Gesetze dienen kann, so kann ein solches Princip nie- mals ein practisches Gesetz abgeben.
§. 3. LehrsatzII.
Alle materiale practische Principien sind, als sol- che, insgesamt von einer und derselben Art, und ge- hören unter das allgemeine Princip der Selbstliebe, oder eigenen Glückseligkeit.
Die Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache, so fern sie ein Bestimmungsgrund des Begeh- rens dieser Sache seyn soll, gründet sich auf der Em- pfänglichkeit des Subjects, weil sie von dem Daseyn eines Gegenstandes abhängt; mithin gehört sie dem Sinne (Gefühl) und nicht dem Verstande an, der eine Beziehung der Vorstellung auf ein Object, nach Be- griffen, aber nicht auf das Subject, nach Gefühlen, ausdrückt. Sie ist also nur so fern practisch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die das Subject von der Wirklichkeit des Gegenstandes erwartet, das Begehrungsvermögen bestimmt. Nun ist aber das Be- wußtseyn eines vernünftigen Wesens von der Annehm- lichkeit des Lebens, die ununterbrochen sein ganzes Da- seyn begleitet, die Glückseligkeit, und das Princip, diese sich zum höchsten Bestimmungsgrunde der Willkühr zu machen, das Princip der Selbstliebe. Also sind alle materiale Principien, die den Bestimmungsgrund der
Will-
I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen
Geſetze dienen kann, ſo kann ein ſolches Princip nie- mals ein practiſches Geſetz abgeben.
§. 3. LehrſatzII.
Alle materiale practiſche Principien ſind, als ſol- che, insgeſamt von einer und derſelben Art, und ge- hoͤren unter das allgemeine Princip der Selbſtliebe, oder eigenen Gluͤckſeligkeit.
Die Luſt aus der Vorſtellung der Exiſtenz einer Sache, ſo fern ſie ein Beſtimmungsgrund des Begeh- rens dieſer Sache ſeyn ſoll, gruͤndet ſich auf der Em- pfaͤnglichkeit des Subjects, weil ſie von dem Daſeyn eines Gegenſtandes abhaͤngt; mithin gehoͤrt ſie dem Sinne (Gefuͤhl) und nicht dem Verſtande an, der eine Beziehung der Vorſtellung auf ein Object, nach Be- griffen, aber nicht auf das Subject, nach Gefuͤhlen, ausdruͤckt. Sie iſt alſo nur ſo fern practiſch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die das Subject von der Wirklichkeit des Gegenſtandes erwartet, das Begehrungsvermoͤgen beſtimmt. Nun iſt aber das Be- wußtſeyn eines vernuͤnftigen Weſens von der Annehm- lichkeit des Lebens, die ununterbrochen ſein ganzes Da- ſeyn begleitet, die Gluͤckſeligkeit, und das Princip, dieſe ſich zum hoͤchſten Beſtimmungsgrunde der Willkuͤhr zu machen, das Princip der Selbſtliebe. Alſo ſind alle materiale Principien, die den Beſtimmungsgrund der
Will-
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I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen
Geſetze dienen kann, ſo kann ein ſolches Princip nie-
mals ein practiſches Geſetz abgeben.
§. 3.
Lehrſatz II.
Alle materiale practiſche Principien ſind, als ſol-
che, insgeſamt von einer und derſelben Art, und ge-
hoͤren unter das allgemeine Princip der Selbſtliebe, oder
eigenen Gluͤckſeligkeit.
Die Luſt aus der Vorſtellung der Exiſtenz einer
Sache, ſo fern ſie ein Beſtimmungsgrund des Begeh-
rens dieſer Sache ſeyn ſoll, gruͤndet ſich auf der Em-
pfaͤnglichkeit des Subjects, weil ſie von dem Daſeyn
eines Gegenſtandes abhaͤngt; mithin gehoͤrt ſie dem
Sinne (Gefuͤhl) und nicht dem Verſtande an, der eine
Beziehung der Vorſtellung auf ein Object, nach Be-
griffen, aber nicht auf das Subject, nach Gefuͤhlen,
ausdruͤckt. Sie iſt alſo nur ſo fern practiſch, als die
Empfindung der Annehmlichkeit, die das Subject
von der Wirklichkeit des Gegenſtandes erwartet, das
Begehrungsvermoͤgen beſtimmt. Nun iſt aber das Be-
wußtſeyn eines vernuͤnftigen Weſens von der Annehm-
lichkeit des Lebens, die ununterbrochen ſein ganzes Da-
ſeyn begleitet, die Gluͤckſeligkeit, und das Princip, dieſe
ſich zum hoͤchſten Beſtimmungsgrunde der Willkuͤhr zu
machen, das Princip der Selbſtliebe. Alſo ſind alle
materiale Principien, die den Beſtimmungsgrund der
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/48>, abgerufen am 03.03.2025.
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