Nachdem wir also unserer MeinungErste würckli- che Ab- sicht Got- tes bey der Gnug- thuung JEsu aus der Offen- bahrung bewiesen. nach gnugsam dargethan, daß die Ver- nunft nicht im Stande ist von einem so grossen und weitläuftigen Wercke, als eine Genugthuung für aller Welt Sün- de nothwendig seyn muß, zu urtheilen und einzusehen, ob selbige den Vollkom- menheiten GOttes gemäß sey oder nicht, wir auch einige mögliche Absichten ange- geben, die einem unendlichen Wesen anstän-
dig
die keiner Erhaltung und Regierung GOttes bedürffe. Es ist nicht genug, daß man spricht: Wenn GOTT eine Welt gemacht, die ohne sein Erhalten und Regieren nicht bestehen könte, so würde er nicht anders als ein Uhrma- cher anzusehen seyn, der eine Uhr verfer- tigte, die man beständig in der Hand halten und ihre Räder umdrehen müste, wenn sie die Zeit zeigen solte. Man muß, wenn dieses Gleichniß soll statt finden, vorher beweisen, erstlich, daß überhaupt eine Welt, die ohne Erhaltung und Re- gierung des Schöpfers bestehet, mög- lich: Zweytens, daß die beste Welt oh- ne diese Würckungen GOttes fortdau- ren könne. Gesetzt, es ist dieses an und vor sich unmöglich, solte es alsdenn auch wol mit den Vollkommenheiten GOttes streiten, eine Welt zu machen, die seine
Hand
B b 4
§. 37.
Nachdem wir alſo unſerer MeinungErſte wuͤrckli- che Ab- ſicht Got- tes bey der Gnug- thuung JEſu aus der Offen- bahrung bewieſen. nach gnugſam dargethan, daß die Ver- nunft nicht im Stande iſt von einem ſo groſſen und weitlaͤuftigen Wercke, als eine Genugthuung fuͤr aller Welt Suͤn- de nothwendig ſeyn muß, zu urtheilen und einzuſehen, ob ſelbige den Vollkom- menheiten GOttes gemaͤß ſey oder nicht, wir auch einige moͤgliche Abſichten ange- geben, die einem unendlichẽ Weſen anſtaͤn-
dig
die keiner Erhaltung und Regierung GOttes beduͤrffe. Es iſt nicht genug, daß man ſpricht: Wenn GOTT eine Welt gemacht, die ohne ſein Erhalten und Regieren nicht beſtehen koͤnte, ſo wuͤrde er nicht anders als ein Uhrma- cher anzuſehen ſeyn, der eine Uhr verfer- tigte, die man beſtaͤndig in der Hand halten und ihre Raͤder umdrehen muͤſte, wenn ſie die Zeit zeigen ſolte. Man muß, wenn dieſes Gleichniß ſoll ſtatt finden, vorher beweiſen, erſtlich, daß uͤberhaupt eine Welt, die ohne Erhaltung und Re- gierung des Schoͤpfers beſtehet, moͤg- lich: Zweytens, daß die beſte Welt oh- ne dieſe Wuͤrckungen GOttes fortdau- ren koͤnne. Geſetzt, es iſt dieſes an und vor ſich unmoͤglich, ſolte es alsdenn auch wol mit den Vollkommenheiten GOttes ſtreiten, eine Welt zu machen, die ſeine
Hand
B b 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0423"n="391[387]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head>§. 37.</head><lb/><p>Nachdem wir alſo unſerer Meinung<noteplace="right">Erſte<lb/>
wuͤrckli-<lb/>
che Ab-<lb/>ſicht Got-<lb/>
tes bey<lb/>
der<lb/>
Gnug-<lb/>
thuung<lb/>
JEſu<lb/>
aus der<lb/>
Offen-<lb/>
bahrung<lb/>
bewieſen.</note><lb/>
nach gnugſam dargethan, daß die Ver-<lb/>
nunft nicht im Stande iſt von einem ſo<lb/>
