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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

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Selmar und Selma.
Meine Selma, wenn aber der Tod uns Liebende
trennte?

Wenn dein Geschick dich zuerst zu den Unsterbli-
chen ruft?

Ach, so werd ich um dich mein ganzes Leben durch-
weinen,

Jeden nächtlichen Tag, jede noch trübere Nacht!
Jede Stunde, die sonst in deiner Umarmung vorbey floß,
Jede Minute, die uns, zärtlich genossen, entfloh!
Ach, so vergehen mir dann die übrigen Jahre voll
Schwermuth,

Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh.
Ach mein Selmar, wenn künftig der Tod uns Lie-
bende trennte,

Wenn dein Geschick dich zuerst zu den Unsterb-
lichen ruft;

Ach, dann wein' ich um dich mein ganzes übriges Leben,
Jeden unbrauchbaren Tag, jede mir schreckliche
Nacht!

Jede Stunde, die sonst, mit deinem Lächeln erheitert,
Unter dem süssen Gespräch zärtlicher Thränen ent-
floh!

Ach so vergehen mir dann die übrigen Tage voll Schwer-
muth,

Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh.
Meine Selma, du wolltest nach mir nur Tage noch
leben?

Und ich brächte noch die Jahre voll Traurigkeit zu?
Selma, Selma, nur wenig unbrauchbare trübe Mi-
nuten,

Bring ich, bist du erblaßt, neben dir seelenlos zu!
Nehme
Selmar und Selma.
Meine Selma, wenn aber der Tod uns Liebende
trennte?

Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterbli-
chen ruft?

Ach, ſo werd ich um dich mein ganzes Leben durch-
weinen,

Jeden naͤchtlichen Tag, jede noch truͤbere Nacht!
Jede Stunde, die ſonſt in deiner Umarmung vorbey floß,
Jede Minute, die uns, zaͤrtlich genoſſen, entfloh!
Ach, ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Jahre voll
Schwermuth,

Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh.
Ach mein Selmar, wenn kuͤnftig der Tod uns Lie-
bende trennte,

Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterb-
lichen ruft;

Ach, dann wein’ ich um dich mein ganzes uͤbriges Leben,
Jeden unbrauchbaren Tag, jede mir ſchreckliche
Nacht!

Jede Stunde, die ſonſt, mit deinem Laͤcheln erheitert,
Unter dem ſuͤſſen Geſpraͤch zaͤrtlicher Thraͤnen ent-
floh!

Ach ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Tage voll Schwer-
muth,

Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh.
Meine Selma, du wollteſt nach mir nur Tage noch
leben?

Und ich braͤchte noch die Jahre voll Traurigkeit zu?
Selma, Selma, nur wenig unbrauchbare truͤbe Mi-
nuten,

Bring ich, biſt du erblaßt, neben dir ſeelenlos zu!
Nehme
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[222/0230] Selmar und Selma. Meine Selma, wenn aber der Tod uns Liebende trennte? Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterbli- chen ruft? Ach, ſo werd ich um dich mein ganzes Leben durch- weinen, Jeden naͤchtlichen Tag, jede noch truͤbere Nacht! Jede Stunde, die ſonſt in deiner Umarmung vorbey floß, Jede Minute, die uns, zaͤrtlich genoſſen, entfloh! Ach, ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Jahre voll Schwermuth, Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh. Ach mein Selmar, wenn kuͤnftig der Tod uns Lie- bende trennte, Wenn dein Geſchick dich zuerſt zu den Unſterb- lichen ruft; Ach, dann wein’ ich um dich mein ganzes uͤbriges Leben, Jeden unbrauchbaren Tag, jede mir ſchreckliche Nacht! Jede Stunde, die ſonſt, mit deinem Laͤcheln erheitert, Unter dem ſuͤſſen Geſpraͤch zaͤrtlicher Thraͤnen ent- floh! Ach ſo vergehen mir dann die uͤbrigen Tage voll Schwer- muth, Wie der vergangenen keins ungeliebt uns entfloh. Meine Selma, du wollteſt nach mir nur Tage noch leben? Und ich braͤchte noch die Jahre voll Traurigkeit zu? Selma, Selma, nur wenig unbrauchbare truͤbe Mi- nuten, Bring ich, biſt du erblaßt, neben dir ſeelenlos zu! Nehme

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/230>, abgerufen am 30.12.2024.