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Humboldt, Alexander von: Briefe aus Paraguay. In: Hertha, Bd. 2 (1825), S. 696-707.

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Briefe über Paraguay
Orinoko. Die Bücher, welche ich in Jhrem Namen dem
Doktor Francia schenken sollte, habe ich in San Borja dem
Gouverneur der Provincia de las Missiones verehrt, einem
Manne, der sich beeifert, jedem wissenschaftlichen Reisenden
angenehm zu sein. Hätte ich diese Bücher länger behalten,
so würden sie bei der Nässe, der ich täglich ausgesetzt bin,
unfehlbar verrotten. Jn den hiesigen Wäldern von Curitiba
spricht man überall von der weißen China-Rinde, Quin-
quina blanca
*). --



Jch füge diesen Briefen aus Paraguay einen Auszug
aus dem Argus bei, einem politischen Journale, welches
in Buenos-Ayres gedruckt wird. Corrientes d. 9. Febr. 1822.
Jm November v. J. haben wir bereits unsere Zweifel ge-
äußert über die Frage: ob Herr Bonpland statt gegen Nor-
den nach Corrientes zu gehen, nicht nützlichere Untersuchungen
für die Naturkunde machen würde, wenn er die bisher so unbe-
kannten patagonischen Länder im Süden, jenseits des Rio Sa-
lado gegen Rio Colrado et Rio Negro hin, zwischen dem 36 und
40° südl. Breite durchreiste. Dort hätte er Sicherheit und
Ruhe gefunden, statt des blutigen Zwistes, des Mißtrauens
und des menschlichen Elendes, von dem jetzt noch die Lan-
desstrecke zwischen dem Uruguay und Parana bedrängt ist.
Unsere Besorgnisse sind, wie die Erfahrung gelehrt, leider
nur zu rechtmäßig gewesen. Am 8. Dezember ist auf Be-
fehl des Doktors Francia, des mächtigen Herrn (Gran Se-
nnor
) von Paraguay, ein Haufen Paraguayos (Einwohner
der ehemaligen Jesuitermissionen) in das indische Dorf Santa
Anna eingefallen, um Herrn Bonpland gefangen zu neh-
men, seine Pflanzungen von Mate (Yerba del Paraguay)
zu zerstören und das Vieh nebst den Menschen über den
Parana hinüber zu setzen. Man kann keine andere Ursache
dieses schrecklichen Vorfalls errathen, als daß der Gran Se-
nnor de Paraguay gefürchtet hat, die Stadt Corrientes (die

*) Nach Herrn Auguste de Saint Hilaire ein Solanum.

Briefe über Paraguay
Orinoko. Die Bücher, welche ich in Jhrem Namen dem
Doktor Francia ſchenken ſollte, habe ich in San Borja dem
Gouverneur der Provincia de las Miſſiones verehrt, einem
Manne, der ſich beeifert, jedem wiſſenſchaftlichen Reiſenden
angenehm zu ſein. Hätte ich dieſe Bücher länger behalten,
ſo würden ſie bei der Näſſe, der ich täglich ausgeſetzt bin,
unfehlbar verrotten. Jn den hieſigen Wäldern von Curitiba
ſpricht man überall von der weißen China-Rinde, Quin-
quina blanca
*). —



