das Jahr zu 360. Tagen gerech- net hätten. Ja Noa selbst soll eben so gerechnet haben, wie aus der Mosaischen Historie der Sündfluth zu schlies- sen wäre, und bey den Mexicanern in America habe man es eben so befunden. Jch will diese historische Wahr- heiten nicht in Zweifel ziehen; aber wer will uns versi- chern, daß das Jahr vor der Sündfluth darum nicht meh- rere Tage gehabt habe, weil man damals davorgehalten hat, daß es nicht mehrere habe? Oder ist es nicht viel- mehr zu vermuthen, daß unsere lieben Altväter bey ihrer sonst bekannten Redlichkeit so einfältig gewesen sind, daß sie dieses nicht eingesehen haben, und weil es ihnen auf eine Hand voll Tage nicht angekommen, an statt der un- geraden eine gerade Zahl erwählet haben. Die Mexi- caner sind eben auch nicht die witzigsten Köpfe, daß man ihnen in Ansehung der Zeitrechnung eine so grosse Rich- tigkeit beylegen sollte; sondern es ist vielmehr die Vermu- thung sehr stark, daß die Zeitrechnung der Alten denen es an richtigen Jnstrumenten und genugsamer Ein sicht in die Astronomie gefehlt hat, sehr fehlerhaft seyn müsse, und wenn ihre Jrrthümer uns darinn genugsam bekannt wären: so würde vermuthlich die Geschichte der ältesten Zeit nach einen andern chronologischen Maaßstabe abge- messen werden müssen. Jn Wahrheit, es ist kaum zu glauben, wie viel eine Begebenheit durch das Alter von ihrer
Geſchichte der Erde zweyerley Veraͤnderungen bey der Erde hervorgebracht wor-den waͤren, deren eine darinne beſtanden, daß die ellipti- ſche Linie, in welcher ſich die Erde um die Sonne bewe- get, dergeſtalt erweitert worden, daß ſie eine laͤngere Zeit ihren Umlauf zu verrichten, als vormals noͤthig gehabt haͤtte. Er ſucht dieſes aus den aͤlteſten Schriftſtellern zu beweiſen, die alle darinn mit einander uͤbereinkommen, daß die Egyptier, Babylonier, Perſer, Griechen und Roͤmer in dem erſten Jahrhunderten nach der Suͤnd- fluth, ehe ſie ſich auf die Aſtronomie gelegt, einen Mo- nath zu 30. Tagen, und das Jahr zu 360. Tagen gerech- net haͤtten. Ja Noa ſelbſt ſoll eben ſo gerechnet haben, wie aus der Moſaiſchen Hiſtorie der Suͤndfluth zu ſchlieſ- ſen waͤre, und bey den Mexicanern in America habe man es eben ſo befunden. Jch will dieſe hiſtoriſche Wahr- heiten nicht in Zweifel ziehen; aber wer will uns verſi- chern, daß das Jahr vor der Suͤndfluth darum nicht meh- rere Tage gehabt habe, weil man damals davorgehalten hat, daß es nicht mehrere habe? Oder iſt es nicht viel- mehr zu vermuthen, daß unſere lieben Altvaͤter bey ihrer ſonſt bekannten Redlichkeit ſo einfaͤltig geweſen ſind, daß ſie dieſes nicht eingeſehen haben, und weil es ihnen auf eine Hand voll Tage nicht angekommen, an ſtatt der un- geraden eine gerade Zahl erwaͤhlet haben. Die Mexi- caner ſind eben auch nicht die witzigſten Koͤpfe, daß man ihnen in Anſehung der Zeitrechnung eine ſo groſſe Rich- tigkeit beylegen ſollte; ſondern es iſt vielmehr die Vermu- thung ſehr ſtark, daß die Zeitrechnung der Alten denen es an richtigen Jnſtrumenten und genugſamer Ein ſicht in die Aſtronomie gefehlt hat, ſehr fehlerhaft ſeyn muͤſſe, und wenn ihre Jrrthuͤmer uns darinn genugſam bekannt waͤren: ſo wuͤrde vermuthlich die Geſchichte der aͤlteſten Zeit nach einen andern chronologiſchen Maaßſtabe abge- meſſen werden muͤſſen. Jn Wahrheit, es iſt kaum zu glauben, wie viel eine Begebenheit durch das Alter von ihrer
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Geſchichte der Erde
zweyerley Veraͤnderungen bey der Erde hervorgebracht wor-
den waͤren, deren eine darinne beſtanden, daß die ellipti-
ſche Linie, in welcher ſich die Erde um die Sonne bewe-
get, dergeſtalt erweitert worden, daß ſie eine laͤngere Zeit
ihren Umlauf zu verrichten, als vormals noͤthig gehabt
haͤtte. Er ſucht dieſes aus den aͤlteſten Schriftſtellern zu
beweiſen, die alle darinn mit einander uͤbereinkommen, daß
die Egyptier, Babylonier, Perſer, Griechen und
Roͤmer in dem erſten Jahrhunderten nach der Suͤnd-
fluth, ehe ſie ſich auf die Aſtronomie gelegt, einen Mo-
nath zu 30. Tagen, und das Jahr zu 360. Tagen gerech-
net haͤtten. Ja Noa ſelbſt ſoll eben ſo gerechnet haben,
wie aus der Moſaiſchen Hiſtorie der Suͤndfluth zu ſchlieſ-
ſen waͤre, und bey den Mexicanern in America habe
man es eben ſo befunden. Jch will dieſe hiſtoriſche Wahr-
heiten nicht in Zweifel ziehen; aber wer will uns verſi-
chern, daß das Jahr vor der Suͤndfluth darum nicht meh-
rere Tage gehabt habe, weil man damals davorgehalten
hat, daß es nicht mehrere habe? Oder iſt es nicht viel-
mehr zu vermuthen, daß unſere lieben Altvaͤter bey ihrer
ſonſt bekannten Redlichkeit ſo einfaͤltig geweſen ſind, daß
ſie dieſes nicht eingeſehen haben, und weil es ihnen auf
eine Hand voll Tage nicht angekommen, an ſtatt der un-
geraden eine gerade Zahl erwaͤhlet haben. Die Mexi-
caner ſind eben auch nicht die witzigſten Koͤpfe, daß man
ihnen in Anſehung der Zeitrechnung eine ſo groſſe Rich-
tigkeit beylegen ſollte; ſondern es iſt vielmehr die Vermu-
thung ſehr ſtark, daß die Zeitrechnung der Alten denen
es an richtigen Jnſtrumenten und genugſamer Ein ſicht
in die Aſtronomie gefehlt hat, ſehr fehlerhaft ſeyn muͤſſe,
und wenn ihre Jrrthuͤmer uns darinn genugſam bekannt
waͤren: ſo wuͤrde vermuthlich die Geſchichte der aͤlteſten
Zeit nach einen andern chronologiſchen Maaßſtabe abge-
meſſen werden muͤſſen. Jn Wahrheit, es iſt kaum zu
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