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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §§. 52. 53.
zwar nicht als eine rechtliche Verpflichtung, wohl aber als Bedin-
gung internationalen Verkehrs in Anspruch genommen werden.

Zweifache Persönlichkeit des Souveräns.

52. Im Allgemeinen läßt sich in der Person eines Souve-
räns ein zweifacher rechtlicher Charakter unterscheiden, nämlich ei-
nerseits die staats- und damit verbundene völkerrechtliche Persön-
lichkeit, andererseits die privatrechtliche. Jedoch wird letztere alle-
zeit bedingt durch die erstere und kann daher nie derselben präju-
diciren. 1 So steht an sich Nichts entgegen, daß der Souverän
eines Staates auch Privatrechte erwerbe, ausübe und gegen sich
ertheile, daß er als Privatperson Vasall eines Anderen sei, oder
in Civil- und Militärdienste eines fremden Staates eintrete oder
auch selbst in einem Unterthansverhältniß zu jenem stehe und ver-
möge dessen ständische oder parlamentarische Rechte darin aus-
übe. 2 Unzulässig würde dergleichen sein:

wenn die Verfassung des einen oder anderen Staates sich
dagegen erklärt; und
wenn die Ehre oder Würde des Souveräns durch ein sol-
ches Verhältniß gefährdet würde.

Bei eintretender Incompatibilität ist das eine Verhältniß auf-
zugeben oder wenigstens, so weit es möglich ist, zu suspendiren;
allemal wird es dem Souverän zustehen, sich im Fall des Con-
flicts ungehindert durch das etwanige Privatverhältniß in seine
persönliche Souveränetät zurückzuziehen.

Völkerrechtliche Stellung der Souveräne.

53. Die Rechte der in einer bestimmten Person verkörperten
Souveränetät sind im Verkehr der Staaten unter dem Princip der
Gegenseitigkeit und Gleichheit diese:

I. Die unbeschränkte Vertretung ihrer Staaten gegen andere
(ius repraesentationis omnimodae), so weit nicht durch
einzelne Verfassungen besondere Grenzen gesetzt sind; derge-
1 Nach dem Satz, daß das öffentliche Recht allezeit dem Privatrecht vor-
geht.
2 So war der regierende Bischof zu Osnabrück als Herzog von York 1787
Peer von Großbritannien und Mitglied des Oberhauses. Günther II, 271.
Ein noch neueres Beispiel ist bekannt.

Erſtes Buch. §§. 52. 53.
zwar nicht als eine rechtliche Verpflichtung, wohl aber als Bedin-
gung internationalen Verkehrs in Anſpruch genommen werden.

Zweifache Perſönlichkeit des Souveräns.

52. Im Allgemeinen läßt ſich in der Perſon eines Souve-
räns ein zweifacher rechtlicher Charakter unterſcheiden, nämlich ei-
nerſeits die ſtaats- und damit verbundene völkerrechtliche Perſön-
lichkeit, andererſeits die privatrechtliche. Jedoch wird letztere alle-
zeit bedingt durch die erſtere und kann daher nie derſelben präju-
diciren. 1 So ſteht an ſich Nichts entgegen, daß der Souverän
eines Staates auch Privatrechte erwerbe, ausübe und gegen ſich
ertheile, daß er als Privatperſon Vaſall eines Anderen ſei, oder
in Civil- und Militärdienſte eines fremden Staates eintrete oder
auch ſelbſt in einem Unterthansverhältniß zu jenem ſtehe und ver-
möge deſſen ſtändiſche oder parlamentariſche Rechte darin aus-
übe. 2 Unzuläſſig würde dergleichen ſein:

wenn die Verfaſſung des einen oder anderen Staates ſich
dagegen erklärt; und
wenn die Ehre oder Würde des Souveräns durch ein ſol-
ches Verhältniß gefährdet würde.

Bei eintretender Incompatibilität iſt das eine Verhältniß auf-
zugeben oder wenigſtens, ſo weit es möglich iſt, zu ſuspendiren;
allemal wird es dem Souverän zuſtehen, ſich im Fall des Con-
flicts ungehindert durch das etwanige Privatverhältniß in ſeine
perſönliche Souveränetät zurückzuziehen.

Völkerrechtliche Stellung der Souveräne.

53. Die Rechte der in einer beſtimmten Perſon verkörperten
Souveränetät ſind im Verkehr der Staaten unter dem Princip der
Gegenſeitigkeit und Gleichheit dieſe:

I. Die unbeſchränkte Vertretung ihrer Staaten gegen andere
(ius repraesentationis omnimodae), ſo weit nicht durch
einzelne Verfaſſungen beſondere Grenzen geſetzt ſind; derge-
1 Nach dem Satz, daß das öffentliche Recht allezeit dem Privatrecht vor-
geht.
2 So war der regierende Biſchof zu Osnabrück als Herzog von York 1787
Peer von Großbritannien und Mitglied des Oberhauſes. Günther II, 271.
Ein noch neueres Beiſpiel iſt bekannt.
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[96/0120] Erſtes Buch. §§. 52. 53. zwar nicht als eine rechtliche Verpflichtung, wohl aber als Bedin- gung internationalen Verkehrs in Anſpruch genommen werden. Zweifache Perſönlichkeit des Souveräns. 52. Im Allgemeinen läßt ſich in der Perſon eines Souve- räns ein zweifacher rechtlicher Charakter unterſcheiden, nämlich ei- nerſeits die ſtaats- und damit verbundene völkerrechtliche Perſön- lichkeit, andererſeits die privatrechtliche. Jedoch wird letztere alle- zeit bedingt durch die erſtere und kann daher nie derſelben präju- diciren. 1 So ſteht an ſich Nichts entgegen, daß der Souverän eines Staates auch Privatrechte erwerbe, ausübe und gegen ſich ertheile, daß er als Privatperſon Vaſall eines Anderen ſei, oder in Civil- und Militärdienſte eines fremden Staates eintrete oder auch ſelbſt in einem Unterthansverhältniß zu jenem ſtehe und ver- möge deſſen ſtändiſche oder parlamentariſche Rechte darin aus- übe. 2 Unzuläſſig würde dergleichen ſein: wenn die Verfaſſung des einen oder anderen Staates ſich dagegen erklärt; und wenn die Ehre oder Würde des Souveräns durch ein ſol- ches Verhältniß gefährdet würde. Bei eintretender Incompatibilität iſt das eine Verhältniß auf- zugeben oder wenigſtens, ſo weit es möglich iſt, zu ſuspendiren; allemal wird es dem Souverän zuſtehen, ſich im Fall des Con- flicts ungehindert durch das etwanige Privatverhältniß in ſeine perſönliche Souveränetät zurückzuziehen. Völkerrechtliche Stellung der Souveräne. 53. Die Rechte der in einer beſtimmten Perſon verkörperten Souveränetät ſind im Verkehr der Staaten unter dem Princip der Gegenſeitigkeit und Gleichheit dieſe: I. Die unbeſchränkte Vertretung ihrer Staaten gegen andere (ius repraesentationis omnimodae), ſo weit nicht durch einzelne Verfaſſungen beſondere Grenzen geſetzt ſind; derge- 1 Nach dem Satz, daß das öffentliche Recht allezeit dem Privatrecht vor- geht. 2 So war der regierende Biſchof zu Osnabrück als Herzog von York 1787 Peer von Großbritannien und Mitglied des Oberhauſes. Günther II, 271. Ein noch neueres Beiſpiel iſt bekannt.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/120>, abgerufen am 21.11.2024.