Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.über den neuern Gartengeschmack. 2. Mit dem Zeitpunkt, worinn sich die Manier des Le Notre in Europa ver- Der neue Geschmack der Britten, der die Regelmäßigkeit und Einförmigkeit Wuchses, IV Band. B
uͤber den neuern Gartengeſchmack. 2. Mit dem Zeitpunkt, worinn ſich die Manier des Le Notre in Europa ver- Der neue Geſchmack der Britten, der die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit Wuchſes, IV Band. B
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uͤber den neuern Gartengeſchmack.
2.
Mit dem Zeitpunkt, worinn ſich die Manier des Le Notre in Europa ver-
breitete, fiengen faſt uͤberall die Gaͤrten an nichts anders zu ſeyn, als Werke der
Nachahmung. Und ihr Schickſal wollte, daß ſie nichts beſſers ſeyn konnten, da
Vorurtheil, Mangel der Ueberlegung und Bequemlichkeit ſie in dieſer Nachahmung
beguͤnſtigten. Die Wirkung davon war die ekelhafteſte Einfoͤrmigkeit. Kein Werk
des Geſchmacks kann reicher und mannigfaltiger ſeyn, als ein Garten; und keines iſt
durch die Verblendung der alten Manier duͤrftiger und einfoͤrmiger geworden, als ein
Garten. Es iſt noch jetzt kaum zu begreifen, wie der Gartengeſchmack ſich auf dieſen
Irrwegen ſo weit verlieren konnte. Nichts als eine platte und unbedeutende Ebene;
nichts als gerade Gaͤnge, viereckigte Teiche und Sandplaͤtze, oder ſeltſame Figuren
von Buxbaum und Steinen zuſammengeſetzt; nichts von erfreuendem Gruͤn, als
Hagebuchen, Linden oder Ypern, oft in abgeſchmackte Formen, woruͤber die Natur
erſchrack und der Geſchmack erroͤthete, von der Hand einer barbariſchen Kunſt verun-
ſtaltet. Man uͤberſah ganz den unendlichen Reichthum von Lagen, Verbindungen,
Gegenſtellungen, Ausſichten; die Vereinigung der Hoͤhen mit den Niedrigungen,
des Buſchwerks und Waldes mit natuͤrlichem Waſſer; die große Mannigfaltigkeit
von Baͤumen, Straͤuchern, Stauden, Blumen und Grasarten, die uns die Natur
uͤberall vorzeigt. Lange winkte ſie, durch die Abwechſelung und den Reichthum ihrer
Gewaͤchſe, die Wohnplaͤtze des Vergnuͤgens zu bereichern; von allen Seiten reizte ſie,
auf der Flur und im Walde, auf Hoͤhen und in Thaͤlern, durch die freyen Scenen
ihrer Schoͤnheit, fuͤr welche ſie dem Menſchen Auge und Gefuͤhl gegeben hatte.
Allein dennoch lernte er ihr erſt in dieſem Jahrhundert die Kunſt ab, ſich einen Platz
des Vergnuͤgens zu pflanzen, den der Geſchmack nicht billigen konnte. Jedes Be-
ſtreben mislang, ſo lange er vergaß, auf die Natur zu ſchauen. Und alle die herrli-
chen und koſtbaren Gaͤrten, worinn alles, nur nicht Natur und Geſchmack war, muß-
ten ſehen, wie Zeit und Kritik ganz ihren Ruhm vernichteten.
Der neue Geſchmack der Britten, der die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit
verbannte und wahre Schoͤnheit der Natur in die Gaͤrten rief, fuͤhrte zugleich betraͤcht-
liche Vortheile ein. Einer der erſten war der freye Gebrauch aller Arten, ſowohl
einheimiſcher als auslaͤndiſcher Baͤume, Straͤucher und uͤbrigen Gewaͤchſe. Die
Duͤrftigkeit, die der alten franzoͤſiſchen Manier eigen geweſen, verſchwand, und der
Reichthum und die Mannigfaltigkeit der wilden Baͤume ward in den Gaͤrten ſichtbar.
Wo neben den Haynbuchen nur Eibenbaͤume getrauert hatten, da ſieng ein Geſchlecht,
eine Art Baͤume und Straͤucher nach der andern an, durch die Schoͤnheit ihres
Wuchſes,
IV Band. B
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