Wenn man die Philosophie, so fern sie Principien der Vernunfterkenntnis der Dinge (nicht blos, wie die Logik thut, die der Form des Denkens überhaupt, ohne Unter- schied der Objecte) durch Begriffe enthält, wie gewöhn- lich, in die theoretische und practische eintheilt: so verfährt man ganz recht. Aber alsdenn müssen auch die Begriffe, welche den Principien dieser Vernunfterkennt- nis ihr Object anweisen, specifisch verschieden seyn, weil sie sonst zu keiner Eintheilung berechtigen würden, welche jederzeit eine Entgegensetzung der Principien, der zu den verschiedenen Theilen einer Wissenschaft gehörigen Ver- nunfterkenntnis, voraussetzt.
Es sind aber nur zweyerley Begriffe, welche eben so viel verschiedene Principien der Möglichkeit ihrer Ge- genstände zulassen, nämlich die Naturbegriffe und der Freyheitsbegrif. Da nun die erstere ein theoreti-
Einleitung.
I. Von der Eintheilung der Philoſophie.
Wenn man die Philoſophie, ſo fern ſie Principien der Vernunfterkenntnis der Dinge (nicht blos, wie die Logik thut, die der Form des Denkens uͤberhaupt, ohne Unter- ſchied der Objecte) durch Begriffe enthaͤlt, wie gewoͤhn- lich, in die theoretiſche und practiſche eintheilt: ſo verfaͤhrt man ganz recht. Aber alsdenn muͤſſen auch die Begriffe, welche den Principien dieſer Vernunfterkennt- nis ihr Object anweiſen, ſpecifiſch verſchieden ſeyn, weil ſie ſonſt zu keiner Eintheilung berechtigen wuͤrden, welche jederzeit eine Entgegenſetzung der Principien, der zu den verſchiedenen Theilen einer Wiſſenſchaft gehoͤrigen Ver- nunfterkenntnis, vorausſetzt.
Es ſind aber nur zweyerley Begriffe, welche eben ſo viel verſchiedene Principien der Moͤglichkeit ihrer Ge- genſtaͤnde zulaſſen, naͤmlich die Naturbegriffe und der Freyheitsbegrif. Da nun die erſtere ein theoreti-
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[[XI]/0017]
Einleitung.
I.
Von der Eintheilung der Philoſophie.
Wenn man die Philoſophie, ſo fern ſie Principien der
Vernunfterkenntnis der Dinge (nicht blos, wie die Logik
thut, die der Form des Denkens uͤberhaupt, ohne Unter-
ſchied der Objecte) durch Begriffe enthaͤlt, wie gewoͤhn-
lich, in die theoretiſche und practiſche eintheilt: ſo
verfaͤhrt man ganz recht. Aber alsdenn muͤſſen auch die
Begriffe, welche den Principien dieſer Vernunfterkennt-
nis ihr Object anweiſen, ſpecifiſch verſchieden ſeyn, weil
ſie ſonſt zu keiner Eintheilung berechtigen wuͤrden, welche
jederzeit eine Entgegenſetzung der Principien, der zu den
verſchiedenen Theilen einer Wiſſenſchaft gehoͤrigen Ver-
nunfterkenntnis, vorausſetzt.
Es ſind aber nur zweyerley Begriffe, welche eben
ſo viel verſchiedene Principien der Moͤglichkeit ihrer Ge-
genſtaͤnde zulaſſen, naͤmlich die Naturbegriffe und der
Freyheitsbegrif. Da nun die erſtere ein theoreti-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. [XI]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/17>, abgerufen am 20.11.2024.
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