Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 63. Völkerrecht im Zustand des Friedens. IV. Weder der Person des Ausländers darf nach Erfüllung al- ler Verbindlichkeiten der Wegzug versagt, 1 noch sein Ver- mögen ihm oder seinen Erben vorenthalten werden. Jeder entgegenstehende Gebrauch ist unsittlich, wie das ehemalige Pfälzische Wildfangsrecht 2 und das Heimfallsrecht bei Ver- lassenschaften der Fremden 3 (Ellendigen, Albani, Aubains). Recht der Auslieferungen. 63. Jeder Staat gewährt vermöge seiner Unabhängigkeit mit Nach ältestem Völkerrecht lieferte man den bei den Göttern des 1 Vergl. Martens, §. 78. Schmelzing, §. 179. 2 Moser, nachb. Staatsr. 406. Günther, II, 361. 3 Das s. g. ius albinagii (ius alibi natorum?), droit d'Aubaine. Siehe die Lit. bei v. Kamptz, §. 121. Pütter, Beitr. 128. Schilter, l. c. §. 32. 39. Mittermaier, Grds. des gem. deutschen Privatr. 6 Ausg. §. 106. Gebrandmarkt ward es in Frankreich, wo es allein bestehend geblieben war, schon durch Decret der Nationalversammlung vom 6. (18.) Aug. 1790. völlig aufgehoben gegen andere Staaten die es selbst nicht ausüben, durch Gesetz v. 14. Juli 1819. 4 Die neuesten Untersuchungen darüber s. in Provo-Kluit, de deditione profugor. Lugd.-Bat. 1829. Die neueste Staatenpraxis s. bei Foelix, dr. intern. p. 578. Die ältere Literatur bei v. Kamptz, §. 111. 5 Hierzu hielt man wenigstens Repressalien erlaubt. Heffter, Athen. Ger. Verf. S. 428. 6 Abegg, Untersuchungen der Strafrechtsw. S. 133. 7 Vergl. Walter, Kirchenr. §. 270. 345. Grimm, d. Rechts-Alterth. S. 886. 8
§. 63. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. IV. Weder der Perſon des Ausländers darf nach Erfüllung al- ler Verbindlichkeiten der Wegzug verſagt, 1 noch ſein Ver- mögen ihm oder ſeinen Erben vorenthalten werden. Jeder entgegenſtehende Gebrauch iſt unſittlich, wie das ehemalige Pfälziſche Wildfangsrecht 2 und das Heimfallsrecht bei Ver- laſſenſchaften der Fremden 3 (Ellendigen, Albani, Aubains). Recht der Auslieferungen. 63. Jeder Staat gewährt vermöge ſeiner Unabhängigkeit mit Nach älteſtem Völkerrecht lieferte man den bei den Göttern des 1 Vergl. Martens, §. 78. Schmelzing, §. 179. 2 Moſer, nachb. Staatsr. 406. Günther, II, 361. 3 Das ſ. g. ius albinagii (ius alibi natorum?), droit d’Aubaine. Siehe die Lit. bei v. Kamptz, §. 121. Pütter, Beitr. 128. Schilter, l. c. §. 32. 39. Mittermaier, Grdſ. des gem. deutſchen Privatr. 6 Ausg. §. 106. Gebrandmarkt ward es in Frankreich, wo es allein beſtehend geblieben war, ſchon durch Decret der Nationalverſammlung vom 6. (18.) Aug. 1790. völlig aufgehoben gegen andere Staaten die es ſelbſt nicht ausüben, durch Geſetz v. 14. Juli 1819. 4 Die neueſten Unterſuchungen darüber ſ. in Provò-Kluit, de deditione profugor. Lugd.-Bat. 1829. Die neueſte Staatenpraxis ſ. bei Foelix, dr. intern. p. 578. Die ältere Literatur bei v. Kamptz, §. 111. 5 Hierzu hielt man wenigſtens Repreſſalien erlaubt. Heffter, Athen. Ger. Verf. S. 428. 6 Abegg, Unterſuchungen der Strafrechtsw. S. 133. 7 Vergl. Walter, Kirchenr. §. 270. 345. Grimm, d. Rechts-Alterth. S. 886. 8
