Die Idee des Lebens betrifft einen so concreten und, wenn man will, reellen Gegenstand, daß mit der- selben nach der gewöhnlichen Vorstellung der Logik ihr Gebiet überschritten zu werden scheinen kann. Sollte die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen enthalten, so könnte in ihr überhaupt von keinem sol- chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben ist, die Re- de seyn. Wenn aber die absolute Wahrheit der Gegen- stand der Logik, und die Wahrheit als solche wesent- lich im Erkennen ist, so müßte das Erkennen we- nigstens abgehandelt werden. -- Der sogenannten reinen Logik pflegt man denn auch gewöhnlich eine ange- wandte Logik folgen zu lassen, -- eine Logik, welche es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die viele Psychologie und Anthropologie nicht mit gerechnet, deren Einflechtung in die Logik häufig für nöthig erachtet wird. Die anthropologische und psycho- logische Seite des Erkennens aber betrifft dessen Er- scheinung, in welcher der Begriff für sich selbst noch nicht dieses ist, eine ihm gleiche Objectivität, d. i. sich selbst zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der dasselbe betrachtet, gehört nicht zur angewandten Logik als solchen; so wäre jede Wissenschaft in die Lo- gik hereinzuziehen, denn jede ist insofern eine ange- wandte Logik als sie darin besteht, ihren Gegenstand in
For-
III.Abſchnitt. Idee.
Erſtes Kapitel. Das Leben.
Die Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der- ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol- chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re- de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen- ſtand der Logik, und die Wahrheit als ſolche weſent- lich im Erkennen iſt, ſo muͤßte das Erkennen we- nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine ange- wandte Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die viele Pſychologie und Anthropologie nicht mit gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho- logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen Er- ſcheinung, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur angewandten Logik als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo- gik hereinzuziehen, denn jede iſt inſofern eine ange- wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in
For-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0294"n="276"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt. Idee</hi>.</fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#g">Erſtes Kapitel.<lb/>
Das Leben</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten<lb/>
und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der-<lb/>ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr<lb/>
Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte<lb/>
die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen<lb/>
enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol-<lb/>
chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re-<lb/>
de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen-<lb/>ſtand der Logik, und <hirendition="#g">die Wahrheit</hi> als ſolche weſent-<lb/>
lich <hirendition="#g">im Erkennen</hi> iſt, ſo muͤßte das <hirendition="#g">Erkennen</hi> we-<lb/>
nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen<lb/>
Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine <hirendition="#g">ange-<lb/>
wandte</hi> Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche<lb/>
es mit dem <hirendition="#g">concreten Erkennen</hi> zu thun hat; die<lb/>
viele <hirendition="#g">Pſychologie</hi> und <hirendition="#g">Anthropologie</hi> nicht mit<lb/>
gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr<lb/>
noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho-<lb/>
logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen <hirendition="#g">Er-<lb/>ſcheinung</hi>, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch<lb/>
nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich<lb/>ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der<lb/>
daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur <hirendition="#g">angewandten<lb/>
Logik</hi> als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo-<lb/>
gik hereinzuziehen, denn jede iſt inſofern eine ange-<lb/>
wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">For-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[276/0294]
III. Abſchnitt. Idee.
Erſtes Kapitel.
Das Leben.
Die Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten
und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der-
ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr
Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte
die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen
enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol-
chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re-
de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen-
ſtand der Logik, und die Wahrheit als ſolche weſent-
lich im Erkennen iſt, ſo muͤßte das Erkennen we-
nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen
Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine ange-
wandte Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche
es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die
viele Pſychologie und Anthropologie nicht mit
gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr
noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho-
logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen Er-
ſcheinung, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch
nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich
ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der
daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur angewandten
Logik als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo-
gik hereinzuziehen, denn jede iſt inſofern eine ange-
wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in
For-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/294>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.