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Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Himmel, Fräulein, immer redet Ihr von Euern hohen Jahren, was haben wir, ich und Ihr, mit den Jahren zu schaffen und ihrer Last! Und thut Ihr denn nicht eben wie ein junges verschämtes Ding, das gern zulangen möchte nach der dargebotenen süßen Frucht, könnte das nur geschehen ohne Hand und ohne Finger! Schlagt dem wackern Meister Rene nicht ab, das freiwillig als Geschenk zu empfangen, was tausend Andere nicht erhalten können, alles Goldes, alles Bittens und Flehens unerachtet.

Die Maintenon hatte der Scudery das Kästchen während dessen aufgedrungen, und nun stürzte Cardillac nieder auf die Kniee -- küßte der Scudery den Rock -- die Hände -- stöhnte -- seufzte -- weinte -- schluchzte -- sprang auf -- rannte wie unsinnig, Sessel, Tische umstürzend, daß Porzellain, Gläser zusammenklirrten, in toller Hast von dannen. --

Ganz erschrocken rief die Scudery: Um aller Heiligen willen, was widerfährt dem Menschen! Doch die Marquise, in besonderer heiterer Laune bis zu sonst ihr ganz fremdem Muthwillen, schlug eine helle Lache auf und sprach: Da haben wir's, Fräulein, Meister Rene ist in Euch sterblich verliebt und beginnt nach richtigem Brauch und bewährter Sitte ächter Galanterie Euer Herz zu bestürmen mit reichen Geschenken. -- Die Maintenon führte diesen Scherz weiter aus, indem sie die Scudery ermahnte, nicht zu grausam zu sein gegen den verzweifelten Liebhaber, und diese wurde, Raum gebend

Himmel, Fräulein, immer redet Ihr von Euern hohen Jahren, was haben wir, ich und Ihr, mit den Jahren zu schaffen und ihrer Last! Und thut Ihr denn nicht eben wie ein junges verschämtes Ding, das gern zulangen möchte nach der dargebotenen süßen Frucht, könnte das nur geschehen ohne Hand und ohne Finger! Schlagt dem wackern Meister René nicht ab, das freiwillig als Geschenk zu empfangen, was tausend Andere nicht erhalten können, alles Goldes, alles Bittens und Flehens unerachtet.

Die Maintenon hatte der Scudery das Kästchen während dessen aufgedrungen, und nun stürzte Cardillac nieder auf die Kniee — küßte der Scudery den Rock — die Hände — stöhnte — seufzte — weinte — schluchzte — sprang auf — rannte wie unsinnig, Sessel, Tische umstürzend, daß Porzellain, Gläser zusammenklirrten, in toller Hast von dannen. —

Ganz erschrocken rief die Scudery: Um aller Heiligen willen, was widerfährt dem Menschen! Doch die Marquise, in besonderer heiterer Laune bis zu sonst ihr ganz fremdem Muthwillen, schlug eine helle Lache auf und sprach: Da haben wir's, Fräulein, Meister René ist in Euch sterblich verliebt und beginnt nach richtigem Brauch und bewährter Sitte ächter Galanterie Euer Herz zu bestürmen mit reichen Geschenken. — Die Maintenon führte diesen Scherz weiter aus, indem sie die Scudery ermahnte, nicht zu grausam zu sein gegen den verzweifelten Liebhaber, und diese wurde, Raum gebend

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/45>, abgerufen am 27.04.2024.