Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Abend- und Morgenröthe, bleibet aber im-
mer in unserm blauen Horizont gesellig,
froh und glücklich. Mit Kindern ward er
ein Kind, mit den ersten Menschen Einer
der ersten Schuldlosen Menschen, liebend
mit den Liebenden und selbst geliebt von
der ganzen Natur, die ihm in seiner Un-
schuld ihren Schleier wegzog. Gerade der
einfachste Dichter, dessen ganze Manier
Verbergung der Kunst war, ist unser be-
rühmtester Dichter worden, und hat man-
che Ausländer mit dem süßen Wahne ge-
täuscht, als sei alle unsre Poesie reine
Humanität
, Einfalt, Liebe und
Wahrheit
.


Abend- und Morgenroͤthe, bleibet aber im-
mer in unſerm blauen Horizont geſellig,
froh und gluͤcklich. Mit Kindern ward er
ein Kind, mit den erſten Menſchen Einer
der erſten Schuldloſen Menſchen, liebend
mit den Liebenden und ſelbſt geliebt von
der ganzen Natur, die ihm in ſeiner Un-
ſchuld ihren Schleier wegzog. Gerade der
einfachſte Dichter, deſſen ganze Manier
Verbergung der Kunſt war, iſt unſer be-
ruͤhmteſter Dichter worden, und hat man-
che Auslaͤnder mit dem ſuͤßen Wahne ge-
taͤuſcht, als ſei alle unſre Poeſie reine
Humanitaͤt
, Einfalt, Liebe und
Wahrheit
.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="132"/>
Abend- und Morgenro&#x0364;the, bleibet aber im-<lb/>
mer in un&#x017F;erm blauen Horizont ge&#x017F;ellig,<lb/>
froh und glu&#x0364;cklich. Mit Kindern ward er<lb/>
ein Kind, mit den er&#x017F;ten Men&#x017F;chen Einer<lb/>
der er&#x017F;ten Schuldlo&#x017F;en Men&#x017F;chen, liebend<lb/>
mit den Liebenden und &#x017F;elb&#x017F;t geliebt von<lb/>
der ganzen Natur, die ihm in &#x017F;einer Un-<lb/>
&#x017F;chuld ihren Schleier wegzog. Gerade der<lb/>
einfach&#x017F;te Dichter, de&#x017F;&#x017F;en ganze Manier<lb/>
Verbergung der Kun&#x017F;t war, i&#x017F;t un&#x017F;er be-<lb/>
ru&#x0364;hmte&#x017F;ter Dichter worden, und hat man-<lb/>
che Ausla&#x0364;nder mit dem &#x017F;u&#x0364;ßen Wahne ge-<lb/>
ta&#x0364;u&#x017F;cht, als &#x017F;ei alle un&#x017F;re Poe&#x017F;ie <hi rendition="#g">reine<lb/>
Humanita&#x0364;t</hi>, <hi rendition="#g">Einfalt</hi>, <hi rendition="#g">Liebe und<lb/>
Wahrheit</hi>.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0151] Abend- und Morgenroͤthe, bleibet aber im- mer in unſerm blauen Horizont geſellig, froh und gluͤcklich. Mit Kindern ward er ein Kind, mit den erſten Menſchen Einer der erſten Schuldloſen Menſchen, liebend mit den Liebenden und ſelbſt geliebt von der ganzen Natur, die ihm in ſeiner Un- ſchuld ihren Schleier wegzog. Gerade der einfachſte Dichter, deſſen ganze Manier Verbergung der Kunſt war, iſt unſer be- ruͤhmteſter Dichter worden, und hat man- che Auslaͤnder mit dem ſuͤßen Wahne ge- taͤuſcht, als ſei alle unſre Poeſie reine Humanitaͤt, Einfalt, Liebe und Wahrheit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/151
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/151>, abgerufen am 24.11.2024.