Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Tod nöthigte zugleich nachdenkende Gemü-
ther desto eher an die Ewigkeit zu ge-
denken. Der Mensch war indessen nun-
mehro einer schwerern Arbeit gewachsen.
Er brachte die Erfindungen von mehr,
denn anderthalb tausend Jahren und einen
Vorrath von nöthigen Jnstrumenten und
gezähmte Thiere aus der alten in die neue
veränderte Welt und konnte den Bau der-
selben so gleich anfangen und mit leichterer
Mühe bestreiten, als dem ersten Men-
schen wäre möglich gewesen, wenn er gleich
in eine Welt gesetzet worden, in welcher
man sich so mühsam ernähren müssen, wie
bey der jetzigen Gestalt der Erde.

§. 10.
War um
Gott die
Unwissen-
heit und
Abgötterey
zugelassen.

Bishieher habe ich gesuchet in etwas be-
greiflich zu machen, warum es nöthig ge-
wesen, daß bey dem ersten Anfange dieser
Welt dieses Wohnhaus der Menschen sei-
ne Einwohner leichter ernähret und den-
selben ein längeres Leben verschaffet, und
was die Weisheit des Schöpfers bewogen
die vorige Einrichtung desselben zu ändern.
Nun aber gerathe ich in ein anderes Laby-
rinth, worinne mein kurzsichtiger Geist
herumirret und voller Unruhe einen glückli-
chen Ausgang suchet. Jch verlasse mit
meinen Gedanken eine verderbte Welt und
sehe mich in einer andern, worinne ich
wiederum Jrrthum, Laster und Elend finde.

Ja,

Tod noͤthigte zugleich nachdenkende Gemuͤ-
ther deſto eher an die Ewigkeit zu ge-
denken. Der Menſch war indeſſen nun-
mehro einer ſchwerern Arbeit gewachſen.
Er brachte die Erfindungen von mehr,
denn anderthalb tauſend Jahren und einen
Vorrath von noͤthigen Jnſtrumenten und
gezaͤhmte Thiere aus der alten in die neue
veraͤnderte Welt und konnte den Bau der-
ſelben ſo gleich anfangen und mit leichterer
Muͤhe beſtreiten, als dem erſten Men-
ſchen waͤre moͤglich geweſen, wenn er gleich
in eine Welt geſetzet worden, in welcher
man ſich ſo muͤhſam ernaͤhren muͤſſen, wie
bey der jetzigen Geſtalt der Erde.

§. 10.
War um
Gott die
Unwiſſen-
heit und
Abgoͤtterey
zugelaſſen.

Bishieher habe ich geſuchet in etwas be-
greiflich zu machen, warum es noͤthig ge-
weſen, daß bey dem erſten Anfange dieſer
Welt dieſes Wohnhaus der Menſchen ſei-
ne Einwohner leichter ernaͤhret und den-
ſelben ein laͤngeres Leben verſchaffet, und
was die Weisheit des Schoͤpfers bewogen
die vorige Einrichtung deſſelben zu aͤndern.
Nun aber gerathe ich in ein anderes Laby-
rinth, worinne mein kurzſichtiger Geiſt
herumirret und voller Unruhe einen gluͤckli-
chen Ausgang ſuchet. Jch verlaſſe mit
meinen Gedanken eine verderbte Welt und
ſehe mich in einer andern, worinne ich
wiederum Jrrthum, Laſter und Elend finde.

