Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.A. Der Proceß. Vertheidigung -- Accommodation der Klage. §. 52. hat denn die Aufstellung jenes Requisits? Ich antworte: umdem Beklagten für den Fall, daß ihm der Darlehnsgegenstand evincirt worden war, eine Einrede zu verschaffen; 80) ohne jenen Satz hätte er den Einwand nur in Form der exceptio, d. h. im älteren Recht gar nicht vorschützen können -- der Satz enthielt also in Form eines absoluten, positiven Erfordernisses des Thatbestandes den Stoff zu einer eventuellen Einrede. Die- selbe Auffassung verbinde ich mit dem Erforderniß des Eigen- thums des Testators am Object des Vindicationslegats. 81) Den Beweis dieses Erfordernisses dem Legatar aufbürden hätte ge- heißen, den Erfolg des Legats in den meisten Fällen geradezu vereiteln und rücksichtlich des Beweises das natürliche Verhält- niß zwischen Erben und Legatar völlig verkehren, denn wenn Beweismittel über das Eigenthum des Erblassers überhaupt exi- stirten, so befanden sie sich im Besitz des Erben, nicht des Lega- tars; welche Stirn hätte dazu gehört, von letzterem den Eigen- thumsbeweis zu verlangen! 82) Auch in diesem Erforderniß muß mithin eine versteckte Einrede für den Erben gelegen haben. 83) 2. Der processualische Weg. Der bisher geschilderte Weg war nicht überall anwendbar, 80) Ich habe den Satz früher schon von einer andern Seite berührt. S. B. 2 S. 351, ebenso das zweite Beispiel im Text, daselbst S. 350. 81) Gaj. II, 196. Ulp. XXIV, 7. 82) Quintil. I. O. IV. 2 §. 6: satis est dixisse: ... legatum peto ex testamento; diversae partis expositio est, cur ea non de- beantur. 83) Welcher Art (ob z. B. folgende: "der Testator hat sich versehen und
aus Irrthum eine ihm anvertraute fremde oder meine des Erben Sache als die seinige legirt"), darüber will ich mich nicht entscheiden. A. Der Proceß. Vertheidigung — Accommodation der Klage. §. 52. hat denn die Aufſtellung jenes Requiſits? Ich antworte: umdem Beklagten für den Fall, daß ihm der Darlehnsgegenſtand evincirt worden war, eine Einrede zu verſchaffen; 80) ohne jenen Satz hätte er den Einwand nur in Form der exceptio, d. h. im älteren Recht gar nicht vorſchützen können — der Satz enthielt alſo in Form eines abſoluten, poſitiven Erforderniſſes des Thatbeſtandes den Stoff zu einer eventuellen Einrede. Die- ſelbe Auffaſſung verbinde ich mit dem Erforderniß des Eigen- thums des Teſtators am Object des Vindicationslegats. 81) Den Beweis dieſes Erforderniſſes dem Legatar aufbürden hätte ge- heißen, den Erfolg des Legats in den meiſten Fällen geradezu vereiteln und rückſichtlich des Beweiſes das natürliche Verhält- niß zwiſchen Erben und Legatar völlig verkehren, denn wenn Beweismittel über das Eigenthum des Erblaſſers überhaupt exi- ſtirten, ſo befanden ſie ſich im Beſitz des Erben, nicht des Lega- tars; welche Stirn hätte dazu gehört, von letzterem den Eigen- thumsbeweis zu verlangen! 82) Auch in dieſem Erforderniß muß mithin eine verſteckte Einrede für den Erben gelegen haben. 83) 2. Der proceſſualiſche Weg. Der bisher geſchilderte Weg war nicht überall anwendbar, 80) Ich habe den Satz früher ſchon von einer andern Seite berührt. S. B. 2 S. 351, ebenſo das zweite Beiſpiel im Text, daſelbſt S. 350. 81) Gaj. II, 196. Ulp. XXIV, 7. 82) Quintil. I. O. IV. 2 §. 6: satis est dixisse: … legatum peto ex testamento; diversae partis expositio est, cur ea non de- beantur. 83) Welcher Art (ob z. B. folgende: „der Teſtator hat ſich verſehen und
aus Irrthum eine ihm anvertraute fremde oder meine des Erben Sache als die ſeinige legirt“), darüber will ich mich nicht entſcheiden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <p><pb facs="#f0093" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Proceß. Vertheidigung — Accommodation der Klage. §. 52.</fw><lb/> hat denn die Aufſtellung jenes Requiſits? Ich antworte: um<lb/> dem Beklagten für den Fall, daß ihm der Darlehnsgegenſtand<lb/><hi rendition="#g">evincirt</hi> worden war, eine Einrede zu verſchaffen; <note place="foot" n="80)">Ich habe den Satz früher ſchon von einer andern Seite berührt. S.<lb/> B. 2 S. 351, ebenſo das zweite Beiſpiel im Text, daſelbſt S. 350.