Mit dem Zeitpunkt, worinn sich die Manier des Le Notre in Europa ver- breitete, fiengen fast überall die Gärten an nichts anders zu seyn, als Werke der Nachahmung. Und ihr Schicksal wollte, daß sie nichts bessers seyn konnten, da Vorurtheil, Mangel der Ueberlegung und Bequemlichkeit sie in dieser Nachahmung begünstigten. Die Wirkung davon war die ekelhafteste Einförmigkeit. Kein Werk des Geschmacks kann reicher und mannigfaltiger seyn, als ein Garten; und keines ist durch die Verblendung der alten Manier dürftiger und einförmiger geworden, als ein Garten. Es ist noch jetzt kaum zu begreifen, wie der Gartengeschmack sich auf diesen Irrwegen so weit verlieren konnte. Nichts als eine platte und unbedeutende Ebene; nichts als gerade Gänge, viereckigte Teiche und Sandplätze, oder seltsame Figuren von Buxbaum und Steinen zusammengesetzt; nichts von erfreuendem Grün, als Hagebuchen, Linden oder Ypern, oft in abgeschmackte Formen, worüber die Natur erschrack und der Geschmack erröthete, von der Hand einer barbarischen Kunst verun- staltet. Man übersah ganz den unendlichen Reichthum von Lagen, Verbindungen, Gegenstellungen, Aussichten; die Vereinigung der Höhen mit den Niedrigungen, des Buschwerks und Waldes mit natürlichem Wasser; die große Mannigfaltigkeit von Bäumen, Sträuchern, Stauden, Blumen und Grasarten, die uns die Natur überall vorzeigt. Lange winkte sie, durch die Abwechselung und den Reichthum ihrer Gewächse, die Wohnplätze des Vergnügens zu bereichern; von allen Seiten reizte sie, auf der Flur und im Walde, auf Höhen und in Thälern, durch die freyen Scenen ihrer Schönheit, für welche sie dem Menschen Auge und Gefühl gegeben hatte. Allein dennoch lernte er ihr erst in diesem Jahrhundert die Kunst ab, sich einen Platz des Vergnügens zu pflanzen, den der Geschmack nicht billigen konnte. Jedes Be- streben mislang, so lange er vergaß, auf die Natur zu schauen. Und alle die herrli- chen und kostbaren Gärten, worinn alles, nur nicht Natur und Geschmack war, muß- ten sehen, wie Zeit und Kritik ganz ihren Ruhm vernichteten.
Der neue Geschmack der Britten, der die Regelmäßigkeit und Einförmigkeit verbannte und wahre Schönheit der Natur in die Gärten rief, führte zugleich beträcht- liche Vortheile ein. Einer der ersten war der freye Gebrauch aller Arten, sowohl einheimischer als ausländischer Bäume, Sträucher und übrigen Gewächse. Die Dürftigkeit, die der alten französischen Manier eigen gewesen, verschwand, und der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der wilden Bäume ward in den Gärten sichtbar. Wo neben den Haynbuchen nur Eibenbäume getrauert hatten, da sieng ein Geschlecht, eine Art Bäume und Sträucher nach der andern an, durch die Schönheit ihres
Wuchses,
IVBand. B
uͤber den neuern Gartengeſchmack.
2.
Mit dem Zeitpunkt, worinn ſich die Manier des Le Notre in Europa ver- breitete, fiengen faſt uͤberall die Gaͤrten an nichts anders zu ſeyn, als Werke der Nachahmung. Und ihr Schickſal wollte, daß ſie nichts beſſers ſeyn konnten, da Vorurtheil, Mangel der Ueberlegung und Bequemlichkeit ſie in dieſer Nachahmung beguͤnſtigten. Die Wirkung davon war die ekelhafteſte Einfoͤrmigkeit. Kein Werk des Geſchmacks kann reicher und mannigfaltiger ſeyn, als ein Garten; und keines iſt durch die Verblendung der alten Manier duͤrftiger und einfoͤrmiger geworden, als ein Garten. Es iſt noch jetzt kaum zu begreifen, wie der Gartengeſchmack ſich auf dieſen Irrwegen ſo weit verlieren konnte. Nichts als eine platte und unbedeutende Ebene; nichts als gerade Gaͤnge, viereckigte Teiche und Sandplaͤtze, oder ſeltſame Figuren von Buxbaum und Steinen zuſammengeſetzt; nichts von erfreuendem Gruͤn, als Hagebuchen, Linden oder Ypern, oft in abgeſchmackte Formen, woruͤber die Natur erſchrack und der Geſchmack erroͤthete, von der Hand einer barbariſchen Kunſt verun- ſtaltet. Man uͤberſah ganz den unendlichen Reichthum von Lagen, Verbindungen, Gegenſtellungen, Ausſichten; die Vereinigung der Hoͤhen mit den Niedrigungen, des Buſchwerks und Waldes mit natuͤrlichem Waſſer; die große Mannigfaltigkeit von Baͤumen, Straͤuchern, Stauden, Blumen und Grasarten, die uns die Natur uͤberall vorzeigt. Lange winkte ſie, durch die Abwechſelung und den Reichthum ihrer Gewaͤchſe, die Wohnplaͤtze des Vergnuͤgens zu bereichern; von allen Seiten reizte ſie, auf der Flur und im Walde, auf Hoͤhen und in Thaͤlern, durch die freyen Scenen ihrer Schoͤnheit, fuͤr welche ſie dem Menſchen Auge und Gefuͤhl gegeben hatte. Allein dennoch lernte er ihr erſt in dieſem Jahrhundert die Kunſt ab, ſich einen Platz des Vergnuͤgens zu pflanzen, den der Geſchmack nicht billigen konnte. Jedes Be- ſtreben mislang, ſo lange er vergaß, auf die Natur zu ſchauen. Und alle die herrli- chen und koſtbaren Gaͤrten, worinn alles, nur nicht Natur und Geſchmack war, muß- ten ſehen, wie Zeit und Kritik ganz ihren Ruhm vernichteten.
