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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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zusammen. Und wißt, Padre, darum will ich eine
Jungfrau bleiben, um Keinem unterthänig zu sein,
der mich mißhandelte und dann liebkos'te. Wenn
mich jetzt einer schlagen oder küssen will, so weiß ich
mich zu wehren. Aber meine Mutter dürfte sich schon
nicht wehren, nicht der Schläge erwehren und nicht der
Küsse, weil sie ihn lieb hatte. Und ich will Keinen
so lieb haben, daß ich um ihn krank und elend würde.

Bist du nun nicht ein Kind und sprichst wie
eine, die nichts weiß von dem, was auf Erden ge¬
schieht? Sind denn alle Männer, wie dein armer
Vater war, daß sie jeder Laune und Leidenschaft
nachgeben und ihren Frauen schlecht begegnen? Hast
du nicht rechtschaffne Menschen genug gesehn in der
ganzen Nachbarschaft, und Frauen, die in Frieden
und Einigkeit mit ihren Männern leben?

Von meinem Vater wußt' es auch niemand, wie
er zu meiner Mutter war, denn sie wäre eher tau¬
sendmal gestorben, als es einem sagen und klagen.
Und das Alles, weil sie ihn liebte. Wenn es so um
die Liebe ist, daß sie einem die Lippen schließt, wo
man Hülfe schreien sollte, und einen wehrlos macht
gegen Aergeres, als der ärgste Feind einem anthun
könnte, so will ich nie mein Herz an einen Mann
hängen.

Ich sage dir, daß du ein Kind bist und nicht
weißt, was du sprichst. Du wirst auch viel gefragt.

zuſammen. Und wißt, Padre, darum will ich eine
Jungfrau bleiben, um Keinem unterthänig zu ſein,
der mich mißhandelte und dann liebkoſ'te. Wenn
mich jetzt einer ſchlagen oder küſſen will, ſo weiß ich
mich zu wehren. Aber meine Mutter dürfte ſich ſchon
nicht wehren, nicht der Schläge erwehren und nicht der
Küſſe, weil ſie ihn lieb hatte. Und ich will Keinen
ſo lieb haben, daß ich um ihn krank und elend würde.

Biſt du nun nicht ein Kind und ſprichſt wie
eine, die nichts weiß von dem, was auf Erden ge¬
ſchieht? Sind denn alle Männer, wie dein armer
Vater war, daß ſie jeder Laune und Leidenſchaft
nachgeben und ihren Frauen ſchlecht begegnen? Haſt
du nicht rechtſchaffne Menſchen genug geſehn in der
ganzen Nachbarſchaft, und Frauen, die in Frieden
und Einigkeit mit ihren Männern leben?

Von meinem Vater wußt' es auch niemand, wie
er zu meiner Mutter war, denn ſie wäre eher tau¬
ſendmal geſtorben, als es einem ſagen und klagen.
Und das Alles, weil ſie ihn liebte. Wenn es ſo um
die Liebe iſt, daß ſie einem die Lippen ſchließt, wo
man Hülfe ſchreien ſollte, und einen wehrlos macht
gegen Aergeres, als der ärgſte Feind einem anthun
könnte, ſo will ich nie mein Herz an einen Mann
hängen.

Ich ſage dir, daß du ein Kind biſt und nicht
weißt, was du ſprichſt. Du wirſt auch viel gefragt.

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[101/0113] zuſammen. Und wißt, Padre, darum will ich eine Jungfrau bleiben, um Keinem unterthänig zu ſein, der mich mißhandelte und dann liebkoſ'te. Wenn mich jetzt einer ſchlagen oder küſſen will, ſo weiß ich mich zu wehren. Aber meine Mutter dürfte ſich ſchon nicht wehren, nicht der Schläge erwehren und nicht der Küſſe, weil ſie ihn lieb hatte. Und ich will Keinen ſo lieb haben, daß ich um ihn krank und elend würde. Biſt du nun nicht ein Kind und ſprichſt wie eine, die nichts weiß von dem, was auf Erden ge¬ ſchieht? Sind denn alle Männer, wie dein armer Vater war, daß ſie jeder Laune und Leidenſchaft nachgeben und ihren Frauen ſchlecht begegnen? Haſt du nicht rechtſchaffne Menſchen genug geſehn in der ganzen Nachbarſchaft, und Frauen, die in Frieden und Einigkeit mit ihren Männern leben? Von meinem Vater wußt' es auch niemand, wie er zu meiner Mutter war, denn ſie wäre eher tau¬ ſendmal geſtorben, als es einem ſagen und klagen. Und das Alles, weil ſie ihn liebte. Wenn es ſo um die Liebe iſt, daß ſie einem die Lippen ſchließt, wo man Hülfe ſchreien ſollte, und einen wehrlos macht gegen Aergeres, als der ärgſte Feind einem anthun könnte, ſo will ich nie mein Herz an einen Mann hängen. Ich ſage dir, daß du ein Kind biſt und nicht weißt, was du ſprichſt. Du wirſt auch viel gefragt.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/113>, abgerufen am 26.04.2024.