II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten.
§. 61. Und in der Regel nur über innerhalb Landes begangene Verbrechen.
In der Regel ist [e]in Staat befugt, Verbre- chen zu strafen, die ausserhalb seines Gebietes sind begangen worden a), noch zu fordern, dass andere Staaten solches thun sollen. In dieser Hinsicht sind jedoch folgende Fälle zu unterschei- den. I) Ist eine Rechtsverletzung begangen aus- serhalb eines Staatsgebietes, das heisst, an einem Ort, wo keine Staatsgewalt herrscht, z. B. von einem Seeräuber auf offener See, so ist kein Staat dieselbe als Verbrechen zu bestrafen befugt; denn es ist hier kein Verhältniss der Handlung zu den Gesetzen irgend eines Staates. Wohl aber kann der Staat, welcher selbst, oder dessen Un- terthan dadurch beleidigt ist, sich desshalb Ge- nugthuung nehmen b), wenn er Gelegenheit dazu findet an einem Ort, wo keine Staatsgewalt, oder seine eigene herrscht. Zu einer Genugthuung ist aber hier derjenige Staat nicht berechtigt, welcher selbst, oder dessen Unterthan nicht beleidigt ist.
a) Von dieser verwickelten Frage, worüber die Meinungen sehr getheilt sind, und deren Beantwortung nirgend er- schöpft ist, vergl. G. L. Böhmer diss. de delictis extra ter- ritorium admissis. Goett. 1748, und in dessen Electis jur. civ. T. III. exerc. 20. p. 201. Jo. Achat. Rudolph diss. de poena delictorum extra territorium admissorum. Erlang. 1790. 4. Klüber's kl. jurist. Biblioth. St. XXIII. S. 321 ff. Feuer- bach's Lehrbuch des peinl. Rechts, §. 40. Cours du droit francais, par M. Proudhon, T. I. p. 51. sq. Schmalz europ. Völkerrecht, S. 155 -- 161.
II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten.
§. 61. Und in der Regel nur über innerhalb Landes begangene Verbrechen.
In der Regel ist [e]in Staat befugt, Verbre- chen zu strafen, die ausserhalb seines Gebietes sind begangen worden a), noch zu fordern, daſs andere Staaten solches thun sollen. In dieser Hinsicht sind jedoch folgende Fälle zu unterschei- den. I) Ist eine Rechtsverletzung begangen aus- serhalb eines Staatsgebietes, das heiſst, an einem Ort, wo keine Staatsgewalt herrscht, z. B. von einem Seeräuber auf offener See, so ist kein Staat dieselbe als Verbrechen zu bestrafen befugt; denn es ist hier kein Verhältniſs der Handlung zu den Gesetzen irgend eines Staates. Wohl aber kann der Staat, welcher selbst, oder dessen Un- terthan dadurch beleidigt ist, sich deſshalb Ge- nugthuung nehmen b), wenn er Gelegenheit dazu findet an einem Ort, wo keine Staatsgewalt, oder seine eigene herrscht. Zu einer Genugthuung ist aber hier derjenige Staat nicht berechtigt, welcher selbst, oder dessen Unterthan nicht beleidigt ist.
a) Von dieser verwickelten Frage, worüber die Meinungen sehr getheilt sind, und deren Beantwortung nirgend er- schöpft ist, vergl. G. L. Böhmer diss. de delictis extra ter- ritorium admissis. Goett. 1748, und in dessen Electis jur. civ. T. III. exerc. 20. p. 201. Jo. Achat. Rudolph diss. de poena delictorum extra territorium admissorum. Erlang. 1790. 4. Klüber’s kl. jurist. Biblioth. St. XXIII. S. 321 ff. Feuer- bach’s Lehrbuch des peinl. Rechts, §. 40. Cours du droit français, par M. Proudhon, T. I. p. 51. sq. Schmalz europ. Völkerrecht, S. 155 — 161.
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II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten.
§. 61.
Und in der Regel nur über innerhalb Landes begangene
Verbrechen.
In der Regel ist ein Staat befugt, Verbre-
chen zu strafen, die ausserhalb seines Gebietes
sind begangen worden a), noch zu fordern, daſs
andere Staaten solches thun sollen. In dieser
Hinsicht sind jedoch folgende Fälle zu unterschei-
den. I) Ist eine Rechtsverletzung begangen aus-
serhalb eines Staatsgebietes, das heiſst, an einem
Ort, wo keine Staatsgewalt herrscht, z. B. von
einem Seeräuber auf offener See, so ist kein Staat
dieselbe als Verbrechen zu bestrafen befugt;
denn es ist hier kein Verhältniſs der Handlung zu
den Gesetzen irgend eines Staates. Wohl aber
kann der Staat, welcher selbst, oder dessen Un-
terthan dadurch beleidigt ist, sich deſshalb Ge-
nugthuung nehmen b), wenn er Gelegenheit dazu
findet an einem Ort, wo keine Staatsgewalt, oder
seine eigene herrscht. Zu einer Genugthuung ist
aber hier derjenige Staat nicht berechtigt, welcher
selbst, oder dessen Unterthan nicht beleidigt ist.
a⁾ Von dieser verwickelten Frage, worüber die Meinungen
sehr getheilt sind, und deren Beantwortung nirgend er-
schöpft ist, vergl. G. L. Böhmer diss. de delictis extra ter-
ritorium admissis. Goett. 1748, und in dessen Electis jur.
civ. T. III. exerc. 20. p. 201. Jo. Achat. Rudolph diss. de
poena delictorum extra territorium admissorum. Erlang. 1790.
4. Klüber’s kl. jurist. Biblioth. St. XXIII. S. 321 ff. Feuer-
bach’s Lehrbuch des peinl. Rechts, §. 40. Cours du droit
français, par M. Proudhon, T. I. p. 51. sq. Schmalz europ.
Völkerrecht, S. 155 — 161.
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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/112>, abgerufen am 16.07.2024.
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