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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 51. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
päischen Staaten meist der Fall ist, entweder auf ein bestimmtes
Geschlecht beschränkt sein (successio gentilitia), oder sie kann
auch auf Andere übertragen werden. 1 Letzteres versteht sich aber
gleichfalls so wenig von selbst, 2 als in dem Begriff der Erblich-
keit der Staatsgewalt an sich noch kein Eigenthum, d. h. ein freies
Dispositionsrecht über Land und Leute enthalten ist, wo nicht auch
dieses erworben und festgehalten sein sollte. 3

Initiirung der Souveränetät.

51. Mit der thatsächlichen Erwerbung der inneren (staats-
rechtlichen) Souveränetät tritt auch die Ausübung der internatio-
nalen Souveränetätsrechte in Kraft; es bedarf dazu keiner Anerken-
nung anderer Mächte; es genügt, daß die Erwerbung dem inneren
(allgemeinen oder besonderen) Staatsrecht entspricht. Jedoch ist
es üblich, wiewohl nur nach politischer Convenienz, anderen Staa-
ten und deren Vertretern Kenntniß von eingetretenen Regierungs-
wechseln zu geben und die Fortdauer eines guten Vernehmens in
Erwartung der Gegenseitigkeit zuzusichern. 4 Bei bestrittenem oder
zweifelhaftem Recht so wie bei neu erworbener, nicht schon an-
geerbter und versicherter Souveränetät bewirbt man sich auch wohl
um die ausdrückliche Anerkennung anderer Mächte. 5 Diese kann

1 Z. B. nach der Baierischen, Hessischen und Sächsischen Verfassungsur-
kunde durch eine Erbverbrüderung (§. 47.) und so auch nach einigen an-
deren Grundgesetzen.
2 Das Gegentheil hat von den Deutschen Staaten Maurenbrecher: die Deut-
schen Fürsten und die Souveränetät. Frkf. 1839. S. 109 und 119 als
Regel
behauptet, ohne Zweifel gegen das historische Recht. Wegen der
Französischen Krone wurde ebenfalls schon unter dem alten Regime eine
von Maurenbrechers Lehre abweichende Ansicht aufgestellt und durchgesetzt,
als Ludwig XIV. versucht hatte, seinen legitimirten außerehelichen Descen-
denten eine eventuelle Succession in die Krone zu verschaffen. Struvii,
Jurisprud. heroica t. IV. p. 544 sq.
Die Erblichkeit einer Krone besteht
zunächst nur darin, daß ein gewisses Geschlecht, und nur dieses herrsche.
3 Die älteren Publicisten deuteten die verschiedenen Möglichkeiten hierbei
durch die Unterscheidung von regna usufructuaria und patrimonialia an.
Groot, de J. B. I, 3, 11 f. Vergl. darüber Klüber §. 31.
4 Günther II, 430. Der Römische Stuhl betrachtet die Abfertigung eige-
ner Obedienzgesandtschaften von Seiten katholischer Regenten nach über-
nommener Regierung als Schuldigkeit. S. ebds. Not. e. Buder, de le-
gationib. obedientiae. Jen.
1737.
5 Günther II, 432.

§. 51. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
päiſchen Staaten meiſt der Fall iſt, entweder auf ein beſtimmtes
Geſchlecht beſchränkt ſein (successio gentilitia), oder ſie kann
auch auf Andere übertragen werden. 1 Letzteres verſteht ſich aber
gleichfalls ſo wenig von ſelbſt, 2 als in dem Begriff der Erblich-
keit der Staatsgewalt an ſich noch kein Eigenthum, d. h. ein freies
Dispoſitionsrecht über Land und Leute enthalten iſt, wo nicht auch
dieſes erworben und feſtgehalten ſein ſollte. 3

Initiirung der Souveränetät.

51. Mit der thatſächlichen Erwerbung der inneren (ſtaats-
rechtlichen) Souveränetät tritt auch die Ausübung der internatio-
nalen Souveränetätsrechte in Kraft; es bedarf dazu keiner Anerken-
nung anderer Mächte; es genügt, daß die Erwerbung dem inneren
(allgemeinen oder beſonderen) Staatsrecht entſpricht. Jedoch iſt
es üblich, wiewohl nur nach politiſcher Convenienz, anderen Staa-
ten und deren Vertretern Kenntniß von eingetretenen Regierungs-
wechſeln zu geben und die Fortdauer eines guten Vernehmens in
Erwartung der Gegenſeitigkeit zuzuſichern. 4 Bei beſtrittenem oder
zweifelhaftem Recht ſo wie bei neu erworbener, nicht ſchon an-
geerbter und verſicherter Souveränetät bewirbt man ſich auch wohl
um die ausdrückliche Anerkennung anderer Mächte. 5 Dieſe kann

