Ehe ich die Zunge verlasse, muß ich doch mei- ne Leser der Seltsamkeit willen, mit einem Buche bekannt machen, das hauptsächlich von der Zunge handelt, und das ihn in Erstaunen setzen wird, wie weit eine überspannte Einbildungskraft ausschwei- fen kann. F. M. B. ab Helmont schrieb zu Sulz- bach im Jahre 1667. ein Büchelchen in 12. unter dem Titel: Alphabeti vere naturalis hebraici bre- vissima delineatio, quae simul methodum suppeditat, juxta quam, qui furdi nati sunt, sic informari pos- sunt, ut non alios saltem loquentes intelligant, sed & ipsi ad sermonis usum perveniant. Er will ganz
dreust
länger und dicker die Saite, je größer die Flöte, je größer die Geige, je weiter das Horn u. s. f. je tiefer ist immer der Ton. Wer nicht pfeiffen kann, wird es durch diese Beschrei- bung noch nicht lernen, denn es kömmt hierbey sehr viel auf das Verhältniß zwischen der Oeffnung der Lippen und jener der Zunge an, die sich mit Worten nicht be- stimmen, aber durch öfteres Versuchen leicht finden läßt.
Von den Werkzeugen der Sprache.
§. 80.
Ehe ich die Zunge verlaſſe, muß ich doch mei- ne Leſer der Seltſamkeit willen, mit einem Buche bekannt machen, das hauptſaͤchlich von der Zunge handelt, und das ihn in Erſtaunen ſetzen wird, wie weit eine uͤberſpannte Einbildungskraft ausſchwei- fen kann. F. M. B. ab Helmont ſchrieb zu Sulz- bach im Jahre 1667. ein Buͤchelchen in 12. unter dem Titel: Alphabeti vere naturalis hebraici bre- viſſima delineatio, quæ ſimul methodum ſuppeditat, juxta quam, qui furdi nati ſunt, ſic informari poſ- ſunt, ut non alios ſaltem loquentes intelligant, ſed & ipſi ad ſermonis uſum perveniant. Er will ganz
dreuſt
laͤnger und dicker die Saite, je groͤßer die Floͤte, je groͤßer die Geige, je weiter das Horn u. ſ. f. je tiefer iſt immer der Ton. Wer nicht pfeiffen kann, wird es durch dieſe Beſchrei- bung noch nicht lernen, denn es koͤmmt hierbey ſehr viel auf das Verhaͤltniß zwiſchen der Oeffnung der Lippen und jener der Zunge an, die ſich mit Worten nicht be- ſtimmen, aber durch oͤfteres Verſuchen leicht finden laͤßt.
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Von den Werkzeugen der Sprache.
§. 80.
Ehe ich die Zunge verlaſſe, muß ich doch mei-
ne Leſer der Seltſamkeit willen, mit einem Buche
bekannt machen, das hauptſaͤchlich von der Zunge
handelt, und das ihn in Erſtaunen ſetzen wird, wie
weit eine uͤberſpannte Einbildungskraft ausſchwei-
fen kann. F. M. B. ab Helmont ſchrieb zu Sulz-
bach im Jahre 1667. ein Buͤchelchen in 12. unter
dem Titel: Alphabeti vere naturalis hebraici bre-
viſſima delineatio, quæ ſimul methodum ſuppeditat,
juxta quam, qui furdi nati ſunt, ſic informari poſ-
ſunt, ut non alios ſaltem loquentes intelligant, ſed &
ipſi ad ſermonis uſum perveniant. Er will ganz
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(*) laͤnger und dicker die Saite, je groͤßer die Floͤte, je
groͤßer die Geige, je weiter das Horn u. ſ. f. je tiefer
iſt immer der Ton.
Wer nicht pfeiffen kann, wird es durch dieſe Beſchrei-
bung noch nicht lernen, denn es koͤmmt hierbey ſehr viel
auf das Verhaͤltniß zwiſchen der Oeffnung der Lippen
und jener der Zunge an, die ſich mit Worten nicht be-
ſtimmen, aber durch oͤfteres Verſuchen leicht finden laͤßt.
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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/183>, abgerufen am 22.02.2025.
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