</note> ohne<lb/> jenen Satz hätte er den Einwand nur in Form der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">exceptio,</hi></hi><lb/> d. h. im älteren Recht <hi rendition="#g">gar nicht</hi> vorſchützen können — der Satz<lb/> enthielt alſo in Form eines abſoluten, poſitiven Erforderniſſes<lb/> des Thatbeſtandes den Stoff zu einer eventuellen Einrede. Die-<lb/> ſelbe Auffaſſung verbinde ich mit dem Erforderniß des Eigen-<lb/> thums des Teſtators am Object des Vindicationslegats. <note place="foot" n="81)"><hi rendition="#aq">Gaj. II, 196. Ulp. XXIV,</hi> 7.</note> Den<lb/> Beweis dieſes Erforderniſſes dem Legatar aufbürden hätte ge-<lb/> heißen, den Erfolg des Legats in den meiſten Fällen geradezu<lb/> vereiteln und rückſichtlich des Beweiſes das natürliche Verhält-<lb/> niß zwiſchen Erben und Legatar völlig verkehren, denn wenn<lb/> Beweismittel über das Eigenthum des Erblaſſers überhaupt exi-<lb/> ſtirten, ſo befanden ſie ſich im Beſitz des Erben, nicht des Lega-<lb/> tars; welche Stirn hätte dazu gehört, von letzterem den Eigen-<lb/> thumsbeweis zu verlangen! <note place="foot" n="82)"><hi rendition="#aq">Quintil. I. O. IV. 2 §. 6: satis est dixisse: … <hi rendition="#g">legatum<lb/> peto ex testamento</hi>; diversae partis expositio est, cur ea non de-<lb/> beantur.</hi></note> Auch in dieſem Erforderniß muß<lb/> mithin eine verſteckte Einrede für den Erben gelegen haben. <note place="foot" n="83)">Welcher Art (ob z. B. folgende: „der Teſtator hat ſich verſehen und<lb/> aus Irrthum eine ihm anvertraute fremde oder meine des Erben Sache als<lb/> die ſeinige legirt“), darüber will ich mich nicht entſcheiden.</note></p> </div><lb/> <div n="11"> <head>2. <hi rendition="#g">Der proceſſualiſche Weg</hi>.</head><lb/> <p>Der bisher geſchilderte Weg war nicht überall anwendbar,<lb/> er paßte nur für ſolche Fälle eines Zuſammentreffens verſchiede-<lb/> ner Rechte, bei denen beide ſich gegenſeitig ganz oder theilweiſe<lb/> vernichten. Dagegen war er völlig ungeeignet für alle Fälle<lb/> eines <hi rendition="#g">friedlichen</hi> Nebeneinanderbeſtehens. Mit dem Eigen-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0093]
A. Der Proceß. Vertheidigung — Accommodation der Klage. §. 52.
hat denn die Aufſtellung jenes Requiſits? Ich antworte: um
dem Beklagten für den Fall, daß ihm der Darlehnsgegenſtand
evincirt worden war, eine Einrede zu verſchaffen; 80) ohne
jenen Satz hätte er den Einwand nur in Form der exceptio,
d. h. im älteren Recht gar nicht vorſchützen können — der Satz
enthielt alſo in Form eines abſoluten, poſitiven Erforderniſſes
des Thatbeſtandes den Stoff zu einer eventuellen Einrede. Die-
ſelbe Auffaſſung verbinde ich mit dem Erforderniß des Eigen-
thums des Teſtators am Object des Vindicationslegats. 81) Den
Beweis dieſes Erforderniſſes dem Legatar aufbürden hätte ge-
heißen, den Erfolg des Legats in den meiſten Fällen geradezu
vereiteln und rückſichtlich des Beweiſes das natürliche Verhält-
niß zwiſchen Erben und Legatar völlig verkehren, denn wenn
Beweismittel über das Eigenthum des Erblaſſers überhaupt exi-
ſtirten, ſo befanden ſie ſich im Beſitz des Erben, nicht des Lega-
tars; welche Stirn hätte dazu gehört, von letzterem den Eigen-
thumsbeweis zu verlangen! 82) Auch in dieſem Erforderniß muß
mithin eine verſteckte Einrede für den Erben gelegen haben. 83)
2. Der proceſſualiſche Weg.
Der bisher geſchilderte Weg war nicht überall anwendbar,
er paßte nur für ſolche Fälle eines Zuſammentreffens verſchiede-
ner Rechte, bei denen beide ſich gegenſeitig ganz oder theilweiſe
vernichten. Dagegen war er völlig ungeeignet für alle Fälle
eines friedlichen Nebeneinanderbeſtehens. Mit dem Eigen-
80) Ich habe den Satz früher ſchon von einer andern Seite berührt. S.
B. 2 S. 351, ebenſo das zweite Beiſpiel im Text, daſelbſt S. 350.
81) Gaj. II, 196. Ulp. XXIV, 7.
82) Quintil. I. O. IV. 2 §. 6: satis est dixisse: … legatum
peto ex testamento; diversae partis expositio est, cur ea non de-
beantur.
83) Welcher Art (ob z. B. folgende: „der Teſtator hat ſich verſehen und
aus Irrthum eine ihm anvertraute fremde oder meine des Erben Sache als
die ſeinige legirt“), darüber will ich mich nicht entſcheiden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |