Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 62. Völkerrecht im Zustand des Friedens. Wahl stellen. 1 Es ist eine vertrocknete Reliquie des Lehns-wesens. Rechtsverhältnisse der Fremden in einem auswärtigen Staatsgebiet. 62. In Bezug auf Fremde, welche ein anderes Staatsgebiet Während des Aufenthaltes im fremden Territorium, er sei aus- I. Alle Ausländer stehen unter dem Schutze der Staatsgewalt, 4 sind aber auch in Betreff ihres persönlichen Verhaltens an die Beobachtung der Criminal- und Polizeigesetze des Lan- des gebunden und der dortigen Strafgerichtsbarkeit unter- 1 Günther II, 426. 2 S. schon oben §. 32. Schmelzing, §. 168. Günther, II, 219. 223. 314. Martens, §. 74. Schilter, l. c. §. 52. Dem Alterthum waren allgemeine Fremdenvertreibungen (xenelasiai) nicht fremd. In neuerer Zeit kommen sie meist nur in Verbindung mit kriegerischen Maaßregeln vor. Eine Vertheidigung der sonstigen Britischen Fremdenbill gab Can- ning am 3. April 1824. Jetzt besteht auch dort ein einfacheres, milderes System, ein bloßes Einregistriren von 6--6 Monaten. S. Geo. 4, c. 54. 3 Nur sie förmlich zu übernehmen ist er nicht verpflichtet. Jedoch finden sich dieserhalb zahllose Verträge wegen der Vagabunden in gegenseiti- gem Interesse. S. besonders de Martens, Suppl. VIII, 282 u. s. ff. Ueber den Begriff eines Vagabunden Chr. Thomasius, de vagab. Lips. 1681. van Haesten, de vagabundis. Vltraj. 1773. Günther, II, 259. 4 Nach dem Staatsrecht des Alterthums nicht unbedingt; nach dem des
Mittelalters waren sie sogar regelmäßig rechtlos. Pütter, Beitr 115. Neuere Gesetze entzogen wenigstens noch einzelnen Categorieen der Frem- den ihren Schutz, z. B. den Zigeunern. Abegg, Unters. a. d. Strafrechts- wissenschaft S. 369. Erst die neueste Zeit hat die weltbürgerliche Rich- tung unbedingt verfolgt. S. schon Real, Sc. du gouv. IV, 7, 1, 1. Vat- tel, II, 1, 19 f. 6, 17. Günther, II, 344. §. 62. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. Wahl ſtellen. 1 Es iſt eine vertrocknete Reliquie des Lehns-weſens. Rechtsverhältniſſe der Fremden in einem auswärtigen Staatsgebiet. 62. In Bezug auf Fremde, welche ein anderes Staatsgebiet Während des Aufenthaltes im fremden Territorium, er ſei aus- I. Alle Ausländer ſtehen unter dem Schutze der Staatsgewalt, 4 ſind aber auch in Betreff ihres perſönlichen Verhaltens an die Beobachtung der Criminal- und Polizeigeſetze des Lan- des gebunden und der dortigen Strafgerichtsbarkeit unter- 1 Günther II, 426. 2 S. ſchon oben §. 32. Schmelzing, §. 168. Günther, II, 219. 223. 314. Martens, §. 74. Schilter, l. c. §. 52. Dem Alterthum waren allgemeine Fremdenvertreibungen (ξενηλασίαι) nicht fremd. In neuerer Zeit kommen ſie meiſt nur in Verbindung mit kriegeriſchen Maaßregeln vor. Eine Vertheidigung der ſonſtigen Britiſchen Fremdenbill gab Can- ning am 3. April 1824. Jetzt beſteht auch dort ein einfacheres, milderes Syſtem, ein bloßes Einregiſtriren von 6—6 Monaten. S. Geo. 4, c. 54. 3 Nur ſie förmlich zu übernehmen iſt er nicht verpflichtet. Jedoch finden ſich dieſerhalb zahlloſe Verträge wegen der Vagabunden in gegenſeiti- gem Intereſſe. S. beſonders de Martens, Suppl. VIII, 282 u. ſ. ff. Ueber den Begriff eines Vagabunden Chr. Thomasius, de vagab. Lips. 1681. van Haesten, de vagabundis. Vltraj. 1773. Günther, II, 259. 4 Nach dem Staatsrecht des Alterthums nicht unbedingt; nach dem des
