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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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Lobrede
Stilschweigenübergehe/ Lucretius ein Sinnreicher Naturkündiger/
Manilius ein Sternseher/ Macer ein Artzt wider den Schlangen-
gifft/ Virgilius ein Ackermann/ Columella ein Gärtner/ Oppianus
ein Fisch- oder Jägermeister/ und dieser und jener der Weltweißheit O-
brister gewesen.

Jovianus Pontanus hat uns ein Gedicht von denen Dingen/ so
in der Lufft geschehen/ Buchananus von den Kugeln der Sternen/
Dousa von himmlischen Dingen/ Heinsius von Verachtung deß Todes
und der Seelen Vnsterblichkeit/ Grotius von der Warheit der Christ-
lichen Religion hinterlassen. Fracastorius hat schön beschrieben die
heßliche Krankheit/ die wir nur nicht gerne nennen/ Vida den Sei-
denwurm/ Thuanus die Falknerey und das Peitzen. Kan also die Po-
terey nicht enger eingeschrenket werden/ als die Welt und die Natur
selbsten/ ja sie ist die Kunst/ die alle andere erkündiget und begreiffet.

Von der Beschaffenheit aber ist hier nichts zu melden.

Der Ebraeer Verskunst hat unlängst ein gelehrter Niderlän-
der Gomarus heraus gegeben/ Plato/ Aristoteles/ der Griechen/ Fa-
bricius/ Sabinus und andere der Lateiner: Bevorab der Fürstliche
Scaliger/ dessen Bücher niemand/ ohne höchste Verwunderung des
unvergleichlichen/ angebornen Verstandes/ des scharffen Vrtheils
und vielfältiger Kunst/ die darinnen herfürleuchtet/ lesen mag/ also gar/
daß es scheinet/ als wann die Natur an diesem Manne versuchen wol-
len/ wie weit sich des Menschen Kräffte in der Geschikklichkeit erstrek-
keten.

Vnd nun/ nun ist es an dem/ daß ich mich über die krumgebük-
ten Seelen hinausbegebe/ eine liebliche/ lustreiche Ebene durchspatzie-
re/ die so genanten Musenjungfräulein begleite/ sie in ihren hertzer-
freulichen Stellen/ die sie unter unserm Himmel aufgeschlagen/ be-
suche.

Es ist die Teutsche Poeterey nicht ein neues/ gestern oder vorge-
stern ausgesonnenes/ oder von den Frantzosen und Welschen her ge-

spon-

Lobrede
Stilſchweigenuͤbergehe/ Lucretius ein Sinnreicher Naturkuͤndiger/
Manilius ein Sternſeher/ Macer ein Artzt wider den Schlangen-
gifft/ Virgilius ein Ackermann/ Columella ein Gaͤrtner/ Oppianus
ein Fiſch- oder Jaͤgermeiſter/ und dieſer und jener der Weltweißheit O-
briſter geweſen.

Jovianus Pontanus hat uns ein Gedicht von denen Dingen/ ſo
in der Lufft geſchehen/ Buchananus von den Kugeln der Sternen/
Douſa von him̃liſchen Dingen/ Heinſius von Verachtung deß Todes
und der Seelen Vnſterblichkeit/ Grotius von der Warheit der Chriſt-
lichen Religion hinterlaſſen. Fracaſtorius hat ſchoͤn beſchrieben die
heßliche Krankheit/ die wir nur nicht gerne nennen/ Vida den Sei-
denwurm/ Thuanus die Falknerey und das Peitzen. Kan alſo die Po-
terey nicht enger eingeſchrenket werden/ als die Welt und die Natur
ſelbſten/ ja ſie iſt die Kunſt/ die alle andere erkuͤndiget und begreiffet.

Von der Beſchaffenheit aber iſt hier nichts zu melden.

