Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
An Cidli.
[Abbildung]
Der Liebe Schmerzen, nicht der erwartenden
Noch ungeliebten, die Schmerzen nicht,
Denn ich liebe, so liebte
Keiner! so werd ich geliebt!
Die sanftern Schmerzen, welche zum Wiedersehn
Hinblicken, welche zum Wiedersehn
Tief aufathmen, doch lispelt
Stammelnde Freude mit auf!
Die Schmerzen wollt ich singen. Ich hörte schon
Des Abschieds Thränen am Rosenbusch
Weinen! weinen der Thränen
Stimme die Saiten herab!
Doch schnell verbot ich meinem zu leisem Ohr
Zurück zu horchen! die Thräne schwieg,
Und schon waren die Saiten
Klage zu singen verstummt!
Denn ach, ich sah dich! trank die Vergessenheit
Der süssen Täuschung mit feurigem
Durste! Cidli, ich sahe
Dich, du Geliebte! dich Selbst!
Wie standst du vor mir, Cidli, wie hing mein Herz
An deinem Herzen, Geliebtere,
Als die Liebenden lieben!
O die ich suchet', und fand!
Drit-
An Cidli.
[Abbildung]
Der Liebe Schmerzen, nicht der erwartenden
Noch ungeliebten, die Schmerzen nicht,
Denn ich liebe, ſo liebte
Keiner! ſo werd ich geliebt!
Die ſanftern Schmerzen, welche zum Wiederſehn
Hinblicken, welche zum Wiederſehn
Tief aufathmen, doch liſpelt
Stammelnde Freude mit auf!
Die Schmerzen wollt ich ſingen. Ich hoͤrte ſchon
Des Abſchieds Thraͤnen am Roſenbuſch
Weinen! weinen der Thraͤnen
Stimme die Saiten herab!
Doch ſchnell verbot ich meinem zu leiſem Ohr
Zuruͤck zu horchen! die Thraͤne ſchwieg,
Und ſchon waren die Saiten
Klage zu ſingen verſtummt!
Denn ach, ich ſah dich! trank die Vergeſſenheit
Der ſuͤſſen Taͤuſchung mit feurigem
Durſte! Cidli, ich ſahe
Dich, du Geliebte! dich Selbſt!
Wie ſtandſt du vor mir, Cidli, wie hing mein Herz
An deinem Herzen, Geliebtere,
Als die Liebenden lieben!
O die ich ſuchet’, und fand!
Drit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0136" n="128"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">An Cidli.</hi> </head><lb/>
          <figure/>
          <lg>
            <lg n="40">
              <l>Der Liebe Schmerzen, nicht der erwartenden</l><lb/>
              <l>Noch ungeliebten, die Schmerzen nicht,</l><lb/>
              <l>Denn ich liebe, &#x017F;o liebte</l><lb/>
              <l>Keiner! &#x017F;o werd ich geliebt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="41">
              <l>Die &#x017F;anftern Schmerzen, welche zum Wieder&#x017F;ehn</l><lb/>
              <l>Hinblicken, welche zum Wieder&#x017F;ehn</l><lb/>
              <l>Tief aufathmen, doch li&#x017F;pelt</l><lb/>
              <l>Stammelnde Freude mit auf!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="42">
              <l>Die Schmerzen wollt ich &#x017F;ingen. Ich ho&#x0364;rte &#x017F;chon</l><lb/>
              <l>Des Ab&#x017F;chieds Thra&#x0364;nen am Ro&#x017F;enbu&#x017F;ch</l><lb/>
              <l>Weinen! weinen der Thra&#x0364;nen</l><lb/>
              <l>Stimme die Saiten herab!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="43">
              <l>Doch &#x017F;chnell verbot ich meinem zu lei&#x017F;em Ohr</l><lb/>
              <l>Zuru&#x0364;ck zu horchen! die Thra&#x0364;ne &#x017F;chwieg,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chon waren die Saiten</l><lb/>
              <l>Klage zu &#x017F;ingen ver&#x017F;tummt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="44">
              <l>Denn ach, ich &#x017F;ah dich! trank die Verge&#x017F;&#x017F;enheit</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Ta&#x0364;u&#x017F;chung mit feurigem</l><lb/>
              <l>Dur&#x017F;te! Cidli, ich &#x017F;ahe</l><lb/>
              <l>Dich, du Geliebte! dich Selb&#x017F;t!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="45">
              <l>Wie &#x017F;tand&#x017F;t du vor mir, Cidli, wie hing mein Herz</l><lb/>
              <l>An deinem Herzen, Geliebtere,</l><lb/>
              <l>Als die Liebenden lieben!</l><lb/>
              <l>O die ich &#x017F;uchet&#x2019;, und fand!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Drit-</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0136] An Cidli. [Abbildung] Der Liebe Schmerzen, nicht der erwartenden Noch ungeliebten, die Schmerzen nicht, Denn ich liebe, ſo liebte Keiner! ſo werd ich geliebt! Die ſanftern Schmerzen, welche zum Wiederſehn Hinblicken, welche zum Wiederſehn Tief aufathmen, doch liſpelt Stammelnde Freude mit auf! Die Schmerzen wollt ich ſingen. Ich hoͤrte ſchon Des Abſchieds Thraͤnen am Roſenbuſch Weinen! weinen der Thraͤnen Stimme die Saiten herab! Doch ſchnell verbot ich meinem zu leiſem Ohr Zuruͤck zu horchen! die Thraͤne ſchwieg, Und ſchon waren die Saiten Klage zu ſingen verſtummt! Denn ach, ich ſah dich! trank die Vergeſſenheit Der ſuͤſſen Taͤuſchung mit feurigem Durſte! Cidli, ich ſahe Dich, du Geliebte! dich Selbſt! Wie ſtandſt du vor mir, Cidli, wie hing mein Herz An deinem Herzen, Geliebtere, Als die Liebenden lieben! O die ich ſuchet’, und fand! Drit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/136
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/136>, abgerufen am 21.11.2024.