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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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103.

Bei der gutmüthigen Lehrhaftigkeit, die
Sie den Deutschen zuschreiben, vergessen
Sie, daß Form das Wesen der Poesie
ist; und wer begreift schwerer, was Form
sei, wer kann sich in sie minder fügen,
geschweige sich dieselbe an- und zubilden,
als ein Deutscher? Unser Leben, unsre
ganze Verfassung ist ja Unform.

Ihr gelehrter Opitz übersetzte aus allen
Sprachen; aber wie schwer! wie einför-
mig! Lesen Sie seine Antigone, seine
Trojanerinnen, seinen Apoll und

103.

Bei der gutmuͤthigen Lehrhaftigkeit, die
Sie den Deutſchen zuſchreiben, vergeſſen
Sie, daß Form das Weſen der Poeſie
iſt; und wer begreift ſchwerer, was Form
ſei, wer kann ſich in ſie minder fuͤgen,
geſchweige ſich dieſelbe an- und zubilden,
als ein Deutſcher? Unſer Leben, unſre
ganze Verfaſſung iſt ja Unform.

Ihr gelehrter Opitz uͤberſetzte aus allen
Sprachen; aber wie ſchwer! wie einfoͤr-
mig! Leſen Sie ſeine Antigone, ſeine
Trojanerinnen, ſeinen Apoll und

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[133/0152] 103. Bei der gutmuͤthigen Lehrhaftigkeit, die Sie den Deutſchen zuſchreiben, vergeſſen Sie, daß Form das Weſen der Poeſie iſt; und wer begreift ſchwerer, was Form ſei, wer kann ſich in ſie minder fuͤgen, geſchweige ſich dieſelbe an- und zubilden, als ein Deutſcher? Unſer Leben, unſre ganze Verfaſſung iſt ja Unform. Ihr gelehrter Opitz uͤberſetzte aus allen Sprachen; aber wie ſchwer! wie einfoͤr- mig! Leſen Sie ſeine Antigone, ſeine Trojanerinnen, ſeinen Apoll und

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/152>, abgerufen am 21.11.2024.