Ja,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="34"/>
Tod no&#x0364;thigte zugleich nachdenkende Gemu&#x0364;-<lb/>
ther de&#x017F;to eher an die Ewigkeit zu ge-<lb/>
denken. Der Men&#x017F;ch war inde&#x017F;&#x017F;en nun-<lb/>
mehro einer &#x017F;chwerern Arbeit gewach&#x017F;en.<lb/>
Er brachte die Erfindungen von mehr,<lb/>
denn anderthalb tau&#x017F;end Jahren und einen<lb/>
Vorrath von no&#x0364;thigen Jn&#x017F;trumenten und<lb/>
geza&#x0364;hmte Thiere aus der alten in die neue<lb/>
vera&#x0364;nderte Welt und konnte den Bau der-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;o gleich anfangen und mit leichterer<lb/>
Mu&#x0364;he be&#x017F;treiten, als dem er&#x017F;ten Men-<lb/>
&#x017F;chen wa&#x0364;re mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, wenn er gleich<lb/>
in eine Welt ge&#x017F;etzet worden, in welcher<lb/>
man &#x017F;ich &#x017F;o mu&#x0364;h&#x017F;am erna&#x0364;hren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
bey der jetzigen Ge&#x017F;talt der Erde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.</head><lb/>
          <note place="left">War um<lb/>
Gott die<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit und<lb/>
Abgo&#x0364;tterey<lb/>
zugela&#x017F;&#x017F;en.</note>
          <p>Bishieher habe ich ge&#x017F;uchet in etwas be-<lb/>
greiflich zu machen, warum es no&#x0364;thig ge-<lb/>
we&#x017F;en, daß bey dem er&#x017F;ten Anfange die&#x017F;er<lb/>
Welt die&#x017F;es Wohnhaus der Men&#x017F;chen &#x017F;ei-<lb/>
ne Einwohner leichter erna&#x0364;hret und den-<lb/>
&#x017F;elben ein la&#x0364;ngeres Leben ver&#x017F;chaffet, und<lb/>
was die Weisheit des Scho&#x0364;pfers bewogen<lb/>
die vorige Einrichtung de&#x017F;&#x017F;elben zu a&#x0364;ndern.<lb/>
Nun aber gerathe ich in ein anderes Laby-<lb/>
rinth, worinne mein kurz&#x017F;ichtiger Gei&#x017F;t<lb/>
herumirret und voller Unruhe einen glu&#x0364;ckli-<lb/>
chen Ausgang &#x017F;uchet. Jch verla&#x017F;&#x017F;e mit<lb/>
meinen Gedanken eine verderbte Welt und<lb/>
&#x017F;ehe mich in einer andern, worinne ich<lb/>
wiederum Jrrthum, La&#x017F;ter und Elend finde.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ja,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0054] Tod noͤthigte zugleich nachdenkende Gemuͤ- ther deſto eher an die Ewigkeit zu ge- denken. Der Menſch war indeſſen nun- mehro einer ſchwerern Arbeit gewachſen. Er brachte die Erfindungen von mehr, denn anderthalb tauſend Jahren und einen Vorrath von noͤthigen Jnſtrumenten und gezaͤhmte Thiere aus der alten in die neue veraͤnderte Welt und konnte den Bau der- ſelben ſo gleich anfangen und mit leichterer Muͤhe beſtreiten, als dem erſten Men- ſchen waͤre moͤglich geweſen, wenn er gleich in eine Welt geſetzet worden, in welcher man ſich ſo muͤhſam ernaͤhren muͤſſen, wie bey der jetzigen Geſtalt der Erde. §. 10. Bishieher habe ich geſuchet in etwas be- greiflich zu machen, warum es noͤthig ge- weſen, daß bey dem erſten Anfange dieſer Welt dieſes Wohnhaus der Menſchen ſei- ne Einwohner leichter ernaͤhret und den- ſelben ein laͤngeres Leben verſchaffet, und was die Weisheit des Schoͤpfers bewogen die vorige Einrichtung deſſelben zu aͤndern. Nun aber gerathe ich in ein anderes Laby- rinth, worinne mein kurzſichtiger Geiſt herumirret und voller Unruhe einen gluͤckli- chen Ausgang ſuchet. Jch verlaſſe mit meinen Gedanken eine verderbte Welt und ſehe mich in einer andern, worinne ich wiederum Jrrthum, Laſter und Elend finde. Ja,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/54
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/54>, abgerufen am 20.11.2024.