Der Ebraeer Verſkunſt hat unlaͤngſt ein gelehrter Niderlaͤn-
der Gomarus heraus gegeben/ Plato/ Ariſtoteles/ der Griechen/ Fa-
bricius/ Sabinus und andere der Lateiner: Bevorab der Fuͤrſtliche
Scaliger/ deſſen Buͤcher niemand/ ohne hoͤchſte Verwunderung des
unvergleichlichen/ angebornen Verſtandes/ des ſcharffen Vrtheils
und vielfaͤltiger Kunſt/ die darinnẽ herfuͤrleuchtet/ leſen mag/ alſo gar/
daß es ſcheinet/ als wann die Natur an dieſem Manne verſuchen wol-
len/ wie weit ſich des Menſchen Kraͤffte in der Geſchikklichkeit erſtrek-
keten.

Vnd nun/ nun iſt es an dem/ daß ich mich uͤber die krumgebuͤk-
ten Seelen hinausbegebe/ eine liebliche/ luſtreiche Ebene durchſpatzie-
re/ die ſo genanten Muſenjungfraͤulein begleite/ ſie in ihren hertzer-
freulichen Stellen/ die ſie unter unſerm Himmel aufgeſchlagen/ be-
ſuche.

Es iſt die Teutſche Poeterey nicht ein neues/ geſtern oder vorge-
ſtern ausgeſonnenes/ oder von den Frantzoſen und Welſchen her ge-

ſpon-
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[6/0020] Lobrede Stilſchweigenuͤbergehe/ Lucretius ein Sinnreicher Naturkuͤndiger/ Manilius ein Sternſeher/ Macer ein Artzt wider den Schlangen- gifft/ Virgilius ein Ackermann/ Columella ein Gaͤrtner/ Oppianus ein Fiſch- oder Jaͤgermeiſter/ und dieſer und jener der Weltweißheit O- briſter geweſen. Jovianus Pontanus hat uns ein Gedicht von denen Dingen/ ſo in der Lufft geſchehen/ Buchananus von den Kugeln der Sternen/ Douſa von him̃liſchen Dingen/ Heinſius von Verachtung deß Todes und der Seelen Vnſterblichkeit/ Grotius von der Warheit der Chriſt- lichen Religion hinterlaſſen. Fracaſtorius hat ſchoͤn beſchrieben die heßliche Krankheit/ die wir nur nicht gerne nennen/ Vida den Sei- denwurm/ Thuanus die Falknerey und das Peitzen. Kan alſo die Po- terey nicht enger eingeſchrenket werden/ als die Welt und die Natur ſelbſten/ ja ſie iſt die Kunſt/ die alle andere erkuͤndiget und begreiffet. Von der Beſchaffenheit aber iſt hier nichts zu melden. Der Ebraeer Verſkunſt hat unlaͤngſt ein gelehrter Niderlaͤn- der Gomarus heraus gegeben/ Plato/ Ariſtoteles/ der Griechen/ Fa- bricius/ Sabinus und andere der Lateiner: Bevorab der Fuͤrſtliche Scaliger/ deſſen Buͤcher niemand/ ohne hoͤchſte Verwunderung des unvergleichlichen/ angebornen Verſtandes/ des ſcharffen Vrtheils und vielfaͤltiger Kunſt/ die darinnẽ herfuͤrleuchtet/ leſen mag/ alſo gar/ daß es ſcheinet/ als wann die Natur an dieſem Manne verſuchen wol- len/ wie weit ſich des Menſchen Kraͤffte in der Geſchikklichkeit erſtrek- keten. Vnd nun/ nun iſt es an dem/ daß ich mich uͤber die krumgebuͤk- ten Seelen hinausbegebe/ eine liebliche/ luſtreiche Ebene durchſpatzie- re/ die ſo genanten Muſenjungfraͤulein begleite/ ſie in ihren hertzer- freulichen Stellen/ die ſie unter unſerm Himmel aufgeſchlagen/ be- ſuche. Es iſt die Teutſche Poeterey nicht ein neues/ geſtern oder vorge- ſtern ausgeſonnenes/ oder von den Frantzoſen und Welſchen her ge- ſpon-

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/20>, abgerufen am 26.04.2024.