Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abtheilung.
dreust behaupten, daß in der hebräischen Sprache,
die an sich selbst schon eines unmittelbar göttlichen
Ursprunges seyn, und die Gott selbst von je her am
liebsten gesprochen haben soll, alle Buchstaben so
geschrieben werden, daß ihre Gestalt die Lage der
Zunge, die sie bey einem jeden annimmt, ganz
treffend darstellet, daß also auch sogar die Schrift
nach einem von Gott in die Natur gelegten Plan
abgepasset ist. Er geht noch weiter, und beweiset,
daß die Buchstaben des Alphabets, so und nicht
anders auf einander folgen konnten, weil die Zun-
ge, wenn sie mit dem ersten Buchstaben fertig ist,
schon in die Lage übergehet, aus der der Anfang
des folgenden entstehen soll. Seine erhitzte Phanta-
sie hat der Zunge Krümmungen und Schnörkel an-
gedichtet, die sie nicht nur bey den Buchstaben, von
denen es sich handelt, nie annimmt, sondern auch
bey gar keiner anderen Gelegenheit anzunehmen fä-
hig ist. Es ist unbegreiflich, wie er bey manchen
Buchstaben, nicht an seiner eigenen Zunge klar ge-
fühlt hat, ob sie ruhig liegt, oder wohin sie sich
krümmet, und daß er bloß darum, weil er einen
hebräischen Buchstaben vor sich liegen sah, sich ein-

bilden

III. Abtheilung.
dreuſt behaupten, daß in der hebraͤiſchen Sprache,
die an ſich ſelbſt ſchon eines unmittelbar goͤttlichen
Urſprunges ſeyn, und die Gott ſelbſt von je her am
liebſten geſprochen haben ſoll, alle Buchſtaben ſo
geſchrieben werden, daß ihre Geſtalt die Lage der
Zunge, die ſie bey einem jeden annimmt, ganz
treffend darſtellet, daß alſo auch ſogar die Schrift
nach einem von Gott in die Natur gelegten Plan
abgepaſſet iſt. Er geht noch weiter, und beweiſet,
daß die Buchſtaben des Alphabets, ſo und nicht
anders auf einander folgen konnten, weil die Zun-
ge, wenn ſie mit dem erſten Buchſtaben fertig iſt,
ſchon in die Lage uͤbergehet, aus der der Anfang
des folgenden entſtehen ſoll. Seine erhitzte Phanta-
ſie hat der Zunge Kruͤmmungen und Schnoͤrkel an-
gedichtet, die ſie nicht nur bey den Buchſtaben, von
denen es ſich handelt, nie annimmt, ſondern auch
bey gar keiner anderen Gelegenheit anzunehmen faͤ-
hig iſt. Es iſt unbegreiflich, wie er bey manchen
Buchſtaben, nicht an ſeiner eigenen Zunge klar ge-
fuͤhlt hat, ob ſie ruhig liegt, oder wohin ſie ſich
kruͤmmet, und daß er bloß darum, weil er einen
hebraͤiſchen Buchſtaben vor ſich liegen ſah, ſich ein-

bilden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0184" n="144"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III</hi>. Abtheilung.</hi></fw><lb/>
dreu&#x017F;t behaupten, daß in der hebra&#x0364;i&#x017F;chen Sprache,<lb/>
die an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon eines unmittelbar go&#x0364;ttlichen<lb/>
Ur&#x017F;prunges &#x017F;eyn, und die Gott &#x017F;elb&#x017F;t von je her am<lb/>
lieb&#x017F;ten ge&#x017F;prochen haben &#x017F;oll, alle Buch&#x017F;taben &#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;chrieben werden, daß ihre Ge&#x017F;talt die Lage der<lb/>
Zunge, die &#x017F;ie bey einem jeden annimmt, ganz<lb/>
treffend dar&#x017F;tellet, daß al&#x017F;o auch &#x017F;ogar die Schrift<lb/>
nach einem von Gott in die Natur gelegten Plan<lb/>
abgepa&#x017F;&#x017F;et i&#x017F;t. Er geht noch weiter, und bewei&#x017F;et,<lb/>
daß die Buch&#x017F;taben des Alphabets, &#x017F;o und nicht<lb/>
anders auf einander folgen konnten, weil die Zun-<lb/>
ge, wenn &#x017F;ie mit dem er&#x017F;ten Buch&#x017F;taben fertig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;chon in die Lage u&#x0364;bergehet, aus der der Anfang<lb/>
des folgenden ent&#x017F;tehen &#x017F;oll. Seine erhitzte Phanta-<lb/>
&#x017F;ie hat der Zunge Kru&#x0364;mmungen und Schno&#x0364;rkel an-<lb/>
gedichtet, die &#x017F;ie nicht nur bey den Buch&#x017F;taben, von<lb/>
denen es &#x017F;ich handelt, nie annimmt, &#x017F;ondern auch<lb/>
bey gar keiner anderen Gelegenheit anzunehmen fa&#x0364;-<lb/>
hig i&#x017F;t. Es i&#x017F;t unbegreiflich, wie er bey manchen<lb/>
Buch&#x017F;taben, nicht an &#x017F;einer eigenen Zunge klar ge-<lb/>
fu&#x0364;hlt hat, ob &#x017F;ie ruhig liegt, oder wohin &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
kru&#x0364;mmet, und daß er bloß darum, weil er einen<lb/>
hebra&#x0364;i&#x017F;chen Buch&#x017F;taben vor &#x017F;ich liegen &#x017F;ah, &#x017F;ich ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bilden</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0184] III. Abtheilung. dreuſt behaupten, daß in der hebraͤiſchen Sprache, die an ſich ſelbſt ſchon eines unmittelbar goͤttlichen Urſprunges ſeyn, und die Gott ſelbſt von je her am liebſten geſprochen haben ſoll, alle Buchſtaben ſo geſchrieben werden, daß ihre Geſtalt die Lage der Zunge, die ſie bey einem jeden annimmt, ganz treffend darſtellet, daß alſo auch ſogar die Schrift nach einem von Gott in die Natur gelegten Plan abgepaſſet iſt. Er geht noch weiter, und beweiſet, daß die Buchſtaben des Alphabets, ſo und nicht anders auf einander folgen konnten, weil die Zun- ge, wenn ſie mit dem erſten Buchſtaben fertig iſt, ſchon in die Lage uͤbergehet, aus der der Anfang des folgenden entſtehen ſoll. Seine erhitzte Phanta- ſie hat der Zunge Kruͤmmungen und Schnoͤrkel an- gedichtet, die ſie nicht nur bey den Buchſtaben, von denen es ſich handelt, nie annimmt, ſondern auch bey gar keiner anderen Gelegenheit anzunehmen faͤ- hig iſt. Es iſt unbegreiflich, wie er bey manchen Buchſtaben, nicht an ſeiner eigenen Zunge klar ge- fuͤhlt hat, ob ſie ruhig liegt, oder wohin ſie ſich kruͤmmet, und daß er bloß darum, weil er einen hebraͤiſchen Buchſtaben vor ſich liegen ſah, ſich ein- bilden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/184
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/184>, abgerufen am 18.12.2024.