1 Z. B. nach der Baieriſchen, Heſſiſchen und Sächſiſchen Verfaſſungsur-
kunde durch eine Erbverbrüderung (§. 47.) und ſo auch nach einigen an-
deren Grundgeſetzen.
2 Das Gegentheil hat von den Deutſchen Staaten Maurenbrecher: die Deut-
ſchen Fürſten und die Souveränetät. Frkf. 1839. S. 109 und 119 als
Regel
behauptet, ohne Zweifel gegen das hiſtoriſche Recht. Wegen der
Franzöſiſchen Krone wurde ebenfalls ſchon unter dem alten Regime eine
von Maurenbrechers Lehre abweichende Anſicht aufgeſtellt und durchgeſetzt,
als Ludwig XIV. verſucht hatte, ſeinen legitimirten außerehelichen Deſcen-
denten eine eventuelle Succeſſion in die Krone zu verſchaffen. Struvii,
Jurisprud. heroica t. IV. p. 544 sq.
Die Erblichkeit einer Krone beſteht
zunächſt nur darin, daß ein gewiſſes Geſchlecht, und nur dieſes herrſche.
3 Die älteren Publiciſten deuteten die verſchiedenen Möglichkeiten hierbei
durch die Unterſcheidung von regna usufructuaria und patrimonialia an.
Groot, de J. B. I, 3, 11 f. Vergl. darüber Klüber §. 31.
4 Günther II, 430. Der Römiſche Stuhl betrachtet die Abfertigung eige-
ner Obedienzgeſandtſchaften von Seiten katholiſcher Regenten nach über-
nommener Regierung als Schuldigkeit. S. ebdſ. Not. e. Buder, de le-
gationib. obedientiae. Jen.
1737.
5 Günther II, 432.
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[95/0119] §. 51. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. päiſchen Staaten meiſt der Fall iſt, entweder auf ein beſtimmtes Geſchlecht beſchränkt ſein (successio gentilitia), oder ſie kann auch auf Andere übertragen werden. 1 Letzteres verſteht ſich aber gleichfalls ſo wenig von ſelbſt, 2 als in dem Begriff der Erblich- keit der Staatsgewalt an ſich noch kein Eigenthum, d. h. ein freies Dispoſitionsrecht über Land und Leute enthalten iſt, wo nicht auch dieſes erworben und feſtgehalten ſein ſollte. 3 Initiirung der Souveränetät. 51. Mit der thatſächlichen Erwerbung der inneren (ſtaats- rechtlichen) Souveränetät tritt auch die Ausübung der internatio- nalen Souveränetätsrechte in Kraft; es bedarf dazu keiner Anerken- nung anderer Mächte; es genügt, daß die Erwerbung dem inneren (allgemeinen oder beſonderen) Staatsrecht entſpricht. Jedoch iſt es üblich, wiewohl nur nach politiſcher Convenienz, anderen Staa- ten und deren Vertretern Kenntniß von eingetretenen Regierungs- wechſeln zu geben und die Fortdauer eines guten Vernehmens in Erwartung der Gegenſeitigkeit zuzuſichern. 4 Bei beſtrittenem oder zweifelhaftem Recht ſo wie bei neu erworbener, nicht ſchon an- geerbter und verſicherter Souveränetät bewirbt man ſich auch wohl um die ausdrückliche Anerkennung anderer Mächte. 5 Dieſe kann 1 Z. B. nach der Baieriſchen, Heſſiſchen und Sächſiſchen Verfaſſungsur- kunde durch eine Erbverbrüderung (§. 47.) und ſo auch nach einigen an- deren Grundgeſetzen. 2 Das Gegentheil hat von den Deutſchen Staaten Maurenbrecher: die Deut- ſchen Fürſten und die Souveränetät. Frkf. 1839. S. 109 und 119 als Regel behauptet, ohne Zweifel gegen das hiſtoriſche Recht. Wegen der Franzöſiſchen Krone wurde ebenfalls ſchon unter dem alten Regime eine von Maurenbrechers Lehre abweichende Anſicht aufgeſtellt und durchgeſetzt, als Ludwig XIV. verſucht hatte, ſeinen legitimirten außerehelichen Deſcen- denten eine eventuelle Succeſſion in die Krone zu verſchaffen. Struvii, Jurisprud. heroica t. IV. p. 544 sq. Die Erblichkeit einer Krone beſteht zunächſt nur darin, daß ein gewiſſes Geſchlecht, und nur dieſes herrſche. 3 Die älteren Publiciſten deuteten die verſchiedenen Möglichkeiten hierbei durch die Unterſcheidung von regna usufructuaria und patrimonialia an. Groot, de J. B. I, 3, 11 f. Vergl. darüber Klüber §. 31. 4 Günther II, 430. Der Römiſche Stuhl betrachtet die Abfertigung eige- ner Obedienzgeſandtſchaften von Seiten katholiſcher Regenten nach über- nommener Regierung als Schuldigkeit. S. ebdſ. Not. e. Buder, de le- gationib. obedientiae. Jen. 1737. 5 Günther II, 432.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/119>, abgerufen am 03.05.2024.