Dem Teufel war darum zu thun, eine solche Seele dem Himmel zu stehlen, Faust's Sündenmaß schneller zu füllen, und stund in einem Augenblick unter der Gestalt eines alten Mannes, mit einem Guckkasten vor Faust, gab ihm einen Wink, und schlich nach dem Markte. Hier schlug er seine Bude auf, und rief den Pöbel zusammen, seine schöne Raritäten zu schauen. Das Volk drang hinzu, Mägde und Knechte, Jungfrauen und Wittwen, Kinder und Greise. Der Teufel gaukelte ihnen allerley Histörchen vor, die er mit frommen Erläu- terungen und moralischen Sprüchen beglei- tete. Jedermann trat vergnügt von dem Gukkasten zurück, und reizte die Zuschauer mit Erzählung der gesehnen Wunder. Die englische Angelika sah aus dem Fenster, und da sie den Teufel mit einem so frommen Tone die Vorspieglung seiner Histörchen ab- leyern hörte, fühlte sie eine unwiderstehli- che Versuchung, die Wunder des Kastens
zu
10.
Dem Teufel war darum zu thun, eine ſolche Seele dem Himmel zu ſtehlen, Fauſt’s Suͤndenmaß ſchneller zu fuͤllen, und ſtund in einem Augenblick unter der Geſtalt eines alten Mannes, mit einem Guckkaſten vor Fauſt, gab ihm einen Wink, und ſchlich nach dem Markte. Hier ſchlug er ſeine Bude auf, und rief den Poͤbel zuſammen, ſeine ſchoͤne Raritaͤten zu ſchauen. Das Volk drang hinzu, Maͤgde und Knechte, Jungfrauen und Wittwen, Kinder und Greiſe. Der Teufel gaukelte ihnen allerley Hiſtoͤrchen vor, die er mit frommen Erlaͤu- terungen und moraliſchen Spruͤchen beglei- tete. Jedermann trat vergnuͤgt von dem Gukkaſten zuruͤck, und reizte die Zuſchauer mit Erzaͤhlung der geſehnen Wunder. Die engliſche Angelika ſah aus dem Fenſter, und da ſie den Teufel mit einem ſo frommen Tone die Vorſpieglung ſeiner Hiſtoͤrchen ab- leyern hoͤrte, fuͤhlte ſie eine unwiderſtehli- che Verſuchung, die Wunder des Kaſtens
zu
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0235"n="224"/><divn="2"><head>10.</head><lb/><p>Dem Teufel war darum zu thun, eine<lb/>ſolche Seele dem Himmel zu ſtehlen, Fauſt’s<lb/>
Suͤndenmaß ſchneller zu fuͤllen, und ſtund<lb/>
in einem Augenblick unter der Geſtalt eines<lb/>
alten Mannes, mit einem Guckkaſten vor<lb/>
Fauſt, gab ihm einen Wink, und ſchlich<lb/>
nach dem Markte. Hier ſchlug er ſeine<lb/>
Bude auf, und rief den Poͤbel zuſammen,<lb/>ſeine ſchoͤne Raritaͤten zu ſchauen. Das<lb/>
Volk drang hinzu, Maͤgde und Knechte,<lb/>
Jungfrauen und Wittwen, Kinder und<lb/>
Greiſe. Der Teufel gaukelte ihnen allerley<lb/>
Hiſtoͤrchen vor, die er mit frommen Erlaͤu-<lb/>
terungen und moraliſchen Spruͤchen beglei-<lb/>
tete. Jedermann trat vergnuͤgt von dem<lb/>
Gukkaſten zuruͤck, und reizte die Zuſchauer<lb/>
mit Erzaͤhlung der geſehnen Wunder. Die<lb/>
engliſche Angelika ſah aus dem Fenſter, und<lb/>
da ſie den Teufel mit einem ſo frommen<lb/>
Tone die Vorſpieglung ſeiner Hiſtoͤrchen ab-<lb/>
leyern hoͤrte, fuͤhlte ſie eine unwiderſtehli-<lb/>
che Verſuchung, die Wunder des Kaſtens<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[224/0235]
10.
Dem Teufel war darum zu thun, eine
ſolche Seele dem Himmel zu ſtehlen, Fauſt’s
Suͤndenmaß ſchneller zu fuͤllen, und ſtund
in einem Augenblick unter der Geſtalt eines
alten Mannes, mit einem Guckkaſten vor
Fauſt, gab ihm einen Wink, und ſchlich
nach dem Markte. Hier ſchlug er ſeine
Bude auf, und rief den Poͤbel zuſammen,
ſeine ſchoͤne Raritaͤten zu ſchauen. Das
Volk drang hinzu, Maͤgde und Knechte,
Jungfrauen und Wittwen, Kinder und
Greiſe. Der Teufel gaukelte ihnen allerley
Hiſtoͤrchen vor, die er mit frommen Erlaͤu-
terungen und moraliſchen Spruͤchen beglei-
tete. Jedermann trat vergnuͤgt von dem
Gukkaſten zuruͤck, und reizte die Zuſchauer
mit Erzaͤhlung der geſehnen Wunder. Die
engliſche Angelika ſah aus dem Fenſter, und
da ſie den Teufel mit einem ſo frommen
Tone die Vorſpieglung ſeiner Hiſtoͤrchen ab-
leyern hoͤrte, fuͤhlte ſie eine unwiderſtehli-
che Verſuchung, die Wunder des Kaſtens
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/235>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.