Der neue Geſchmack der Britten, der die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit verbannte und wahre Schoͤnheit der Natur in die Gaͤrten rief, fuͤhrte zugleich betraͤcht- liche Vortheile ein. Einer der erſten war der freye Gebrauch aller Arten, ſowohl einheimiſcher als auslaͤndiſcher Baͤume, Straͤucher und uͤbrigen Gewaͤchſe. Die Duͤrftigkeit, die der alten franzoͤſiſchen Manier eigen geweſen, verſchwand, und der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der wilden Baͤume ward in den Gaͤrten ſichtbar. Wo neben den Haynbuchen nur Eibenbaͤume getrauert hatten, da ſieng ein Geſchlecht, eine Art Baͤume und Straͤucher nach der andern an, durch die Schoͤnheit ihres
Wuchſes,
IVBand. B
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uͤber den neuern Gartengeſchmack.
2.
Mit dem Zeitpunkt, worinn ſich die Manier des Le Notre in Europa ver-
breitete, fiengen faſt uͤberall die Gaͤrten an nichts anders zu ſeyn, als Werke der
Nachahmung. Und ihr Schickſal wollte, daß ſie nichts beſſers ſeyn konnten, da
Vorurtheil, Mangel der Ueberlegung und Bequemlichkeit ſie in dieſer Nachahmung
beguͤnſtigten. Die Wirkung davon war die ekelhafteſte Einfoͤrmigkeit. Kein Werk
des Geſchmacks kann reicher und mannigfaltiger ſeyn, als ein Garten; und keines iſt
durch die Verblendung der alten Manier duͤrftiger und einfoͤrmiger geworden, als ein
Garten. Es iſt noch jetzt kaum zu begreifen, wie der Gartengeſchmack ſich auf dieſen
Irrwegen ſo weit verlieren konnte. Nichts als eine platte und unbedeutende Ebene;
nichts als gerade Gaͤnge, viereckigte Teiche und Sandplaͤtze, oder ſeltſame Figuren
von Buxbaum und Steinen zuſammengeſetzt; nichts von erfreuendem Gruͤn, als
Hagebuchen, Linden oder Ypern, oft in abgeſchmackte Formen, woruͤber die Natur
erſchrack und der Geſchmack erroͤthete, von der Hand einer barbariſchen Kunſt verun-
ſtaltet. Man uͤberſah ganz den unendlichen Reichthum von Lagen, Verbindungen,
Gegenſtellungen, Ausſichten; die Vereinigung der Hoͤhen mit den Niedrigungen,
des Buſchwerks und Waldes mit natuͤrlichem Waſſer; die große Mannigfaltigkeit
von Baͤumen, Straͤuchern, Stauden, Blumen und Grasarten, die uns die Natur
uͤberall vorzeigt. Lange winkte ſie, durch die Abwechſelung und den Reichthum ihrer
Gewaͤchſe, die Wohnplaͤtze des Vergnuͤgens zu bereichern; von allen Seiten reizte ſie,
auf der Flur und im Walde, auf Hoͤhen und in Thaͤlern, durch die freyen Scenen
ihrer Schoͤnheit, fuͤr welche ſie dem Menſchen Auge und Gefuͤhl gegeben hatte.
Allein dennoch lernte er ihr erſt in dieſem Jahrhundert die Kunſt ab, ſich einen Platz
des Vergnuͤgens zu pflanzen, den der Geſchmack nicht billigen konnte. Jedes Be-
ſtreben mislang, ſo lange er vergaß, auf die Natur zu ſchauen. Und alle die herrli-
chen und koſtbaren Gaͤrten, worinn alles, nur nicht Natur und Geſchmack war, muß-
ten ſehen, wie Zeit und Kritik ganz ihren Ruhm vernichteten.
Der neue Geſchmack der Britten, der die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit
verbannte und wahre Schoͤnheit der Natur in die Gaͤrten rief, fuͤhrte zugleich betraͤcht-
liche Vortheile ein. Einer der erſten war der freye Gebrauch aller Arten, ſowohl
einheimiſcher als auslaͤndiſcher Baͤume, Straͤucher und uͤbrigen Gewaͤchſe. Die
Duͤrftigkeit, die der alten franzoͤſiſchen Manier eigen geweſen, verſchwand, und der
Reichthum und die Mannigfaltigkeit der wilden Baͤume ward in den Gaͤrten ſichtbar.
Wo neben den Haynbuchen nur Eibenbaͤume getrauert hatten, da ſieng ein Geſchlecht,
eine Art Baͤume und Straͤucher nach der andern an, durch die Schoͤnheit ihres
Wuchſes,
IV Band. B
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/13>, abgerufen am 03.03.2025.
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