Eine Satire auf die Verfassung von Schlesien, während der Kaiserlichen Regierung.
1740.
Als Friedrichs große Macht in Schlesien marschiret, Da bin ich gleichfalls mit als Volontair passiret: Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an, So daß ich meinen Weg ein wenig seitwärts nahm. Da ich mich von dem Marsch der Preussen abgetrennt, Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt, Und als ich im Begriff daselbst hineinzugehn, Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume stehn. Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken, Die Hände waren ihr gebunden auf den Rücken, Die Augen thränenvoll, die Haare ganz zerstrent, Und als ich näher kam wars die Gerechtigkeit.
Y 5
Eine Satire auf die Verfaſſung von Schleſien, waͤhrend der Kaiſerlichen Regierung.
1740.
Als Friedrichs große Macht in Schleſien marſchiret, Da bin ich gleichfalls mit als Volontair paſſiret: Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an, So daß ich meinen Weg ein wenig ſeitwaͤrts nahm. Da ich mich von dem Marſch der Preuſſen abgetrennt, Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt, Und als ich im Begriff daſelbſt hineinzugehn, Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume ſtehn. Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken, Die Haͤnde waren ihr gebunden auf den Ruͤcken, Die Augen thraͤnenvoll, die Haare ganz zerſtrent, Und als ich naͤher kam wars die Gerechtigkeit.
Y 5
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0505"n="345"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Eine Satire</hi></hi><lb/>
auf die<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#g">Verfaſſung von Schleſien</hi>,</hi><lb/>
waͤhrend der Kaiſerlichen Regierung.</head><lb/><dateline><hirendition="#c">1740.</hi></dateline><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">A</hi>ls Friedrichs große Macht in Schleſien marſchiret,</l><lb/><l>Da bin ich gleichfalls mit als Volontair paſſiret:</l><lb/><l>Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an,</l><lb/><l>So daß ich meinen Weg ein wenig ſeitwaͤrts nahm.</l><lb/><l>Da ich mich von dem Marſch der Preuſſen abgetrennt,</l><lb/><l>Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt,</l><lb/><l>Und als ich im Begriff daſelbſt hineinzugehn,</l><lb/><l>Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume ſtehn.</l><lb/><l>Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken,</l><lb/><l>Die Haͤnde waren ihr gebunden auf den Ruͤcken<choice><sic>„</sic><corr>,</corr></choice></l><lb/><l>Die Augen thraͤnenvoll, die Haare ganz zerſtrent,</l><lb/><l>Und als ich naͤher kam wars die Gerechtigkeit.</l><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 5</fw><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[345/0505]
Eine Satire
auf die
Verfaſſung von Schleſien,
waͤhrend der Kaiſerlichen Regierung.
1740.
Als Friedrichs große Macht in Schleſien marſchiret,
Da bin ich gleichfalls mit als Volontair paſſiret:
Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an,
So daß ich meinen Weg ein wenig ſeitwaͤrts nahm.
Da ich mich von dem Marſch der Preuſſen abgetrennt,
Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt,
Und als ich im Begriff daſelbſt hineinzugehn,
Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume ſtehn.
Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken,
Die Haͤnde waren ihr gebunden auf den Ruͤcken,
Die Augen thraͤnenvoll, die Haare ganz zerſtrent,
Und als ich naͤher kam wars die Gerechtigkeit.
Y 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/505>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.