Man meynet zwar, es müste nothwen-Auflö- sung ei- nes Zwei- fels. wendig um die freyen Geschöpfe besser ste- hen, wenn sie GOtt durch Zwangmittel seiner Allmacht vom Bösen abhielte, in- dem alsdenn niemand die erschröckliche Höllenpein empfinden, und in derselben seine böse Thaten beweinen würde. Al- lein man bedenckt nicht, daß bey einem solchen Gebrauch der Allmacht noch ein grösserer Schmertz die Gemüther der Menschen und unseeligen Engel beunruhi- gen würde. Denn in der Hölle haben sie noch das Vergnügen, welches böse Be- gierden einem Geiste geben, und wird das- selbe nur durch Strafen so eingeschränckt, daß selbiges nicht mit dem allergrösten Mißvergnügen, so nur möglich ist, ab- wechsele. (siehe unsere fünfte Betrachtung §. 38. 39. 40.) Würde aber GOtt sie bey ihren unrichtigen Urtheilen und bösen Begierden niemals und auf keine Weise ihren Zweck erreichen lassen, so würde ihr Gemüth fast ohne Abwechselung höchst- mißvergnügt seyn. Denn den Zwang zum Guten sähen sie als etwas hartes und unbarmhertziges, die Beraubung aber dessen, so sie lieben, als das gröste Un- glück an. Man kan dieses in etwas bey folgendem Exempel abnehmen.
Man
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§. 10.
Man meynet zwar, es muͤſte nothwen-Aufloͤ- ſung ei- nes Zwei- fels. wendig um die freyen Geſchoͤpfe beſſer ſte- hen, wenn ſie GOtt durch Zwangmittel ſeiner Allmacht vom Boͤſen abhielte, in- dem alsdenn niemand die erſchroͤckliche Hoͤllenpein empfinden, und in derſelben ſeine boͤſe Thaten beweinen wuͤrde. Al- lein man bedenckt nicht, daß bey einem ſolchen Gebrauch der Allmacht noch ein groͤſſerer Schmertz die Gemuͤther der Menſchen und unſeeligen Engel beunruhi- gen wuͤrde. Denn in der Hoͤlle haben ſie noch das Vergnuͤgen, welches boͤſe Be- gierden einem Geiſte geben, und wird daſ- ſelbe nur durch Strafen ſo eingeſchraͤnckt, daß ſelbiges nicht mit dem allergroͤſten Mißvergnuͤgen, ſo nur moͤglich iſt, ab- wechſele. (ſiehe unſere fuͤnfte Betrachtung §. 38. 39. 40.) Wuͤrde aber GOtt ſie bey ihren unrichtigen Urtheilen und boͤſen Begierden niemals und auf keine Weiſe ihren Zweck erreichen laſſen, ſo wuͤrde ihr Gemuͤth faſt ohne Abwechſelung hoͤchſt- mißvergnuͤgt ſeyn. Denn den Zwang zum Guten ſaͤhen ſie als etwas hartes und unbarmhertziges, die Beraubung aber deſſen, ſo ſie lieben, als das groͤſte Un- gluͤck an. Man kan dieſes in etwas bey folgendem Exempel abnehmen.
Man
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[297[293]/0329]
§. 10.
Man meynet zwar, es muͤſte nothwen-
wendig um die freyen Geſchoͤpfe beſſer ſte-
hen, wenn ſie GOtt durch Zwangmittel
ſeiner Allmacht vom Boͤſen abhielte, in-
dem alsdenn niemand die erſchroͤckliche
Hoͤllenpein empfinden, und in derſelben
ſeine boͤſe Thaten beweinen wuͤrde. Al-
lein man bedenckt nicht, daß bey einem
ſolchen Gebrauch der Allmacht noch ein
groͤſſerer Schmertz die Gemuͤther der
Menſchen und unſeeligen Engel beunruhi-
gen wuͤrde. Denn in der Hoͤlle haben ſie
noch das Vergnuͤgen, welches boͤſe Be-
gierden einem Geiſte geben, und wird daſ-
ſelbe nur durch Strafen ſo eingeſchraͤnckt,
daß ſelbiges nicht mit dem allergroͤſten
Mißvergnuͤgen, ſo nur moͤglich iſt, ab-
wechſele. (ſiehe unſere fuͤnfte Betrachtung
§. 38. 39. 40.) Wuͤrde aber GOtt ſie
bey ihren unrichtigen Urtheilen und boͤſen
Begierden niemals und auf keine Weiſe
ihren Zweck erreichen laſſen, ſo wuͤrde ihr
Gemuͤth faſt ohne Abwechſelung hoͤchſt-
mißvergnuͤgt ſeyn. Denn den Zwang
zum Guten ſaͤhen ſie als etwas hartes und
unbarmhertziges, die Beraubung aber
deſſen, ſo ſie lieben, als das groͤſte Un-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 297[293]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/329>, abgerufen am 20.11.2024.
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