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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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Ich habe nämlich an der Erdichtung, daß Ihr Gaul gestorben wäre,
nicht den geringsten Antheil gehabt und anstat zu belügen wurde ich
vielmehr selbst belogen. Denn zu der nämlichen Zeit, da der Pf[arrer]
in Schwarzenbach Ihnen diese Erdichtung überschikte, schrieb mir der
H. Aktuar die, daß Ihr Fuchs seine irdische Hütte geräumet habe.5
Sie können sich also nicht an mir, sondern mit mir rächen.

Mir hätte längst einfallen sollen, daß es besser gewesen wäre, wenn
Sie den Titel Raffinerien nicht von raffiner hergeleitet, sondern damit
auf die Zukkerraffinerien in Hamburg z. B., angespielet hätten: diese
säubern den Zukker, und Ihre die Orthodoxie, die mit dem leztern10
übrigens wenig Ähnliches hat. Doch Ihr zweiter Theil erlaubt Ihnen
noch den Widerruf.

Ihr zweiter Theil wil wahrscheinlich sich in Hof nicht eher sehen
lassen als in der übrigen Welt und als gedrukt: ich werde daher, um
ihn im Flügelkleide kennen zu lernen, selbst zu Ihnen reisen müssen:15
wenn Sie und Ihre Gattin es erlauben, so zögere ich nicht.

Ungeachtet der Jg.l nicht erst ein Stachelhalsband bedarf, um
gehörig stechen zu können: so werd' ich doch Ihren raffinirenden Satyr
mit Vergnügen von meinem begleiten lassen und Ihnen eine Satire auf
die geistliche Kleidung machen, wenn Sie nur vorher über die Be-20
schaffenheit, von der Sie sie verlangen, sich deutlicher erkläret haben.

Sie sind der Pabst, von dem ich in dem für die Seele so nahrlosen
Hof von Zeit zu Zeit eine wolfeile Fastendispensazion einhole: ia Sie
gehen weiter als der Pabst, Sie geben selbst die Speise, die Sie er-
lauben; diesmal vielleicht nun diese:25

Bibliotheque universelle. Tom. II. et choisie Tom. II.[200]
Schroekhs Biographie. Dritter Theil.
Haereticorum catalogus. Tom. II.
Alg. Deutsche Bibliothek. Erster Band.
Belisaire oder auch Lightfooti horae hebraicae.30

Salomo bat um Weisheit früher als um Reichthum, und erhielt
beide; ich ahme ihm in diesem Briefe nach -- möcht' ich auch sein
Schiksal haben!

Nämlich meine Mutter ist in der grösten Verlegenheit; die Feier-
tagsausgaben und die iezt gefälligen Steuern haben sie ganz aus-35
geschöpfet. O lieber Freund! wenn ich ihr helfen könte, wenn es
wenigstens nur meine Feder könte! Ich meine, wenn sie doch Sie

Ich habe nämlich an der Erdichtung, daß Ihr Gaul geſtorben wäre,
nicht den geringſten Antheil gehabt und anſtat zu belügen wurde ich
vielmehr ſelbſt belogen. Denn zu der nämlichen Zeit, da der Pf[arrer]
in Schwarzenbach Ihnen dieſe Erdichtung überſchikte, ſchrieb mir der
H. Aktuar die, daß Ihr Fuchs ſeine irdiſche Hütte geräumet habe.5
Sie können ſich alſo nicht an mir, ſondern mit mir rächen.

Mir hätte längſt einfallen ſollen, daß es beſſer geweſen wäre, wenn
Sie den Titel Raffinerien nicht von raffiner hergeleitet, ſondern damit
auf die Zukkerraffinerien in Hamburg z. B., angeſpielet hätten: dieſe
ſäubern den Zukker, und Ihre die Orthodoxie, die mit dem leztern10
übrigens wenig Ähnliches hat. Doch Ihr zweiter Theil erlaubt Ihnen
noch den Widerruf.

Ihr zweiter Theil wil wahrſcheinlich ſich in Hof nicht eher ſehen
laſſen als in der übrigen Welt und als gedrukt: ich werde daher, um
ihn im Flügelkleide kennen zu lernen, ſelbſt zu Ihnen reiſen müſſen:15
wenn Sie und Ihre Gattin es erlauben, ſo zögere ich nicht.

