Mitmenschen! Sie fliehen den überschwengli¬ chen Wohlthäter, wie man einen Gläubiger flieht, den man nie bezahlen kann. Also hüte Dich, zu groß zu werden in Deiner Brü¬ der Augen! auch fordert dann Jeder zu viel von Dir, und eine einzige abgeschlagene Wohlthat macht tausend würklich erzeigte in Einem Au¬ genblicke vergessen.
4.
Vor allen Dingen wache über Dich, daß Du nie die innere Zuversicht zu dir selbst, das Vertrauen auf Gott, auf gute Menschen und auf das Schicksal verliehrest! Sobald Dein Ne¬ benmann auf Deiner Stirne Mismuth und Verzweiflung liest -- so ist alles aus. Sehr oft aber ist man im Unglücke ungerecht gegen die Menschen. Jede kleine böse Laune, jede kleine Miene von Kälte deutet man auf sich; Man meint, Jeder sehe es uns an, daß wir lei¬ den, und weiche vor der Bitte zurück, die wir ihm thun könnten.
5.
Zwey Gründe hauptsächlich müssen uns be¬ wegen, nicht gar zu offenherzig gegen die Men¬
schen
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Mitmenſchen! Sie fliehen den uͤberſchwengli¬ chen Wohlthaͤter, wie man einen Glaͤubiger flieht, den man nie bezahlen kann. Alſo huͤte Dich, zu groß zu werden in Deiner Bruͤ¬ der Augen! auch fordert dann Jeder zu viel von Dir, und eine einzige abgeſchlagene Wohlthat macht tauſend wuͤrklich erzeigte in Einem Au¬ genblicke vergeſſen.
4.
Vor allen Dingen wache uͤber Dich, daß Du nie die innere Zuverſicht zu dir ſelbſt, das Vertrauen auf Gott, auf gute Menſchen und auf das Schickſal verliehreſt! Sobald Dein Ne¬ benmann auf Deiner Stirne Mismuth und Verzweiflung lieſt — ſo iſt alles aus. Sehr oft aber iſt man im Ungluͤcke ungerecht gegen die Menſchen. Jede kleine boͤſe Laune, jede kleine Miene von Kaͤlte deutet man auf ſich; Man meint, Jeder ſehe es uns an, daß wir lei¬ den, und weiche vor der Bitte zuruͤck, die wir ihm thun koͤnnten.
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Zwey Gruͤnde hauptſaͤchlich muͤſſen uns be¬ wegen, nicht gar zu offenherzig gegen die Men¬
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Mitmenſchen! Sie fliehen den uͤberſchwengli¬
chen Wohlthaͤter, wie man einen Glaͤubiger
flieht, den man nie bezahlen kann. Alſo
huͤte Dich, zu groß zu werden in Deiner Bruͤ¬
der Augen! auch fordert dann Jeder zu viel von
Dir, und eine einzige abgeſchlagene Wohlthat
macht tauſend wuͤrklich erzeigte in Einem Au¬
genblicke vergeſſen.
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Vor allen Dingen wache uͤber Dich, daß
Du nie die innere Zuverſicht zu dir ſelbſt, das
Vertrauen auf Gott, auf gute Menſchen und
auf das Schickſal verliehreſt! Sobald Dein Ne¬
benmann auf Deiner Stirne Mismuth und
Verzweiflung lieſt — ſo iſt alles aus. Sehr
oft aber iſt man im Ungluͤcke ungerecht gegen
die Menſchen. Jede kleine boͤſe Laune, jede
kleine Miene von Kaͤlte deutet man auf ſich;
Man meint, Jeder ſehe es uns an, daß wir lei¬
den, und weiche vor der Bitte zuruͤck, die wir
ihm thun koͤnnten.
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Zwey Gruͤnde hauptſaͤchlich muͤſſen uns be¬
wegen, nicht gar zu offenherzig gegen die Men¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/71>, abgerufen am 22.02.2025.
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