Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





geringste Schuldigkeit auf uns bringen
ihm zu leben und zu sterben? Erwegt
Menschenkinder, was für ein Urtheil
ihr über einen Knecht sprechen würdet,
um welchen ihr so viel gethan, und der
sich dennoch dadurch nicht zu der gering-
sten Ehrerbietung bewegen liesse? Gewiß
es würde nach eurem Urtheil dem hals-
starrigen Ungehorsahm und der verhärte-
ten Bosheit eines solchen Knechtes ge-
mäß seyn, daß man ihn so lange aller Gna-
denbezeigungen unwürdig achtete, als
seine verstockte Härte unerweichlich wäre.
Jhr würdet ihn würdig achten, daß er
härtere Strafe empfände, als ein ander
Knecht, der bey geringern Wolthaten
seines Herren einige Untreue bewiesen.
Man begreiffe hieraus, wie groß die Boß-
heit derer, welche sich durch alles, was
GOtt gethan, zu keiner treuen und lieb-
reichen Ehrerbietung gegen denselben be-
wegen lassen. Man begreiffe, daß sie
gedoppelte Streiche verdienen.

§. 5.
Diese
Verbind-
lichkeit
wird mit
mehrerm
beträfti-
get.

Wir wollen eben diese Verbindlichkeit
der Erlöseten, ihrem Herrn treu zu seyn,
aus Gründen des natürlichen Rechtes
herleiten. Wir würden hierbey auf die
ersten Gründe zurück gehen, wenn sich
bey denselben nicht eine gar zu grosse und
hefftige Uneinigkeit der Gelehrten zeigte.

Da





geringſte Schuldigkeit auf uns bringen
ihm zu leben und zu ſterben? Erwegt
Menſchenkinder, was fuͤr ein Urtheil
ihr uͤber einen Knecht ſprechen wuͤrdet,
um welchen ihr ſo viel gethan, und der
ſich dennoch dadurch nicht zu der gering-
ſten Ehrerbietung bewegen lieſſe? Gewiß
es wuͤrde nach eurem Urtheil dem hals-
ſtarrigen Ungehorſahm und der verhaͤrte-
ten Bosheit eines ſolchen Knechtes ge-
maͤß ſeyn, daß man ihn ſo lange aller Gna-
denbezeigungen unwuͤrdig achtete, als
ſeine verſtockte Haͤrte unerweichlich waͤre.
Jhr wuͤrdet ihn wuͤrdig achten, daß er
haͤrtere Strafe empfaͤnde, als ein ander
Knecht, der bey geringern Wolthaten
ſeines Herren einige Untreue bewieſen.
Man begreiffe hieraus, wie groß die Boß-
heit derer, welche ſich durch alles, was
GOtt gethan, zu keiner treuen und lieb-
reichen Ehrerbietung gegen denſelben be-
wegen laſſen. Man begreiffe, daß ſie
gedoppelte Streiche verdienen.

§. 5.
Dieſe
Verbind-
lichkeit
wird mit
mehrerm
betraͤfti-
get.

Wir wollen eben dieſe Verbindlichkeit
der Erloͤſeten, ihrem Herrn treu zu ſeyn,
aus Gruͤnden des natuͤrlichen Rechtes
herleiten. Wir wuͤrden hierbey auf die
erſten Gruͤnde zuruͤck gehen, wenn ſich
bey denſelben nicht eine gar zu groſſe und
hefftige Uneinigkeit der Gelehrten zeigte.

