Sey mein Gesang, du, die von Ewigkeit Mit Jubelschall die Morgensterne lobten, Allsehende! die eher als die Zeit Und eher war als Meer und Kriege tobten, Durchdringe du mit deiner Wahrheit Licht Den dicken Schley'r, vor die Vernunft gebreitet, Und sey du selbst mein großer Unterricht, Wenn sich mein Herz zu deinem Lob bereitet.
Dich läugnet frech der Unsinn und der Spott, Der Wurm, den du aus seinem Nichts gezogen; Die Lüste sind sein Himmel und sein Gott, Und in ihm baut das Laster Ehrenbogen. Sein düstrer Wahn der taumelt blind vorbey, Und die Natur wird nicht von ihm gehöret, Die doch von dir mit zeugendem Geschrey, Mit Harmonie und tausend Zungen lehret.
Eh du die Welt voll Ordnung und voll Pracht Hervorgeruft und Menschen werden ließest, Noch ehe du den Staub beseelt gemacht Und ihn den Rang nach Engeln nehmen hießest, Da lagen schon Jahrhunderte vor dir. Du sahst das Buch der Weltbegebenheiten, Und nanntest schon die Menschen, die in ihr Wie Götter seyn und auf die Thronen schreiten!
Eh die Natur in ihre Werkstatt ging, Und Gold und Stein den Glanz zu Kronen machte;
Die goͤttliche Vorſehung.
1760.
Sey mein Geſang, du, die von Ewigkeit Mit Jubelſchall die Morgenſterne lobten, Allſehende! die eher als die Zeit Und eher war als Meer und Kriege tobten, Durchdringe du mit deiner Wahrheit Licht Den dicken Schley’r, vor die Vernunft gebreitet, Und ſey du ſelbſt mein großer Unterricht, Wenn ſich mein Herz zu deinem Lob bereitet.
Dich laͤugnet frech der Unſinn und der Spott, Der Wurm, den du aus ſeinem Nichts gezogen; Die Luͤſte ſind ſein Himmel und ſein Gott, Und in ihm baut das Laſter Ehrenbogen. Sein duͤſtrer Wahn der taumelt blind vorbey, Und die Natur wird nicht von ihm gehoͤret, Die doch von dir mit zeugendem Geſchrey, Mit Harmonie und tauſend Zungen lehret.
Eh du die Welt voll Ordnung und voll Pracht Hervorgeruft und Menſchen werden ließeſt, Noch ehe du den Staub beſeelt gemacht Und ihn den Rang nach Engeln nehmen hießeſt, Da lagen ſchon Jahrhunderte vor dir. Du ſahſt das Buch der Weltbegebenheiten, Und nannteſt ſchon die Menſchen, die in ihr Wie Goͤtter ſeyn und auf die Thronen ſchreiten!
Eh die Natur in ihre Werkſtatt ging, Und Gold und Stein den Glanz zu Kronen machte;
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Die goͤttliche Vorſehung.
1760.
Sey mein Geſang, du, die von Ewigkeit
Mit Jubelſchall die Morgenſterne lobten,
Allſehende! die eher als die Zeit
Und eher war als Meer und Kriege tobten,
Durchdringe du mit deiner Wahrheit Licht
Den dicken Schley’r, vor die Vernunft gebreitet,
Und ſey du ſelbſt mein großer Unterricht,
Wenn ſich mein Herz zu deinem Lob bereitet.
Dich laͤugnet frech der Unſinn und der Spott,
Der Wurm, den du aus ſeinem Nichts gezogen;
Die Luͤſte ſind ſein Himmel und ſein Gott,
Und in ihm baut das Laſter Ehrenbogen.
Sein duͤſtrer Wahn der taumelt blind vorbey,
Und die Natur wird nicht von ihm gehoͤret,
Die doch von dir mit zeugendem Geſchrey,
Mit Harmonie und tauſend Zungen lehret.
Eh du die Welt voll Ordnung und voll Pracht
Hervorgeruft und Menſchen werden ließeſt,
Noch ehe du den Staub beſeelt gemacht
Und ihn den Rang nach Engeln nehmen hießeſt,
Da lagen ſchon Jahrhunderte vor dir.
Du ſahſt das Buch der Weltbegebenheiten,
Und nannteſt ſchon die Menſchen, die in ihr
Wie Goͤtter ſeyn und auf die Thronen ſchreiten!
Eh die Natur in ihre Werkſtatt ging,
Und Gold und Stein den Glanz zu Kronen machte;
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/549>, abgerufen am 22.02.2025.
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