seyn, wenn nicht eine recht gute Erzie- hung diesen angebohrnen Fehler einiger- massen verbessert. Es wird schwerer seyn einer solchen angeerbten Leiden- schaft ihre Kraft zu nehmen, wenn die Mutter in ihrer Schwangerschaft der- selben oft nachgegeben. Denn da eben diese Leidenschaft hierdurch auch öfters in der Frucht ihres Leibes erreget wor- den, so hat die Seele des Kindes immer eine grössere Geneigtheit darzu bekom- men, und ist eine solche Gemüthsbewe- gung dem Kinde zur Gewohnheit wor- den, ehe es noch das Licht dieser Welt erblicket.
§. 21.
Fortse- tzung des vorigen.
Und so hätte ich denn einigermassen er- kläret, wie es möglich ist, daß die See- len der Kinder, ob sie gleich ihren Ur- sprung nicht aus den Seelen der Eltern haben, dennoch deren Neigungen erben können, und wie also die bösen Begier- den von dem einen auf den andern kön- nen fortgepflantzet werden. Es ist aus dem, was ich zeithero angeführet habe, sehr begreiflich, wie durch unsere Ge- buhrt von unsern Eltern Verstand, Wille und auch die Wohnung der Seele, nemlich der Leib, verderbet wer- de. Die Einbildungskraft bringet im-
mer
ſeyn, wenn nicht eine recht gute Erzie- hung dieſen angebohrnen Fehler einiger- maſſen verbeſſert. Es wird ſchwerer ſeyn einer ſolchen angeerbten Leiden- ſchaft ihre Kraft zu nehmen, wenn die Mutter in ihrer Schwangerſchaft der- ſelben oft nachgegeben. Denn da eben dieſe Leidenſchaft hierdurch auch oͤfters in der Frucht ihres Leibes erreget wor- den, ſo hat die Seele des Kindes immer eine groͤſſere Geneigtheit darzu bekom- men, und iſt eine ſolche Gemuͤthsbewe- gung dem Kinde zur Gewohnheit wor- den, ehe es noch das Licht dieſer Welt erblicket.
§. 21.
Fortſe- tzung des vorigen.
Und ſo haͤtte ich denn einigermaſſen er- klaͤret, wie es moͤglich iſt, daß die See- len der Kinder, ob ſie gleich ihren Ur- ſprung nicht aus den Seelen der Eltern haben, dennoch deren Neigungen erben koͤnnen, und wie alſo die boͤſen Begier- den von dem einen auf den andern koͤn- nen fortgepflantzet werden. Es iſt aus dem, was ich zeithero angefuͤhret habe, ſehr begreiflich, wie durch unſere Ge- buhrt von unſern Eltern Verſtand, Wille und auch die Wohnung der Seele, nemlich der Leib, verderbet wer- de. Die Einbildungskraft bringet im-
mer
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[274[270]/0306]
ſeyn, wenn nicht eine recht gute Erzie-
hung dieſen angebohrnen Fehler einiger-
maſſen verbeſſert. Es wird ſchwerer
ſeyn einer ſolchen angeerbten Leiden-
ſchaft ihre Kraft zu nehmen, wenn die
Mutter in ihrer Schwangerſchaft der-
ſelben oft nachgegeben. Denn da eben
dieſe Leidenſchaft hierdurch auch oͤfters
in der Frucht ihres Leibes erreget wor-
den, ſo hat die Seele des Kindes immer
eine groͤſſere Geneigtheit darzu bekom-
men, und iſt eine ſolche Gemuͤthsbewe-
gung dem Kinde zur Gewohnheit wor-
den, ehe es noch das Licht dieſer Welt
erblicket.
§. 21.
Und ſo haͤtte ich denn einigermaſſen er-
klaͤret, wie es moͤglich iſt, daß die See-
len der Kinder, ob ſie gleich ihren Ur-
ſprung nicht aus den Seelen der Eltern
haben, dennoch deren Neigungen erben
koͤnnen, und wie alſo die boͤſen Begier-
den von dem einen auf den andern koͤn-
nen fortgepflantzet werden. Es iſt aus
dem, was ich zeithero angefuͤhret habe,
ſehr begreiflich, wie durch unſere Ge-
buhrt von unſern Eltern Verſtand,
Wille und auch die Wohnung der
Seele, nemlich der Leib, verderbet wer-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 274[270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/306>, abgerufen am 21.12.2024.
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