Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

weil wir leben, strafe den Misbrauch, und
lege Pflaster auf die Blattern. Wird man
die Blattern ausreißen mit Unbarmherzig-
keit: so wird den Schmerzen und Schaden
niemand mehr fühlen, denn solche kluge
Barbierer. Aendern und Bessern sind zweier-
lei. Eines steht in der Menschen Händen
und in Gottes Verhängen, das andre in
Gottes Händen und Gnaden."

Ferner sagt er: "Wenn das natürliche
Recht und Vernunft in allen Köpfen steck-
te, die Menschenköpfen gleich sind, so könn-
ten die Narren, Kinder und Weiber eben
so wohl regieren und kriegen als David,
Augustus, Hannibal, und müßten Phor-
mionen so gut seyn, als Hannibals; ja
alle Menschen müßten gleich seyn und kei-
ner über den andern regieren. Welch ein
Aufruhr und wüst Ding sollt hieraus wer-
den? Aber nun hats Gott also geschaf-

weil wir leben, ſtrafe den Misbrauch, und
lege Pflaſter auf die Blattern. Wird man
die Blattern ausreißen mit Unbarmherzig-
keit: ſo wird den Schmerzen und Schaden
niemand mehr fuͤhlen, denn ſolche kluge
Barbierer. Aendern und Beſſern ſind zweier-
lei. Eines ſteht in der Menſchen Haͤnden
und in Gottes Verhaͤngen, das andre in
Gottes Haͤnden und Gnaden.“

Ferner ſagt er: „Wenn das natuͤrliche
Recht und Vernunft in allen Koͤpfen ſteck-
te, die Menſchenkoͤpfen gleich ſind, ſo koͤnn-
ten die Narren, Kinder und Weiber eben
ſo wohl regieren und kriegen als David,
Auguſtus, Hannibal, und muͤßten Phor-
mionen ſo gut ſeyn, als Hannibals; ja
alle Menſchen muͤßten gleich ſeyn und kei-
ner uͤber den andern regieren. Welch ein
Aufruhr und wuͤſt Ding ſollt hieraus wer-
den? Aber nun hats Gott alſo geſchaf-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="24"/>
weil wir leben, &#x017F;trafe den Misbrauch, und<lb/>
lege Pfla&#x017F;ter auf die Blattern. Wird man<lb/>
die Blattern ausreißen mit Unbarmherzig-<lb/>
keit: &#x017F;o wird den Schmerzen und Schaden<lb/>
niemand mehr fu&#x0364;hlen, denn &#x017F;olche kluge<lb/>
Barbierer. Aendern und Be&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;ind zweier-<lb/>
lei. Eines &#x017F;teht in der Men&#x017F;chen Ha&#x0364;nden<lb/>
und in Gottes Verha&#x0364;ngen, das andre in<lb/>
Gottes Ha&#x0364;nden und Gnaden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ferner &#x017F;agt er: &#x201E;Wenn das natu&#x0364;rliche<lb/>
Recht und Vernunft in allen Ko&#x0364;pfen &#x017F;teck-<lb/>
te, die Men&#x017F;chenko&#x0364;pfen gleich &#x017F;ind, &#x017F;o ko&#x0364;nn-<lb/>
ten die Narren, Kinder und Weiber eben<lb/>
&#x017F;o wohl regieren und kriegen als David,<lb/>
Augu&#x017F;tus, Hannibal, und mu&#x0364;ßten Phor-<lb/>
mionen &#x017F;o gut &#x017F;eyn, als Hannibals; ja<lb/>
alle Men&#x017F;chen mu&#x0364;ßten gleich &#x017F;eyn und kei-<lb/>
ner u&#x0364;ber den andern regieren. Welch ein<lb/>
Aufruhr und wu&#x0364;&#x017F;t Ding &#x017F;ollt hieraus wer-<lb/>
den? Aber nun hats Gott al&#x017F;o ge&#x017F;chaf-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0029] weil wir leben, ſtrafe den Misbrauch, und lege Pflaſter auf die Blattern. Wird man die Blattern ausreißen mit Unbarmherzig- keit: ſo wird den Schmerzen und Schaden niemand mehr fuͤhlen, denn ſolche kluge Barbierer. Aendern und Beſſern ſind zweier- lei. Eines ſteht in der Menſchen Haͤnden und in Gottes Verhaͤngen, das andre in Gottes Haͤnden und Gnaden.“ Ferner ſagt er: „Wenn das natuͤrliche Recht und Vernunft in allen Koͤpfen ſteck- te, die Menſchenkoͤpfen gleich ſind, ſo koͤnn- ten die Narren, Kinder und Weiber eben ſo wohl regieren und kriegen als David, Auguſtus, Hannibal, und muͤßten Phor- mionen ſo gut ſeyn, als Hannibals; ja alle Menſchen muͤßten gleich ſeyn und kei- ner uͤber den andern regieren. Welch ein Aufruhr und wuͤſt Ding ſollt hieraus wer- den? Aber nun hats Gott alſo geſchaf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/29
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/29>, abgerufen am 26.04.2024.