Mittelalters waren ſie ſogar regelmäßig rechtlos. Pütter, Beitr 115. Neuere Geſetze entzogen wenigſtens noch einzelnen Categorieen der Frem- den ihren Schutz, z. B. den Zigeunern. Abegg, Unterſ. a. d. Strafrechts- wiſſenſchaft S. 369. Erſt die neueſte Zeit hat die weltbürgerliche Rich- tung unbedingt verfolgt. S. ſchon Real, Sc. du gouv. IV, 7, 1, 1. Vat- tel, II, 1, 19 f. 6, 17. Günther, II, 344. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0135" n="111"/><fw place="top" type="header">§. 62. <hi rendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens</hi>.</fw><lb/> Wahl ſtellen. <note place="foot" n="1">Günther <hi rendition="#aq">II,</hi> 426.</note> Es iſt eine vertrocknete Reliquie des Lehns-<lb/> weſens.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>Rechtsverhältniſſe der Fremden in einem auswärtigen Staatsgebiet.</head><lb/> <p>62. In Bezug auf Fremde, welche ein anderes Staatsgebiet<lb/> betreten wollen oder wirklich ſchon betreten, hängt es zuvörderſt<lb/> von der dortigen Staatsgewalt ab, ob und wie lange ihnen ein<lb/> Aufenthalt geſtattet werden ſoll. Sie können aus Rückſichten des<lb/> öffentlichen Wohls einzeln oder in Maſſe zurückgewieſen werden, <note place="foot" n="2">S. ſchon oben §. 32. Schmelzing, §. 168. Günther, <hi rendition="#aq">II,</hi> 219. 223.<lb/> 314. Martens, §. 74. Schilter, <hi rendition="#aq">l. c.</hi> §. 52. Dem Alterthum waren<lb/> allgemeine Fremdenvertreibungen (ξενηλασίαι) nicht fremd. In neuerer<lb/> Zeit kommen ſie meiſt nur in Verbindung mit kriegeriſchen Maaßregeln<lb/> vor. Eine Vertheidigung der ſonſtigen Britiſchen Fremdenbill gab Can-<lb/> ning am 3. April 1824. Jetzt beſteht auch dort ein einfacheres, milderes<lb/> Syſtem, ein bloßes Einregiſtriren von 6—6 Monaten. S. <hi rendition="#aq">Geo. 4, c.</hi> 54.</note><lb/> ſo weit man nicht durch Verträge gebunden iſt, und kein Staat<lb/> kann ſich weigern, ſeine Staatsgenoſſen wieder bei ſich aufzuneh-<lb/> men. <note place="foot" n="3">Nur ſie <hi rendition="#g">förmlich zu übernehmen</hi> iſt er nicht verpflichtet. Jedoch finden<lb/> ſich dieſerhalb zahlloſe Verträge wegen der <hi rendition="#g">Vagabunden</hi> in gegenſeiti-<lb/> gem Intereſſe. S. beſonders <hi rendition="#aq">de Martens, Suppl. VIII,</hi> 282 u. ſ. ff.<lb/> Ueber den Begriff eines Vagabunden <hi rendition="#aq">Chr. Thomasius, de vagab. Lips.<lb/> 1681. van Haesten, de vagabundis. Vltraj.</hi> 1773. Günther, <hi rendition="#aq">II,</hi> 259.</note> Nur gänzliche Ausſchließung einer Nation vom perſönli-<lb/> chen Verkehr würde im Europäiſchen Staatenſyſtem eine Beleidi-<lb/> gung ſein. (§. 32.)</p><lb/> <p>Während des Aufenthaltes im fremden Territorium, er ſei aus-<lb/> drücklich geſtattet oder erſchlichen, treten, nächſt den ſchon in §. 60.<lb/> bemerkten, folgende Grundſätze in Anwendung:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Alle Ausländer ſtehen unter dem Schutze der Staatsgewalt, <note place="foot" n="4">Nach dem Staatsrecht des Alterthums nicht unbedingt; nach dem des<lb/> Mittelalters waren ſie ſogar regelmäßig <hi rendition="#g">rechtlos</hi>. Pütter, Beitr 115.<lb/> Neuere Geſetze entzogen wenigſtens noch einzelnen Categorieen der Frem-<lb/> den ihren Schutz, z. B. den Zigeunern. Abegg, Unterſ. a. d. Strafrechts-<lb/> wiſſenſchaft S. 369. Erſt die neueſte Zeit hat die weltbürgerliche Rich-<lb/> tung unbedingt verfolgt. S. ſchon <hi rendition="#aq">Real, Sc. du gouv. IV, 7, 1, 1. Vat-<lb/> tel, II,</hi> 1, 19 f. 6, 17. Günther, <hi rendition="#aq">II,</hi> 344.</note><lb/> ſind aber auch in Betreff ihres perſönlichen Verhaltens an<lb/> die Beobachtung der Criminal- und Polizeigeſetze des Lan-<lb/> des gebunden und der dortigen Strafgerichtsbarkeit unter-<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0135]
§. 62. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
Wahl ſtellen. 1 Es iſt eine vertrocknete Reliquie des Lehns-
weſens.
