Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.1. Ihr Dach stieß fast bis an die Sterne, Vom Hof her stampfte die Fabrik, Es war die richtge Miethskaserne Mit Flur- und Leiermannsmusik! Im Keller nistete die Ratte, Parterre gab's Branntwein, Grogk und Bier, Und bis ins fünfte Stockwerk hatte Das Vorstadtelend sein Quartier. Dort saß er nachts vor seinem Lichte
-- Duck nieder, nieder, wilder Hohn! -- Und fieberte und schrieb Gedichte, Ein Träumer, ein verlorner Sohn! Sein Stübchen konnte grade fassen Ein Tischchen und ein schmales Bett; Er war so arm und so verlassen, Wie jener Gott aus Nazareth! 1. Ihr Dach ſtieß faſt bis an die Sterne, Vom Hof her ſtampfte die Fabrik, Es war die richtge Miethskaſerne Mit Flur- und Leiermannsmuſik! Im Keller niſtete die Ratte, Parterre gab's Branntwein, Grogk und Bier, Und bis ins fünfte Stockwerk hatte Das Vorſtadtelend ſein Quartier. Dort ſaß er nachts vor ſeinem Lichte
— Duck nieder, nieder, wilder Hohn! — Und fieberte und ſchrieb Gedichte, Ein Träumer, ein verlorner Sohn! Sein Stübchen konnte grade faſſen Ein Tiſchchen und ein ſchmales Bett; Er war ſo arm und ſo verlaſſen, Wie jener Gott aus Nazareth! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="394" facs="#f0416"/> </div> <div n="2"> <head>1.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>hr Dach ſtieß faſt bis an die Sterne,</l><lb/> <l>Vom Hof her ſtampfte die Fabrik,</l><lb/> <l>Es war die richtge Miethskaſerne</l><lb/> <l>Mit Flur- und Leiermannsmuſik!</l><lb/> <l>Im Keller niſtete die Ratte,</l><lb/> <l>Parterre gab's Branntwein, Grogk und Bier,</l><lb/> <l>Und bis ins fünfte Stockwerk hatte</l><lb/> <l>Das Vorſtadtelend ſein Quartier.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Dort ſaß er nachts vor ſeinem Lichte</l><lb/> <l>— Duck nieder, nieder, wilder Hohn! —</l><lb/> <l>Und fieberte und ſchrieb Gedichte,</l><lb/> <l>Ein Träumer, ein verlorner Sohn!</l><lb/> <l>Sein Stübchen konnte grade faſſen</l><lb/> <l>Ein Tiſchchen und ein ſchmales Bett;</l><lb/> <l>Er war ſo arm und ſo verlaſſen,</l><lb/> <l>Wie jener Gott aus Nazareth!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [394/0416]
1.
Ihr Dach ſtieß faſt bis an die Sterne,
Vom Hof her ſtampfte die Fabrik,
Es war die richtge Miethskaſerne
Mit Flur- und Leiermannsmuſik!
Im Keller niſtete die Ratte,
Parterre gab's Branntwein, Grogk und Bier,
Und bis ins fünfte Stockwerk hatte
Das Vorſtadtelend ſein Quartier.
Dort ſaß er nachts vor ſeinem Lichte
— Duck nieder, nieder, wilder Hohn! —
Und fieberte und ſchrieb Gedichte,
Ein Träumer, ein verlorner Sohn!
Sein Stübchen konnte grade faſſen
Ein Tiſchchen und ein ſchmales Bett;
Er war ſo arm und ſo verlaſſen,
Wie jener Gott aus Nazareth!
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Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/416>, abgerufen am 03.03.2025. |