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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Cardinal Borja.
Palast und zertrümmerten die Möbel seines Zimmers, während
er für gut hielt sich schlafend zu stellen.

Endlich, zum neuen Jahre 1643 erhob ihn Philipp IV zu
jener höchsten geistlichen Würde, die schon von seinem Gross-
vater einmal als königliche Anerkennung für den Widerstand
gegen die Curie im Staatsinteresse verliehen worden war. Der
neue Primas dankte durch ein Geschenk von 50000 Escudos baar,
die "sehr gelegen kamen".

Da der Stuhl des h. Ildefonso nach spanischem Begriff zu-
nächst auf den Stuhl Petri folgt, so konnte er ihn als Trost für
seine gescheiterten Hoffnungen ansehn. Er hat ihn nur drei
Jahre lang inne gehabt; er starb am 28. December 1645 und
wurde bestattet in seiner Kathedrale. Zuvor war ihm noch der
Trost geworden, den Fall der Barberini zu erleben 1).

Das Gefühl der Eitelkeit irdischer Grösse scheint zuletzt
über ihn gekommen zu sein. Er setzte in seinem letzten Willen
12000 Dukaten aus für einen Altar mit Kaplanei vor dem Bilde
U. L. Fr. vom Stern, unter dem er begraben sein wollte. Aber
er hatte nicht den Ehrgeiz seiner Vorgänger Albornoz und Men-
doza, sich hier ein Denkmal gleich denen jener Kirchenhäupter
von anderem Schnitt zu stiften. Sein Grab ist nicht einmal durch
eine Inschrift bezeichnet. Nur ein goldnes Kreuz erglänzt auf
der schwarzen tumba in der letzten Nische auf der Epistelseite
der Kapelle S. Ildefonso, jenem achteckigen spätgothischen
Prachtbau, welcher die Mitte des Kapellenkranzes einnimmt.

Das Kapitel besass ein Bildniss von ihm, das er wahrschein-
lich bei seiner Einführung geschenkt hatte, bestimmt für die
grosse Folge der toledanischen Prälaten im Wintersaal der Ka-
thedrale. Jetzt aber beschloss man es über dem schmucklosen
Grabe aufzuhängen, und den Platz Borja's in der Bildnissgalerie
durch ein anderes Gemälde auszufüllen. An jener Stelle befand
es sich bis zum Jahre 1808. Bei dem Ausbruch der Unabhängig-
keitskämpfe glaubte man es besser an einem verborgeneren Ort
bewahrt und versetzte es in ein Vorzimmer des Baubüreaus im
Souterrain (oficina de la obra y fabrica) 2). In Folge davon wird
diess auch den frühern Schriftstellern unbekannt gebliebene Werk
von keinem Biographen erwähnt.

1) Giunse in Genova il Sig. Condestabile, e in paradiso il Cardinale Borgia, piu
contento per haver veduto prima la rovina degli Barbarini. Diario de Ameyden
15. Sept. 1646.
2) Parro, Toledo en la mano. Toledo 1857. I, 365.

Der Cardinal Borja.
Palast und zertrümmerten die Möbel seines Zimmers, während
er für gut hielt sich schlafend zu stellen.

Endlich, zum neuen Jahre 1643 erhob ihn Philipp IV zu
jener höchsten geistlichen Würde, die schon von seinem Gross-
vater einmal als königliche Anerkennung für den Widerstand
gegen die Curie im Staatsinteresse verliehen worden war. Der
neue Primas dankte durch ein Geschenk von 50000 Escudos baar,
die „sehr gelegen kamen“.

Da der Stuhl des h. Ildefonso nach spanischem Begriff zu-
nächst auf den Stuhl Petri folgt, so konnte er ihn als Trost für
seine gescheiterten Hoffnungen ansehn. Er hat ihn nur drei
Jahre lang inne gehabt; er starb am 28. December 1645 und
wurde bestattet in seiner Kathedrale. Zuvor war ihm noch der
Trost geworden, den Fall der Barberini zu erleben 1).

Das Gefühl der Eitelkeit irdischer Grösse scheint zuletzt
über ihn gekommen zu sein. Er setzte in seinem letzten Willen
12000 Dukaten aus für einen Altar mit Kaplanei vor dem Bilde
U. L. Fr. vom Stern, unter dem er begraben sein wollte. Aber
er hatte nicht den Ehrgeiz seiner Vorgänger Albornoz und Men-
doza, sich hier ein Denkmal gleich denen jener Kirchenhäupter
von anderem Schnitt zu stiften. Sein Grab ist nicht einmal durch
eine Inschrift bezeichnet. Nur ein goldnes Kreuz erglänzt auf
der schwarzen tumba in der letzten Nische auf der Epistelseite
der Kapelle S. Ildefonso, jenem achteckigen spätgothischen
Prachtbau, welcher die Mitte des Kapellenkranzes einnimmt.