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0137" n="113"/> <fw place="top" type="header">§. 63. <hi rendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens</hi>.</fw><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> Weder der Perſon des Ausländers darf nach Erfüllung al-<lb/> ler Verbindlichkeiten der Wegzug verſagt, <note place="foot" n="1">Vergl. Martens, §. 78. Schmelzing, §. 179.</note> noch ſein Ver-<lb/> mögen ihm oder ſeinen Erben vorenthalten werden. Jeder<lb/> entgegenſtehende Gebrauch iſt unſittlich, wie das ehemalige<lb/> Pfälziſche Wildfangsrecht <note place="foot" n="2">Moſer, nachb. Staatsr. 406. Günther, <hi rendition="#aq">II,</hi> 361.</note> und das Heimfallsrecht bei Ver-<lb/> laſſenſchaften der Fremden <note place="foot" n="3">Das ſ. g. <hi rendition="#aq">ius <hi rendition="#i">albinagii</hi> (ius <hi rendition="#i">alibi natorum</hi>?), droit d’Aubaine.</hi> Siehe<lb/> die Lit. bei v. Kamptz, §. 121. Pütter, Beitr. 128. <hi rendition="#aq">Schilter, l. c.</hi><lb/> §. 32. 39. Mittermaier, Grdſ. des gem. deutſchen Privatr. 6 Ausg. §.<lb/> 106. Gebrandmarkt ward es in Frankreich, wo es allein beſtehend geblieben<lb/> war, ſchon durch Decret der Nationalverſammlung vom 6. (18.) Aug. 1790.<lb/> völlig aufgehoben gegen andere Staaten die es ſelbſt nicht ausüben, durch<lb/> Geſetz v. 14. Juli 1819.</note> (Ellendigen, <hi rendition="#aq">Albani, Aubains</hi>).</item> </list> </div><lb/> <div n="4"> <head>Recht der Auslieferungen.</head><lb/> <p>63. Jeder Staat gewährt vermöge ſeiner Unabhängigkeit mit<lb/> ſeinem Territorium nicht bloß den eigenen Unterthanen, ſondern<lb/> auch dem Fremden, der es betritt, ein natürliches Aſyl gegen aus-<lb/> ländiſche Verfolgungen. Ob die Staatsgewalt aber auch befugt<lb/> und verpflichtet ſei, es jederzeit zu gewähren, ob ſie es nicht ver-<lb/> weigern oder wieder aufheben, namentlich anderen Staaten flüch-<lb/> tige Verbrecher ausliefern dürfe, ja müſſe, iſt von jeher eine nicht<lb/> ganz ſtreitloſe Frage geweſen. <note place="foot" n="4">Die neueſten Unterſuchungen darüber ſ. in <hi rendition="#aq">Provò-Kluit, de deditione<lb/> profugor. Lugd.-Bat.</hi> 1829. Die neueſte Staatenpraxis ſ. bei <hi rendition="#aq">Foelix,<lb/> dr. intern. p.</hi> 578. Die ältere Literatur bei v. Kamptz, §. 111.</note></p><lb/> <p>Nach älteſtem Völkerrecht lieferte man den bei den Göttern des<lb/> Landes um Schutz flehenden Fremdling niemals aus, wenn er an-<lb/> derwärtsher mit Schuld beladen kam; höchſtens den Fremdling, welcher<lb/> ſich im Lande ſeines Aufenthalts ſelbſt an Fremden vergangen hatte; <note place="foot" n="5">Hierzu hielt man wenigſtens Repreſſalien erlaubt. Heffter, Athen. Ger.<lb/> Verf. S. 428.</note><lb/> den eigenen Mitbürger wohl nur dann, wenn ſein Verſchulden gegen<lb/> einen fremden Staat ſo groß war, daß er deſſen Rache geopfert<lb/> werden mußte. <note place="foot" n="6">Abegg, Unterſuchungen der Strafrechtsw. S. 133.</note> — Das Kirchenthum des Mittelalters erſchuf<lb/> zahlloſe Zufluchtſtätten, übte dann aber ſelbſt ein Gericht aus; <note place="foot" n="7">Vergl. Walter, Kirchenr. §. 270. 345. Grimm, d. Rechts-Alterth. S. 886.</note><lb/> <fw place="bottom" type="sig">8</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0137]
§. 63. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
IV. Weder der Perſon des Ausländers darf nach Erfüllung al-
ler Verbindlichkeiten der Wegzug verſagt, 1 noch ſein Ver-
mögen ihm oder ſeinen Erben vorenthalten werden. Jeder
entgegenſtehende Gebrauch iſt unſittlich, wie das ehemalige
Pfälziſche Wildfangsrecht 2 und das Heimfallsrecht bei Ver-
laſſenſchaften der Fremden 3 (Ellendigen, Albani, Aubains).