Ungeachtet der Jg.l nicht erſt ein Stachelhalsband bedarf, um
gehörig ſtechen zu können: ſo werd’ ich doch Ihren raffinirenden Satyr
mit Vergnügen von meinem begleiten laſſen und Ihnen eine Satire auf
die geiſtliche Kleidung machen, wenn Sie nur vorher über die Be-20
ſchaffenheit, von der Sie ſie verlangen, ſich deutlicher erkläret haben.

Sie ſind der Pabſt, von dem ich in dem für die Seele ſo nahrloſen
Hof von Zeit zu Zeit eine wolfeile Faſtendiſpenſazion einhole: ia Sie
gehen weiter als der Pabſt, Sie geben ſelbſt die Speiſe, die Sie er-
lauben; diesmal vielleicht nun dieſe:25

Bibliotheque universelle. Tom. II. et choisie Tom. II.[200]
Schroekhs Biographie. Dritter Theil.
Haereticorum catalogus. Tom. II.
Alg. Deutſche Bibliothek. Erſter Band.
Belisaire oder auch Lightfooti horae hebraicae.30

Salomo bat um Weisheit früher als um Reichthum, und erhielt
beide; ich ahme ihm in dieſem Briefe nach — möcht’ ich auch ſein
Schikſal haben!

Nämlich meine Mutter iſt in der gröſten Verlegenheit; die Feier-
tagsausgaben und die iezt gefälligen Steuern haben ſie ganz aus-35
geſchöpfet. O lieber Freund! wenn ich ihr helfen könte, wenn es
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[189/0214] Ich habe nämlich an der Erdichtung, daß Ihr Gaul geſtorben wäre, nicht den geringſten Antheil gehabt und anſtat zu belügen wurde ich vielmehr ſelbſt belogen. Denn zu der nämlichen Zeit, da der Pf[arrer] in Schwarzenbach Ihnen dieſe Erdichtung überſchikte, ſchrieb mir der H. Aktuar die, daß Ihr Fuchs ſeine irdiſche Hütte geräumet habe. 5 Sie können ſich alſo nicht an mir, ſondern mit mir rächen. Mir hätte längſt einfallen ſollen, daß es beſſer geweſen wäre, wenn Sie den Titel Raffinerien nicht von raffiner hergeleitet, ſondern damit auf die Zukkerraffinerien in Hamburg z. B., angeſpielet hätten: dieſe ſäubern den Zukker, und Ihre die Orthodoxie, die mit dem leztern 10 übrigens wenig Ähnliches hat. Doch Ihr zweiter Theil erlaubt Ihnen noch den Widerruf. Ihr zweiter Theil wil wahrſcheinlich ſich in Hof nicht eher ſehen laſſen als in der übrigen Welt und als gedrukt: ich werde daher, um ihn im Flügelkleide kennen zu lernen, ſelbſt zu Ihnen reiſen müſſen: 15 wenn Sie und Ihre Gattin es erlauben, ſo zögere ich nicht. Ungeachtet der Jg.l nicht erſt ein Stachelhalsband bedarf, um gehörig ſtechen zu können: ſo werd’ ich doch Ihren raffinirenden Satyr mit Vergnügen von meinem begleiten laſſen und Ihnen eine Satire auf die geiſtliche Kleidung machen, wenn Sie nur vorher über die Be- 20 ſchaffenheit, von der Sie ſie verlangen, ſich deutlicher erkläret haben. Sie ſind der Pabſt, von dem ich in dem für die Seele ſo nahrloſen Hof von Zeit zu Zeit eine wolfeile Faſtendiſpenſazion einhole: ia Sie gehen weiter als der Pabſt, Sie geben ſelbſt die Speiſe, die Sie er- lauben; diesmal vielleicht nun dieſe: 25 Bibliotheque universelle. Tom. II. et choisie Tom. II. Schroekhs Biographie. Dritter Theil. Haereticorum catalogus. Tom. II. Alg. Deutſche Bibliothek. Erſter Band. Belisaire oder auch Lightfooti horae hebraicae. 30 Salomo bat um Weisheit früher als um Reichthum, und erhielt beide; ich ahme ihm in dieſem Briefe nach — möcht’ ich auch ſein Schikſal haben! Nämlich meine Mutter iſt in der gröſten Verlegenheit; die Feier- tagsausgaben und die iezt gefälligen Steuern haben ſie ganz aus- 35 geſchöpfet. O lieber Freund! wenn ich ihr helfen könte, wenn es wenigſtens nur meine Feder könte! Ich meine, wenn ſie doch Sie

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/214>, abgerufen am 26.04.2024.