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0472" n="440[436]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gering&#x017F;te Schuldigkeit auf uns bringen<lb/>
ihm zu leben und zu &#x017F;terben? Erwegt<lb/>
Men&#x017F;chenkinder, was fu&#x0364;r ein Urtheil<lb/>
ihr u&#x0364;ber einen Knecht &#x017F;prechen wu&#x0364;rdet,<lb/>
um welchen ihr &#x017F;o viel gethan, und der<lb/>
&#x017F;ich dennoch dadurch nicht zu der gering-<lb/>
&#x017F;ten Ehrerbietung bewegen lie&#x017F;&#x017F;e? Gewiß<lb/>
es wu&#x0364;rde nach eurem Urtheil dem hals-<lb/>
&#x017F;tarrigen Ungehor&#x017F;ahm und der verha&#x0364;rte-<lb/>
ten Bosheit eines &#x017F;olchen Knechtes ge-<lb/>
ma&#x0364;ß &#x017F;eyn, daß man ihn &#x017F;o lange aller Gna-<lb/>
denbezeigungen unwu&#x0364;rdig achtete, als<lb/>
&#x017F;eine ver&#x017F;tockte Ha&#x0364;rte unerweichlich wa&#x0364;re.<lb/>
Jhr wu&#x0364;rdet ihn wu&#x0364;rdig achten, daß er<lb/>
ha&#x0364;rtere Strafe empfa&#x0364;nde, als ein ander<lb/>
Knecht, der bey geringern Wolthaten<lb/>
&#x017F;eines Herren einige Untreue bewie&#x017F;en.<lb/>
Man begreiffe hieraus, wie groß die Boß-<lb/>
heit derer, welche &#x017F;ich durch alles, was<lb/>
GOtt gethan, zu keiner treuen und lieb-<lb/>
reichen Ehrerbietung gegen den&#x017F;elben be-<lb/>
wegen la&#x017F;&#x017F;en. Man begreiffe, daß &#x017F;ie<lb/>
gedoppelte Streiche verdienen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 5.</head><lb/>
            <note place="left">Die&#x017F;e<lb/>
Verbind-<lb/>
lichkeit<lb/>
wird mit<lb/>
mehrerm<lb/>
betra&#x0364;fti-<lb/>
get.</note>
            <p>Wir wollen eben die&#x017F;e Verbindlichkeit<lb/>
der Erlo&#x0364;&#x017F;eten, ihrem Herrn treu zu &#x017F;eyn,<lb/>
aus Gru&#x0364;nden des natu&#x0364;rlichen Rechtes<lb/>
herleiten. Wir wu&#x0364;rden hierbey auf die<lb/>
er&#x017F;ten Gru&#x0364;nde zuru&#x0364;ck gehen, wenn &#x017F;ich<lb/>
bey den&#x017F;elben nicht eine gar zu gro&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
hefftige Uneinigkeit der Gelehrten zeigte.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440[436]/0472] geringſte Schuldigkeit auf uns bringen ihm zu leben und zu ſterben? Erwegt Menſchenkinder, was fuͤr ein Urtheil ihr uͤber einen Knecht ſprechen wuͤrdet, um welchen ihr ſo viel gethan, und der ſich dennoch dadurch nicht zu der gering- ſten Ehrerbietung bewegen lieſſe? Gewiß es wuͤrde nach eurem Urtheil dem hals- ſtarrigen Ungehorſahm und der verhaͤrte- ten Bosheit eines ſolchen Knechtes ge- maͤß ſeyn, daß man ihn ſo lange aller Gna- denbezeigungen unwuͤrdig achtete, als ſeine verſtockte Haͤrte unerweichlich waͤre. Jhr wuͤrdet ihn wuͤrdig achten, daß er haͤrtere Strafe empfaͤnde, als ein ander Knecht, der bey geringern Wolthaten ſeines Herren einige Untreue bewieſen. Man begreiffe hieraus, wie groß die Boß- heit derer, welche ſich durch alles, was GOtt gethan, zu keiner treuen und lieb- reichen Ehrerbietung gegen denſelben be- wegen laſſen. Man begreiffe, daß ſie gedoppelte Streiche verdienen. §. 5. Wir wollen eben dieſe Verbindlichkeit der Erloͤſeten, ihrem Herrn treu zu ſeyn, aus Gruͤnden des natuͤrlichen Rechtes herleiten. Wir wuͤrden hierbey auf die erſten Gruͤnde zuruͤck gehen, wenn ſich bey denſelben nicht eine gar zu groſſe und hefftige Uneinigkeit der Gelehrten zeigte. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/472
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 440[436]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/472>, abgerufen am 20.11.2024.