Recht der Auslieferungen.
63. Jeder Staat gewährt vermöge ſeiner Unabhängigkeit mit
ſeinem Territorium nicht bloß den eigenen Unterthanen, ſondern
auch dem Fremden, der es betritt, ein natürliches Aſyl gegen aus-
ländiſche Verfolgungen. Ob die Staatsgewalt aber auch befugt
und verpflichtet ſei, es jederzeit zu gewähren, ob ſie es nicht ver-
weigern oder wieder aufheben, namentlich anderen Staaten flüch-
tige Verbrecher ausliefern dürfe, ja müſſe, iſt von jeher eine nicht
ganz ſtreitloſe Frage geweſen. 4
Nach älteſtem Völkerrecht lieferte man den bei den Göttern des
Landes um Schutz flehenden Fremdling niemals aus, wenn er an-
derwärtsher mit Schuld beladen kam; höchſtens den Fremdling, welcher
ſich im Lande ſeines Aufenthalts ſelbſt an Fremden vergangen hatte; 5
den eigenen Mitbürger wohl nur dann, wenn ſein Verſchulden gegen
einen fremden Staat ſo groß war, daß er deſſen Rache geopfert
werden mußte. 6 — Das Kirchenthum des Mittelalters erſchuf
zahlloſe Zufluchtſtätten, übte dann aber ſelbſt ein Gericht aus; 7
1 Vergl. Martens, §. 78. Schmelzing, §. 179.
2 Moſer, nachb. Staatsr. 406. Günther, II, 361.
3 Das ſ. g. ius albinagii (ius alibi natorum?), droit d’Aubaine. Siehe
die Lit. bei v. Kamptz, §. 121. Pütter, Beitr. 128. Schilter, l. c.
§. 32. 39. Mittermaier, Grdſ. des gem. deutſchen Privatr. 6 Ausg. §.
106. Gebrandmarkt ward es in Frankreich, wo es allein beſtehend geblieben
war, ſchon durch Decret der Nationalverſammlung vom 6. (18.) Aug. 1790.
völlig aufgehoben gegen andere Staaten die es ſelbſt nicht ausüben, durch
Geſetz v. 14. Juli 1819.
4 Die neueſten Unterſuchungen darüber ſ. in Provò-Kluit, de deditione
profugor. Lugd.-Bat. 1829. Die neueſte Staatenpraxis ſ. bei Foelix,
dr. intern. p. 578. Die ältere Literatur bei v. Kamptz, §. 111.
5 Hierzu hielt man wenigſtens Repreſſalien erlaubt. Heffter, Athen. Ger.
Verf. S. 428.
6 Abegg, Unterſuchungen der Strafrechtsw. S. 133.
7 Vergl. Walter, Kirchenr. §. 270. 345. Grimm, d. Rechts-Alterth. S. 886.
8
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |