Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite
50. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P.
Hochzuver[er]ender Her Pfarrer,

Ich verstehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das,
was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung5
nicht ganz trüget, so sind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre
Freunde sind und Sie würden eine solche Kleinigkeit, wie eine Klei-
dung ist, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht
andre getan. Diese "andern" würd' ich darum hochachten, weil Sie
sie zu achten scheinen; allein diese Herren von Schwarzenbach ver-10
dienen, soviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret,
Ihre Achtung sowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern
Völkel und dem Hern Kletterer in Rüksicht meiner sagen könte:
"Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf-
"blaset, weil alle übrige Frösche, die um euch sizen, sich nicht so dik auf-15
"blasen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen
"Gebüschen schlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, stat daß eure
"schlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben -- lasset doch einem
"andern seine Narrenkappe, ungeachtet sie der eurigen wenig gleichet;
"eure wäre ia für meinen Kopf zu eng geschnitten und eure Verbrä-20
"mung derselben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr liesset auf
"eure Schellen einen schönen Affen mit einem langen Schwanz nach
"dem Leben stechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich[88]
"auf die meinigen einen bessern Affen, nämlich einen Urangutang
"gepräget. Ihr sagt ia so oft, ieder Mensch darf seine eigne Vernunft25
"haben; warum sol nicht ieder auch seine eigne Narheit haben?" --
Verzeihen Sie mir diesen Ton, den Sie in kurzem vielleicht selbst
anschlagen werden. Ich bin diesen Leuten so feind, weil sie die
Veranlassung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und
ich mus dem meine Liebe versagen, der mir die Ihrige stielt. Auch30
schikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymisti-
schen Buchs "Annulus Platonis" die Her Doppelmaier herausgegeben.
Lesen Sie die lezte Seite dieser Piece; und vergleichen Sie sie mit der
Note der 23. Seite meiner satirischen Skizzen. Ich sage kein Wort
mer darüber! -- Die Zurüksendung bitte ich mir schon auf heute wieder35
aus, da man es mir nicht länger geliehen.

6 Jean Paul Briefe. I.
50. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P.
Hochzuver[er]ender Her Pfarrer,

Ich verſtehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das,
was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung5
nicht ganz trüget, ſo ſind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre
Freunde ſind und Sie würden eine ſolche Kleinigkeit, wie eine Klei-
dung iſt, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht
andre getan. Dieſe „andern“ würd’ ich darum hochachten, weil Sie
ſie zu achten ſcheinen; allein dieſe Herren von Schwarzenbach ver-10
dienen, ſoviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret,
Ihre Achtung ſowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern
Völkel und dem Hern Kletterer in Rükſicht meiner ſagen könte:
„Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf-
„blaſet, weil alle übrige Fröſche, die um euch ſizen, ſich nicht ſo dik auf-15
„blaſen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen
„Gebüſchen ſchlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, ſtat daß eure
„ſchlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben — laſſet doch einem
„andern ſeine Narrenkappe, ungeachtet ſie der eurigen wenig gleichet;
„eure wäre ia für meinen Kopf zu eng geſchnitten und eure Verbrä-20
„mung derſelben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr lieſſet auf
„eure Schellen einen ſchönen Affen mit einem langen Schwanz nach
„dem Leben ſtechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich[88]
„auf die meinigen einen beſſern Affen, nämlich einen Urangutang
„gepräget. Ihr ſagt ia ſo oft, ieder Menſch darf ſeine eigne Vernunft25
„haben; warum ſol nicht ieder auch ſeine eigne Narheit haben?“ —
Verzeihen Sie mir dieſen Ton, den Sie in kurzem vielleicht ſelbſt
anſchlagen werden. Ich bin dieſen Leuten ſo feind, weil ſie die
Veranlaſſung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und
ich mus dem meine Liebe verſagen, der mir die Ihrige ſtielt. Auch30
ſchikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymiſti-
ſchen Buchs „Annulus Platonis“ die Her Doppelmaier herausgegeben.
Leſen Sie die lezte Seite dieſer Piece; und vergleichen Sie ſie mit der
Note der 23. Seite meiner ſatiriſchen Skizzen. Ich ſage kein Wort
mer darüber! — Die Zurükſendung bitte ich mir ſchon auf heute wieder35
aus, da man es mir nicht länger geliehen.

6 Jean Paul Briefe. I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0104" n="81"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>50. An <hi rendition="#g">Pfarrer Vogel in Rehau.</hi></head><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">P. P.</hi><lb/>
Hochzuver<metamark>[</metamark>er<metamark>]</metamark>ender Her Pfarrer,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Ich ver&#x017F;tehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das,<lb/>
was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung<lb n="5"/>
nicht ganz trüget, &#x017F;o &#x017F;ind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre<lb/>
Freunde &#x017F;ind und Sie würden eine &#x017F;olche Kleinigkeit, wie eine Klei-<lb/>
dung i&#x017F;t, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht<lb/>
andre getan. Die&#x017F;e &#x201E;andern&#x201C; würd&#x2019; ich darum <hi rendition="#g">hochachten,</hi> weil Sie<lb/>
&#x017F;ie zu <hi rendition="#g">achten</hi> &#x017F;cheinen; allein die&#x017F;e Herren von Schwarzenbach ver-<lb n="10"/>
dienen, &#x017F;oviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret,<lb/>
Ihre Achtung &#x017F;owenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern<lb/>
Völkel und dem Hern Kletterer in Rük&#x017F;icht meiner &#x017F;agen könte:<lb/>
&#x201E;Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf-<lb/>
&#x201E;bla&#x017F;et, weil alle übrige Frö&#x017F;che, die um euch &#x017F;izen, &#x017F;ich nicht &#x017F;o dik auf-<lb n="15"/>
&#x201E;bla&#x017F;en können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen<lb/>
&#x201E;Gebü&#x017F;chen &#x017F;chlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, &#x017F;tat daß eure<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben &#x2014; la&#x017F;&#x017F;et doch einem<lb/>
&#x201E;andern &#x017F;eine Narrenkappe, ungeachtet &#x017F;ie der eurigen wenig gleichet;<lb/>
&#x201E;eure wäre ia für meinen Kopf zu eng ge&#x017F;chnitten und eure Verbrä-<lb n="20"/>
&#x201E;mung der&#x017F;elben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr lie&#x017F;&#x017F;et auf<lb/>
&#x201E;eure Schellen einen &#x017F;chönen Affen mit einem langen Schwanz nach<lb/>
&#x201E;dem Leben &#x017F;techen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich<note place="right"><ref target="1922_Bd#_88">[88]</ref></note><lb/>
&#x201E;auf die meinigen einen be&#x017F;&#x017F;ern Affen, nämlich einen Urangutang<lb/>
&#x201E;gepräget. Ihr &#x017F;agt ia &#x017F;o oft, ieder Men&#x017F;ch darf &#x017F;eine eigne Vernunft<lb n="25"/>
&#x201E;haben; warum &#x017F;ol nicht ieder auch &#x017F;eine eigne Narheit haben?&#x201C; &#x2014;<lb/>
Verzeihen Sie mir die&#x017F;en Ton, den Sie in kurzem vielleicht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
an&#x017F;chlagen werden. Ich bin die&#x017F;en Leuten &#x017F;o feind, weil &#x017F;ie die<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und<lb/>
ich mus dem meine Liebe ver&#x017F;agen, der mir die Ihrige &#x017F;tielt. Auch<lb n="30"/>
&#x017F;chikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymi&#x017F;ti-<lb/>
&#x017F;chen Buchs &#x201E;<hi rendition="#aq">Annulus Platonis</hi>&#x201C; die Her Doppelmaier herausgegeben.<lb/>
Le&#x017F;en Sie die <hi rendition="#g">lezte</hi> Seite die&#x017F;er Piece; und vergleichen Sie &#x017F;ie mit der<lb/>
Note der 23. Seite meiner <hi rendition="#g">&#x017F;atiri&#x017F;chen Skizzen.</hi> Ich &#x017F;age kein Wort<lb/>
mer darüber! &#x2014; Die Zurük&#x017F;endung bitte ich mir &#x017F;chon auf heute wieder<lb n="35"/>
aus, da man es mir nicht länger geliehen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">6 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0104] 50. An Pfarrer Vogel in Rehau. P. P. Hochzuver[er]ender Her Pfarrer, Ich verſtehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das, was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung 5 nicht ganz trüget, ſo ſind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre Freunde ſind und Sie würden eine ſolche Kleinigkeit, wie eine Klei- dung iſt, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht andre getan. Dieſe „andern“ würd’ ich darum hochachten, weil Sie ſie zu achten ſcheinen; allein dieſe Herren von Schwarzenbach ver- 10 dienen, ſoviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret, Ihre Achtung ſowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern Völkel und dem Hern Kletterer in Rükſicht meiner ſagen könte: „Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf- „blaſet, weil alle übrige Fröſche, die um euch ſizen, ſich nicht ſo dik auf- 15 „blaſen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen „Gebüſchen ſchlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, ſtat daß eure „ſchlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben — laſſet doch einem „andern ſeine Narrenkappe, ungeachtet ſie der eurigen wenig gleichet; „eure wäre ia für meinen Kopf zu eng geſchnitten und eure Verbrä- 20 „mung derſelben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr lieſſet auf „eure Schellen einen ſchönen Affen mit einem langen Schwanz nach „dem Leben ſtechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich „auf die meinigen einen beſſern Affen, nämlich einen Urangutang „gepräget. Ihr ſagt ia ſo oft, ieder Menſch darf ſeine eigne Vernunft 25 „haben; warum ſol nicht ieder auch ſeine eigne Narheit haben?“ — Verzeihen Sie mir dieſen Ton, den Sie in kurzem vielleicht ſelbſt anſchlagen werden. Ich bin dieſen Leuten ſo feind, weil ſie die Veranlaſſung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und ich mus dem meine Liebe verſagen, der mir die Ihrige ſtielt. Auch 30 ſchikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymiſti- ſchen Buchs „Annulus Platonis“ die Her Doppelmaier herausgegeben. Leſen Sie die lezte Seite dieſer Piece; und vergleichen Sie ſie mit der Note der 23. Seite meiner ſatiriſchen Skizzen. Ich ſage kein Wort mer darüber! — Die Zurükſendung bitte ich mir ſchon auf heute wieder 35 aus, da man es mir nicht länger geliehen. [88] 6 Jean Paul Briefe. I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/104
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/104>, abgerufen am 26.04.2024.