Rechtsverhältniſſe der Fremden in einem auswärtigen Staatsgebiet.
62. In Bezug auf Fremde, welche ein anderes Staatsgebiet
betreten wollen oder wirklich ſchon betreten, hängt es zuvörderſt
von der dortigen Staatsgewalt ab, ob und wie lange ihnen ein
Aufenthalt geſtattet werden ſoll. Sie können aus Rückſichten des
öffentlichen Wohls einzeln oder in Maſſe zurückgewieſen werden, 2
ſo weit man nicht durch Verträge gebunden iſt, und kein Staat
kann ſich weigern, ſeine Staatsgenoſſen wieder bei ſich aufzuneh-
men. 3 Nur gänzliche Ausſchließung einer Nation vom perſönli-
chen Verkehr würde im Europäiſchen Staatenſyſtem eine Beleidi-
gung ſein. (§. 32.)
Während des Aufenthaltes im fremden Territorium, er ſei aus-
drücklich geſtattet oder erſchlichen, treten, nächſt den ſchon in §. 60.
bemerkten, folgende Grundſätze in Anwendung:
I. Alle Ausländer ſtehen unter dem Schutze der Staatsgewalt, 4
ſind aber auch in Betreff ihres perſönlichen Verhaltens an
die Beobachtung der Criminal- und Polizeigeſetze des Lan-
des gebunden und der dortigen Strafgerichtsbarkeit unter-
1 Günther II, 426.
2 S. ſchon oben §. 32. Schmelzing, §. 168. Günther, II, 219. 223.
314. Martens, §. 74. Schilter, l. c. §. 52. Dem Alterthum waren
allgemeine Fremdenvertreibungen (ξενηλασίαι) nicht fremd. In neuerer
Zeit kommen ſie meiſt nur in Verbindung mit kriegeriſchen Maaßregeln
vor. Eine Vertheidigung der ſonſtigen Britiſchen Fremdenbill gab Can-
ning am 3. April 1824. Jetzt beſteht auch dort ein einfacheres, milderes
Syſtem, ein bloßes Einregiſtriren von 6—6 Monaten. S. Geo. 4, c. 54.
3 Nur ſie förmlich zu übernehmen iſt er nicht verpflichtet. Jedoch finden
ſich dieſerhalb zahlloſe Verträge wegen der Vagabunden in gegenſeiti-
gem Intereſſe. S. beſonders de Martens, Suppl. VIII, 282 u. ſ. ff.
Ueber den Begriff eines Vagabunden Chr. Thomasius, de vagab. Lips.
1681. van Haesten, de vagabundis. Vltraj. 1773. Günther, II, 259.
4 Nach dem Staatsrecht des Alterthums nicht unbedingt; nach dem des
Mittelalters waren ſie ſogar regelmäßig rechtlos. Pütter, Beitr 115.
Neuere Geſetze entzogen wenigſtens noch einzelnen Categorieen der Frem-
den ihren Schutz, z. B. den Zigeunern. Abegg, Unterſ. a. d. Strafrechts-
wiſſenſchaft S. 369. Erſt die neueſte Zeit hat die weltbürgerliche Rich-
tung unbedingt verfolgt. S. ſchon Real, Sc. du gouv. IV, 7, 1, 1. Vat-
tel, II, 1, 19 f. 6, 17. Günther, II, 344.
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