groſſen und weitlaͤuftigen Wercke, als<lb/>
eine Genugthuung fuͤr aller Welt Suͤn-<lb/>
de nothwendig ſeyn muß, zu urtheilen<lb/>
und einzuſehen, ob ſelbige den Vollkom-<lb/>
menheiten GOttes gemaͤß ſey oder nicht,<lb/>
wir auch einige moͤgliche Abſichten ange-<lb/>
geben, die einem unendlichẽ Weſen anſtaͤn-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">dig</fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><notenext="#a48"xml:id="a47"prev="#a46"place="foot"n="(*)">die keiner Erhaltung und Regierung<lb/>
GOttes beduͤrffe. Es iſt nicht genug,<lb/>
daß man ſpricht: Wenn GOTT eine<lb/>
Welt gemacht, die ohne ſein Erhalten<lb/>
und Regieren nicht beſtehen koͤnte, ſo<lb/>
wuͤrde er nicht anders als ein Uhrma-<lb/>
cher anzuſehen ſeyn, der eine Uhr verfer-<lb/>
tigte, die man beſtaͤndig in der Hand<lb/>
halten und ihre Raͤder umdrehen muͤſte,<lb/>
wenn ſie die Zeit zeigen ſolte. Man muß,<lb/>
wenn dieſes Gleichniß ſoll ſtatt finden,<lb/>
vorher beweiſen, erſtlich, daß uͤberhaupt<lb/>
eine Welt, die ohne Erhaltung und Re-<lb/>
gierung des Schoͤpfers beſtehet, moͤg-<lb/>
lich: Zweytens, daß die beſte Welt oh-<lb/>
ne dieſe Wuͤrckungen GOttes fortdau-<lb/>
ren koͤnne. Geſetzt, es iſt dieſes an und<lb/>
vor ſich unmoͤglich, ſolte es alsdenn auch<lb/>
wol mit den Vollkommenheiten GOttes<lb/>ſtreiten, eine Welt zu machen, die ſeine<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Hand</fw></note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[391[387]/0423]
§. 37.
Nachdem wir alſo unſerer Meinung
nach gnugſam dargethan, daß die Ver-
nunft nicht im Stande iſt von einem ſo
groſſen und weitlaͤuftigen Wercke, als
eine Genugthuung fuͤr aller Welt Suͤn-
de nothwendig ſeyn muß, zu urtheilen
und einzuſehen, ob ſelbige den Vollkom-
menheiten GOttes gemaͤß ſey oder nicht,
wir auch einige moͤgliche Abſichten ange-
geben, die einem unendlichẽ Weſen anſtaͤn-
dig
(*)
Erſte
wuͤrckli-
che Ab-
ſicht Got-
tes bey
der
Gnug-
thuung
JEſu
aus der
Offen-
bahrung
bewieſen.
(*) die keiner Erhaltung und Regierung
GOttes beduͤrffe. Es iſt nicht genug,
daß man ſpricht: Wenn GOTT eine
Welt gemacht, die ohne ſein Erhalten
und Regieren nicht beſtehen koͤnte, ſo
wuͤrde er nicht anders als ein Uhrma-
cher anzuſehen ſeyn, der eine Uhr verfer-
tigte, die man beſtaͤndig in der Hand
halten und ihre Raͤder umdrehen muͤſte,
wenn ſie die Zeit zeigen ſolte. Man muß,
wenn dieſes Gleichniß ſoll ſtatt finden,
vorher beweiſen, erſtlich, daß uͤberhaupt
eine Welt, die ohne Erhaltung und Re-
gierung des Schoͤpfers beſtehet, moͤg-
lich: Zweytens, daß die beſte Welt oh-
ne dieſe Wuͤrckungen GOttes fortdau-
ren koͤnne. Geſetzt, es iſt dieſes an und
vor ſich unmoͤglich, ſolte es alsdenn auch
wol mit den Vollkommenheiten GOttes
ſtreiten, eine Welt zu machen, die ſeine
Hand
B b 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 391[387]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/423>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.