Metaphysik, und kann, ohne diese voranzuschicken, we- der abgehandelt noch auch nur begründet werden.
In der That, wenn ich tiefer unten behaupten werde, dass die Seele ein einfaches Wesen, und dass sie eben aus diesem Grunde nicht ursprünglich Kraft ist: so muss ich dabey nothwendig auf die allgemeine Metaphysik (und zunächst, bis eine ausführlichere Darstellung erscheint, auf meine Hauptpuncte der Metaphysik,) hin- weisen.
Um jedoch den Hauptstamm meiner gegenwärtigen Untersuchung genugsam bevestigen zu können, werde ich mir erlauben, das Nöthigste aus der allgemeinen Meta- physik, nämlich die Untersuchung über das Ich, hier ein- zuschalten; und auch auf andere Puncte jener Wissen- schaft so viel Licht werfen als hier geschehen kann; wozu sich die Gelegenheiten häufig genug darbieten werden. Und um möglichen Misverständnissen zuvor zu kommen, bemühe ich mich sogleich, das Verhältniss der Princi- pien von beyden, der allgemeinen Metaphysik, und der Psychologie, deutlich auszusprechen.
§. 15.
Die allgemeinsten Formen der Erscheinungen, so wie sie vor allem Philosophiren vorgefunden werden, sind die Principien der allgemeinen Metaphysik. Könnten diese Formen, so wie sie vorgefunden (oder, im wissenschaft- lichen Sinne des Worts, gegeben) sind, eben so auch gedacht werden, so bliebe es bey der ersten Auffassung oder Anschauung; dieser würde man glauben, und eben deshalb würde keine Wissenschaft, Metaphysik genannt, entstehen; es sey denn als ein Spiel müssiger Köpfe, das man gerade so ignoriren, und von aller soliden Erfah- rungs-Erkenntniss hinwegscheuchen müsste, wie gegen- wärtig die Metaphysik von ihren Verächtern in der That ignorirt, und aus der Naturforschung wirklich verbannt wird. Diese Verächter und Widersacher können nur da- durch widerlegt werden, dass man ihnen die Widersprü- che nachweis't, in denen sie aus Mangel an Metaphysik
Metaphysik, und kann, ohne diese voranzuschicken, we- der abgehandelt noch auch nur begründet werden.
In der That, wenn ich tiefer unten behaupten werde, daſs die Seele ein einfaches Wesen, und daſs sie eben aus diesem Grunde nicht ursprünglich Kraft ist: so muſs ich dabey nothwendig auf die allgemeine Metaphysik (und zunächst, bis eine ausführlichere Darstellung erscheint, auf meine Hauptpuncte der Metaphysik,) hin- weisen.
Um jedoch den Hauptstamm meiner gegenwärtigen Untersuchung genugsam bevestigen zu können, werde ich mir erlauben, das Nöthigste aus der allgemeinen Meta- physik, nämlich die Untersuchung über das Ich, hier ein- zuschalten; und auch auf andere Puncte jener Wissen- schaft so viel Licht werfen als hier geschehen kann; wozu sich die Gelegenheiten häufig genug darbieten werden. Und um möglichen Misverständnissen zuvor zu kommen, bemühe ich mich sogleich, das Verhältniſs der Princi- pien von beyden, der allgemeinen Metaphysik, und der Psychologie, deutlich auszusprechen.
§. 15.
Die allgemeinsten Formen der Erscheinungen, so wie sie vor allem Philosophiren vorgefunden werden, sind die Principien der allgemeinen Metaphysik. Könnten diese Formen, so wie sie vorgefunden (oder, im wissenschaft- lichen Sinne des Worts, gegeben) sind, eben so auch gedacht werden, so bliebe es bey der ersten Auffassung oder Anschauung; dieser würde man glauben, und eben deshalb würde keine Wissenschaft, Metaphysik genannt, entstehen; es sey denn als ein Spiel müssiger Köpfe, das man gerade so ignoriren, und von aller soliden Erfah- rungs-Erkenntniſs hinwegscheuchen müſste, wie gegen- wärtig die Metaphysik von ihren Verächtern in der That ignorirt, und aus der Naturforschung wirklich verbannt wird. Diese Verächter und Widersacher können nur da- durch widerlegt werden, daſs man ihnen die Widersprü- che nachweis’t, in denen sie aus Mangel an Metaphysik
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Metaphysik, und kann, ohne diese voranzuschicken, we-
der abgehandelt noch auch nur begründet werden.
In der That, wenn ich tiefer unten behaupten werde,
daſs die Seele ein einfaches Wesen, und daſs sie eben
aus diesem Grunde nicht ursprünglich Kraft ist: so muſs
ich dabey nothwendig auf die allgemeine Metaphysik (und
zunächst, bis eine ausführlichere Darstellung erscheint,
auf meine Hauptpuncte der Metaphysik,) hin-
weisen.
Um jedoch den Hauptstamm meiner gegenwärtigen
Untersuchung genugsam bevestigen zu können, werde ich
mir erlauben, das Nöthigste aus der allgemeinen Meta-
physik, nämlich die Untersuchung über das Ich, hier ein-
zuschalten; und auch auf andere Puncte jener Wissen-
schaft so viel Licht werfen als hier geschehen kann; wozu
sich die Gelegenheiten häufig genug darbieten werden.
Und um möglichen Misverständnissen zuvor zu kommen,
bemühe ich mich sogleich, das Verhältniſs der Princi-
pien von beyden, der allgemeinen Metaphysik, und der
Psychologie, deutlich auszusprechen.
§. 15.
Die allgemeinsten Formen der Erscheinungen, so wie
sie vor allem Philosophiren vorgefunden werden, sind die
Principien der allgemeinen Metaphysik. Könnten diese
Formen, so wie sie vorgefunden (oder, im wissenschaft-
lichen Sinne des Worts, gegeben) sind, eben so auch
gedacht werden, so bliebe es bey der ersten Auffassung
oder Anschauung; dieser würde man glauben, und eben
deshalb würde keine Wissenschaft, Metaphysik genannt,
entstehen; es sey denn als ein Spiel müssiger Köpfe, das
man gerade so ignoriren, und von aller soliden Erfah-
rungs-Erkenntniſs hinwegscheuchen müſste, wie gegen-
wärtig die Metaphysik von ihren Verächtern in der That
ignorirt, und aus der Naturforschung wirklich verbannt
wird. Diese Verächter und Widersacher können nur da-
durch widerlegt werden, daſs man ihnen die Widersprü-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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