Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.Begräbniß-Gedichte. Den streit des todes mit der schön- heit auf das betrübte absterben Jgf. Reginä Käsin. F. C. R. WJe gehts doch immer zu/ daß/ was man schöne nennet/ Mit der vergänglichkeit den ersten streit bekömmt? Nicht anders/ als weil ihm der neid den ruhm nicht gönnet/ Und seine zierlichkeit/ so viel nur möglich/ hemmt! Am meisten muß man diß an denen menschen sehen/ So GOtt und die natur vor andern schön gemacht: Den morgen findt man offt/ daß es um sie geschehen/ Obgleich des abends noch die anmuth sie bewacht. Diß thut der tod/ ein feind von allen lieblichkeiten/ Den uns die phantasie des künstlers also zeigt: Wie nichts als ein geripp an ihn auff allen seiten/ Und er nach lebenden auff dürren knochen steigt; Der in der lincken hand den leeren seiger führet/ Und an der rechten sich mit einer fense trägt/ Bey dessen umkreiß man verwelckte blumen spüret/ Die seine grimmigkeit auff sarg und grab hinlegt. Was mag nun also dem wohl mehr zuwider fallen/ Als so ein bild/ das auch ein pinsel nicht erreicht? Auff dessen wangen man nur milch und blut sieht wallen/ Dem weder schwanen-art noch purpur-farbe gleicht: Aus dessen augen-paar zwey kleine sonnen strahlen/ An dem die lippen gleich als zucker-rosen blühn/ Und dessen weissen hals die lilien bemahlen/ Kurtz/ alle glieder nichts denn lieben nach sich ziehn? Die sucht des todes haß so gräßlich zu masqviren/ Daß in sein ebenbild der gantze mensch verfällt. Allein diß läßt sich nun nicht ohne kampf vollführen/ Da denn itzt hier/ itzt dar sich der triumph einstellt. Bald muß der schlaue gast die larve wieder nehmen/ Wenn der zu muntre leib erneute kräffte kriegt; Bald
Begraͤbniß-Gedichte. Den ſtreit des todes mit der ſchoͤn- heit auf das betruͤbte abſterben Jgf. Reginaͤ Kaͤſin. F. C. R. WJe gehts doch immer zu/ daß/ was man ſchoͤne nennet/ Mit der vergaͤnglichkeit den erſten ſtreit bekoͤmmt? Nicht anders/ als weil ihm der neid den ruhm nicht goͤnnet/ Und ſeine zierlichkeit/ ſo viel nur moͤglich/ hemmt! Am meiſten muß man diß an denen menſchen ſehen/ So GOtt und die natur vor andern ſchoͤn gemacht: Den morgen findt man offt/ daß es um ſie geſchehen/ Obgleich des abends noch die anmuth ſie bewacht. Diß thut der tod/ ein feind von allen lieblichkeiten/ Den uns die phantaſie des kuͤnſtlers alſo zeigt: Wie nichts als ein geripp an ihn auff allen ſeiten/ Und er nach lebenden auff duͤrren knochen ſteigt; Der in der lincken hand den leeren ſeiger fuͤhret/ Und an der rechten ſich mit einer fenſe traͤgt/ Bey deſſen umkreiß man verwelckte blumen ſpuͤret/ Die ſeine grimmigkeit auff ſarg und grab hinlegt. Was mag nun alſo dem wohl mehr zuwider fallen/ Als ſo ein bild/ das auch ein pinſel nicht erreicht? Auff deſſen wangen man nur milch und blut ſieht wallen/ Dem weder ſchwanen-art noch purpur-farbe gleicht: Aus deſſen augen-paar zwey kleine ſonnen ſtrahlen/ An dem die lippen gleich als zucker-roſen bluͤhn/ Und deſſen weiſſen hals die lilien bemahlen/ Kurtz/ alle glieder nichts denn lieben nach ſich ziehn? Die ſucht des todes haß ſo graͤßlich zu maſqviren/ Daß in ſein ebenbild der gantze menſch verfaͤllt. Allein diß laͤßt ſich nun nicht ohne kampf vollfuͤhren/ Da denn itzt hier/ itzt dar ſich der triumph einſtellt. Bald muß der ſchlaue gaſt die larve wieder nehmen/ Wenn der zu muntre leib erneute kraͤffte kriegt; Bald
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Begraͤbniß-Gedichte.
Den ſtreit des todes mit der ſchoͤn-
heit auf das betruͤbte abſterben Jgf.
Reginaͤ Kaͤſin.
F. C. R.
WJe gehts doch immer zu/ daß/ was man ſchoͤne nennet/
Mit der vergaͤnglichkeit den erſten ſtreit bekoͤmmt?
Nicht anders/ als weil ihm der neid den ruhm nicht goͤnnet/
Und ſeine zierlichkeit/ ſo viel nur moͤglich/ hemmt!
Am meiſten muß man diß an denen menſchen ſehen/
So GOtt und die natur vor andern ſchoͤn gemacht:
Den morgen findt man offt/ daß es um ſie geſchehen/
Obgleich des abends noch die anmuth ſie bewacht.
Diß thut der tod/ ein feind von allen lieblichkeiten/
Den uns die phantaſie des kuͤnſtlers alſo zeigt:
Wie nichts als ein geripp an ihn auff allen ſeiten/
Und er nach lebenden auff duͤrren knochen ſteigt;
Der in der lincken hand den leeren ſeiger fuͤhret/
Und an der rechten ſich mit einer fenſe traͤgt/
Bey deſſen umkreiß man verwelckte blumen ſpuͤret/
Die ſeine grimmigkeit auff ſarg und grab hinlegt.
Was mag nun alſo dem wohl mehr zuwider fallen/
Als ſo ein bild/ das auch ein pinſel nicht erreicht?
Auff deſſen wangen man nur milch und blut ſieht wallen/
Dem weder ſchwanen-art noch purpur-farbe gleicht:
Aus deſſen augen-paar zwey kleine ſonnen ſtrahlen/
An dem die lippen gleich als zucker-roſen bluͤhn/
Und deſſen weiſſen hals die lilien bemahlen/
Kurtz/ alle glieder nichts denn lieben nach ſich ziehn?
Die ſucht des todes haß ſo graͤßlich zu maſqviren/
Daß in ſein ebenbild der gantze menſch verfaͤllt.
Allein diß laͤßt ſich nun nicht ohne kampf vollfuͤhren/
Da denn itzt hier/ itzt dar ſich der triumph einſtellt.
Bald muß der ſchlaue gaſt die larve wieder nehmen/
Wenn der zu muntre leib erneute kraͤffte kriegt;
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