jenes Schattenwerk unnöthig, da das Abgebildete selber da war. Es war auch nicht mehr nöthig durch so sehr viel Sinn- liches die Verehrung Gottes zu befördern, als in dem ersten kindischen Alter der Welt geschehen mußte. Er war die Vernunft durch allerhand Mittel und Fügungen Gottes zu einer grössern Erleuchtung ge- langet, und man konnte nunmehr ohne solchen Umschweif mehr auf das Jnnere und Wesentliche des Gottesdienstes drin- gen. Wir begreifen also die wichtigsten Ursachen, warum der weiseste Gott nicht immer einerley Religions-Anstalten auf dem Erdboden gemacht, sondern darinne nach den veränderlichen Umständen der Welt Aenderungen beliebet. Er machte andere Einrichtungen, da der Verstand der Menschen in Absicht auf göttliche Din- ge noch in der Kindheit, und das innere Gefühl noch rauh und ungebauet war, und wiederum andere, da die Vernunft mehrere Kraft bekommen, und das Ge- fühl der Menschen zärtlicher und der Ge- schmack feiner geworden.
§. 38.
Es ist unter den Gelehrten ein Zwie-Warum Christus zu den Zeiten des Augu- stus in die Welt kom- men. spalt, ob Christus aus der Ursache eben zu der Zeit, da er erschienen, die Welt be- treten und zu erleuchten angefangen, weil sie damahls in den äussersten und größten
Verfall
jenes Schattenwerk unnoͤthig, da das Abgebildete ſelber da war. Es war auch nicht mehr noͤthig durch ſo ſehr viel Sinn- liches die Verehrung Gottes zu befoͤrdern, als in dem erſten kindiſchen Alter der Welt geſchehen mußte. Er war die Vernunft durch allerhand Mittel und Fuͤgungen Gottes zu einer groͤſſern Erleuchtung ge- langet, und man konnte nunmehr ohne ſolchen Umſchweif mehr auf das Jnnere und Weſentliche des Gottesdienſtes drin- gen. Wir begreifen alſo die wichtigſten Urſachen, warum der weiſeſte Gott nicht immer einerley Religions-Anſtalten auf dem Erdboden gemacht, ſondern darinne nach den veraͤnderlichen Umſtaͤnden der Welt Aenderungen beliebet. Er machte andere Einrichtungen, da der Verſtand der Menſchen in Abſicht auf goͤttliche Din- ge noch in der Kindheit, und das innere Gefuͤhl noch rauh und ungebauet war, und wiederum andere, da die Vernunft mehrere Kraft bekommen, und das Ge- fuͤhl der Menſchen zaͤrtlicher und der Ge- ſchmack feiner geworden.
§. 38.
Es iſt unter den Gelehrten ein Zwie-Warum Chriſtus zu den Zeiten des Augu- ſtus in die Welt kom- men. ſpalt, ob Chriſtus aus der Urſache eben zu der Zeit, da er erſchienen, die Welt be- treten und zu erleuchten angefangen, weil ſie damahls in den aͤuſſerſten und groͤßten
Verfall
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0113"n="93"/>
jenes Schattenwerk unnoͤthig, da das<lb/>
Abgebildete ſelber da war. Es war auch<lb/>
nicht mehr noͤthig durch ſo ſehr viel Sinn-<lb/>
liches die Verehrung Gottes zu befoͤrdern,<lb/>
als in dem erſten kindiſchen Alter der Welt<lb/>
geſchehen mußte. Er war die Vernunft<lb/>
durch allerhand Mittel und Fuͤgungen<lb/>
Gottes zu einer groͤſſern Erleuchtung ge-<lb/>
langet, und man konnte nunmehr ohne<lb/>ſolchen Umſchweif mehr auf das Jnnere<lb/>
und Weſentliche des Gottesdienſtes drin-<lb/>
gen. Wir begreifen alſo die wichtigſten<lb/>
Urſachen, warum der weiſeſte Gott nicht<lb/>
immer einerley Religions-Anſtalten auf<lb/>
dem Erdboden gemacht, ſondern darinne<lb/>
nach den veraͤnderlichen Umſtaͤnden der<lb/>
Welt Aenderungen beliebet. Er machte<lb/>
andere Einrichtungen, da der Verſtand<lb/>
der Menſchen in Abſicht auf goͤttliche Din-<lb/>
ge noch in der Kindheit, und das innere<lb/>
Gefuͤhl noch rauh und ungebauet war,<lb/>
und wiederum andere, da die Vernunft<lb/>
mehrere Kraft bekommen, und das Ge-<lb/>
fuͤhl der Menſchen zaͤrtlicher und der Ge-<lb/>ſchmack feiner geworden.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 38.</head><lb/><p>Es iſt unter den Gelehrten ein Zwie-<noteplace="right">Warum<lb/>
Chriſtus zu<lb/>
den Zeiten<lb/>
des Augu-<lb/>ſtus in die<lb/>
Welt kom-<lb/>
men.</note><lb/>ſpalt, ob Chriſtus aus der Urſache eben zu<lb/>
der Zeit, da er erſchienen, die Welt be-<lb/>
treten und zu erleuchten angefangen, weil<lb/>ſie damahls in den aͤuſſerſten und groͤßten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Verfall</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0113]
jenes Schattenwerk unnoͤthig, da das
Abgebildete ſelber da war. Es war auch
nicht mehr noͤthig durch ſo ſehr viel Sinn-
liches die Verehrung Gottes zu befoͤrdern,
als in dem erſten kindiſchen Alter der Welt
geſchehen mußte. Er war die Vernunft
durch allerhand Mittel und Fuͤgungen
Gottes zu einer groͤſſern Erleuchtung ge-
langet, und man konnte nunmehr ohne
ſolchen Umſchweif mehr auf das Jnnere
und Weſentliche des Gottesdienſtes drin-
gen. Wir begreifen alſo die wichtigſten
Urſachen, warum der weiſeſte Gott nicht
immer einerley Religions-Anſtalten auf
dem Erdboden gemacht, ſondern darinne
nach den veraͤnderlichen Umſtaͤnden der
Welt Aenderungen beliebet. Er machte
andere Einrichtungen, da der Verſtand
der Menſchen in Abſicht auf goͤttliche Din-
ge noch in der Kindheit, und das innere
Gefuͤhl noch rauh und ungebauet war,
und wiederum andere, da die Vernunft
mehrere Kraft bekommen, und das Ge-
fuͤhl der Menſchen zaͤrtlicher und der Ge-
ſchmack feiner geworden.
§. 38.
Es iſt unter den Gelehrten ein Zwie-
ſpalt, ob Chriſtus aus der Urſache eben zu
der Zeit, da er erſchienen, die Welt be-
treten und zu erleuchten angefangen, weil
ſie damahls in den aͤuſſerſten und groͤßten
Verfall
Warum
Chriſtus zu
den Zeiten
des Augu-
ſtus in die
Welt kom-
men.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/113>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.