Jch füge dieſen Briefen aus Paraguay einen Auszug
aus dem Argus bei, einem politiſchen Journale, welches
in Buenos-Ayres gedruckt wird. Corrientes d. 9. Febr. 1822.
Jm November v. J. haben wir bereits unſere Zweifel ge-
äußert über die Frage: ob Herr Bonpland ſtatt gegen Nor-
den nach Corrientes zu gehen, nicht nützlichere Unterſuchungen
für die Naturkunde machen würde, wenn er die bisher ſo unbe-
kannten patagoniſchen Länder im Süden, jenſeits des Rio Sa-
lado gegen Rio Colrado et Rio Negro hin, zwiſchen dem 36 und
40° ſüdl. Breite durchreiſte. Dort hätte er Sicherheit und
Ruhe gefunden, ſtatt des blutigen Zwiſtes, des Mißtrauens
und des menſchlichen Elendes, von dem jetzt noch die Lan-
desſtrecke zwiſchen dem Uruguay und Parana bedrängt iſt.
Unſere Beſorgniſſe ſind, wie die Erfahrung gelehrt, leider
nur zu rechtmäßig geweſen. Am 8. Dezember iſt auf Be-
fehl des Doktors Francia, des mächtigen Herrn (Gran Se-
ñor
) von Paraguay, ein Haufen Paraguayos (Einwohner
der ehemaligen Jeſuitermiſſionen) in das indiſche Dorf Santa
Anna eingefallen, um Herrn Bonpland gefangen zu neh-
men, ſeine Pflanzungen von Mate (Yerba del Paraguay)
zu zerſtören und das Vieh nebſt den Menſchen über den
Parana hinüber zu ſetzen. Man kann keine andere Urſache
dieſes ſchrecklichen Vorfalls errathen, als daß der Gran Se-
ñor de Paraguay gefürchtet hat, die Stadt Corrientes (die

*) Nach Herrn Auguſte de Saint Hilaire ein Solanum.
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[706/0012] Briefe über Paraguay Orinoko. Die Bücher, welche ich in Jhrem Namen dem Doktor Francia ſchenken ſollte, habe ich in San Borja dem Gouverneur der Provincia de las Miſſiones verehrt, einem Manne, der ſich beeifert, jedem wiſſenſchaftlichen Reiſenden angenehm zu ſein. Hätte ich dieſe Bücher länger behalten, ſo würden ſie bei der Näſſe, der ich täglich ausgeſetzt bin, unfehlbar verrotten. Jn den hieſigen Wäldern von Curitiba ſpricht man überall von der weißen China-Rinde, Quin- quina blanca *). — Jch füge dieſen Briefen aus Paraguay einen Auszug aus dem Argus bei, einem politiſchen Journale, welches in Buenos-Ayres gedruckt wird. Corrientes d. 9. Febr. 1822. Jm November v. J. haben wir bereits unſere Zweifel ge- äußert über die Frage: ob Herr Bonpland ſtatt gegen Nor- den nach Corrientes zu gehen, nicht nützlichere Unterſuchungen für die Naturkunde machen würde, wenn er die bisher ſo unbe- kannten patagoniſchen Länder im Süden, jenſeits des Rio Sa- lado gegen Rio Colrado et Rio Negro hin, zwiſchen dem 36 und 40° ſüdl. Breite durchreiſte. Dort hätte er Sicherheit und Ruhe gefunden, ſtatt des blutigen Zwiſtes, des Mißtrauens und des menſchlichen Elendes, von dem jetzt noch die Lan- desſtrecke zwiſchen dem Uruguay und Parana bedrängt iſt. Unſere Beſorgniſſe ſind, wie die Erfahrung gelehrt, leider nur zu rechtmäßig geweſen. Am 8. Dezember iſt auf Be- fehl des Doktors Francia, des mächtigen Herrn (Gran Se- ñor) von Paraguay, ein Haufen Paraguayos (Einwohner der ehemaligen Jeſuitermiſſionen) in das indiſche Dorf Santa Anna eingefallen, um Herrn Bonpland gefangen zu neh- men, ſeine Pflanzungen von Mate (Yerba del Paraguay) zu zerſtören und das Vieh nebſt den Menſchen über den Parana hinüber zu ſetzen. Man kann keine andere Urſache dieſes ſchrecklichen Vorfalls errathen, als daß der Gran Se- ñor de Paraguay gefürchtet hat, die Stadt Corrientes (die *) Nach Herrn Auguſte de Saint Hilaire ein Solanum.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Briefe aus Paraguay. In: Hertha, Bd. 2 (1825), S. 696-707, hier S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_paraguay_1825/12>, abgerufen am 26.04.2024.