Das Kapitel besass ein Bildniss von ihm, das er wahrschein-
lich bei seiner Einführung geschenkt hatte, bestimmt für die
grosse Folge der toledanischen Prälaten im Wintersaal der Ka-
thedrale. Jetzt aber beschloss man es über dem schmucklosen
Grabe aufzuhängen, und den Platz Borja’s in der Bildnissgalerie
durch ein anderes Gemälde auszufüllen. An jener Stelle befand
es sich bis zum Jahre 1808. Bei dem Ausbruch der Unabhängig-
keitskämpfe glaubte man es besser an einem verborgeneren Ort
bewahrt und versetzte es in ein Vorzimmer des Baubüreaus im
Souterrain (oficina de la obra y fábrica) 2). In Folge davon wird
diess auch den frühern Schriftstellern unbekannt gebliebene Werk
von keinem Biographen erwähnt.

1) Giunse in Genova il Sig. Condestabile, e in paradiso il Cardinale Borgia, più
contento per haver veduto prima la rovina degli Barbarini. Diario de Ameyden
15. Sept. 1646.
2) Parro, Toledo en la mano. Toledo 1857. I, 365.
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[59/0079] Der Cardinal Borja. Palast und zertrümmerten die Möbel seines Zimmers, während er für gut hielt sich schlafend zu stellen. Endlich, zum neuen Jahre 1643 erhob ihn Philipp IV zu jener höchsten geistlichen Würde, die schon von seinem Gross- vater einmal als königliche Anerkennung für den Widerstand gegen die Curie im Staatsinteresse verliehen worden war. Der neue Primas dankte durch ein Geschenk von 50000 Escudos baar, die „sehr gelegen kamen“. Da der Stuhl des h. Ildefonso nach spanischem Begriff zu- nächst auf den Stuhl Petri folgt, so konnte er ihn als Trost für seine gescheiterten Hoffnungen ansehn. Er hat ihn nur drei Jahre lang inne gehabt; er starb am 28. December 1645 und wurde bestattet in seiner Kathedrale. Zuvor war ihm noch der Trost geworden, den Fall der Barberini zu erleben 1). Das Gefühl der Eitelkeit irdischer Grösse scheint zuletzt über ihn gekommen zu sein. Er setzte in seinem letzten Willen 12000 Dukaten aus für einen Altar mit Kaplanei vor dem Bilde U. L. Fr. vom Stern, unter dem er begraben sein wollte. Aber er hatte nicht den Ehrgeiz seiner Vorgänger Albornoz und Men- doza, sich hier ein Denkmal gleich denen jener Kirchenhäupter von anderem Schnitt zu stiften. Sein Grab ist nicht einmal durch eine Inschrift bezeichnet. Nur ein goldnes Kreuz erglänzt auf der schwarzen tumba in der letzten Nische auf der Epistelseite der Kapelle S. Ildefonso, jenem achteckigen spätgothischen Prachtbau, welcher die Mitte des Kapellenkranzes einnimmt. Das Kapitel besass ein Bildniss von ihm, das er wahrschein- lich bei seiner Einführung geschenkt hatte, bestimmt für die grosse Folge der toledanischen Prälaten im Wintersaal der Ka- thedrale. Jetzt aber beschloss man es über dem schmucklosen Grabe aufzuhängen, und den Platz Borja’s in der Bildnissgalerie durch ein anderes Gemälde auszufüllen. An jener Stelle befand es sich bis zum Jahre 1808. Bei dem Ausbruch der Unabhängig- keitskämpfe glaubte man es besser an einem verborgeneren Ort bewahrt und versetzte es in ein Vorzimmer des Baubüreaus im Souterrain (oficina de la obra y fábrica) 2). In Folge davon wird diess auch den frühern Schriftstellern unbekannt gebliebene Werk von keinem Biographen erwähnt. 1) Giunse in Genova il Sig. Condestabile, e in paradiso il Cardinale Borgia, più contento per haver veduto prima la rovina degli Barbarini. Diario de Ameyden 15. Sept. 1646. 2) Parro, Toledo en la mano. Toledo 1857. I, 365.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/79>, abgerufen am 26.04.2024.