Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abschnitt. Erscheinungen.
Auge der obere schiefe Muskel das Auge nach vorne zie-
hen, daß es aus der Augenhöle hervortreten mus; der
innere ziehet es einwerts, und der obere zugleich hinauf-
werts. So wie ferner ein jeder dieser Muskeln mit mehr
Lebhaftigkeit wirkt, und sein Gegner mehr erschlaft, so
wird auch das Auge nach derjenigen Linie hingerissen, wel-
che der Wille der Seele haben will, mehr aufwerts, als
einwerts, oder mehr vorwerts, als aufwerts.

Diese zusammengesezzte Bewegungen, welche von der
Lage der verwanten Muskeln und der Grösse der Kräfte
auf verschiedne Art entstehen, hat Josias Weitbrecht
nach den Verbindungsregeln berechnet, und gefunden,
daß von zehn Muskeln, und zwo intensitatibus, wie er es
nennt, nicht weniger mannigfaltige Bewegungen, als
1.048.575 hervorgebracht werden können, um das Re-
sultat von zwanzig oder dreissig Muskeln zu übergehen (l).
Man wird aber bald einsehen, daß dieses nicht unwar-
scheinlich sei, wenn sich viele Muskeln in einem Spiele
mit einander vereinigen.

§. 44.
Wie sich die Wirkungen der Muskeln, mit der
veränderten Festigkeit der Theile, selbst
verändern.

Ausser denjenigen Muskeln, welche aus einem Kno-
chen entspringen, und in einen weichen Theil laufen, als
zum Auge, zur Zunge oder Schlunde, haben die übrigen
Muskeln selten eins von beiden Enden vollkommen un-
beweglich, und es ist gemeiniglich das eine Muskelende
viel fester, und das andre viel beweglicher; fester, wel-
ches sich gegen den Körperstamm und gegen das Bekken

hin
(l) Comm. Acad. Scient. Petrop. p. 277.
H 2

II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Auge der obere ſchiefe Muſkel das Auge nach vorne zie-
hen, daß es aus der Augenhoͤle hervortreten mus; der
innere ziehet es einwerts, und der obere zugleich hinauf-
werts. So wie ferner ein jeder dieſer Muſkeln mit mehr
Lebhaftigkeit wirkt, und ſein Gegner mehr erſchlaft, ſo
wird auch das Auge nach derjenigen Linie hingeriſſen, wel-
che der Wille der Seele haben will, mehr aufwerts, als
einwerts, oder mehr vorwerts, als aufwerts.

Dieſe zuſammengeſezzte Bewegungen, welche von der
Lage der verwanten Muſkeln und der Groͤſſe der Kraͤfte
auf verſchiedne Art entſtehen, hat Joſias Weitbrecht
nach den Verbindungsregeln berechnet, und gefunden,
daß von zehn Muſkeln, und zwo intenſitatibus, wie er es
nennt, nicht weniger mannigfaltige Bewegungen, als
1.048.575 hervorgebracht werden koͤnnen, um das Re-
ſultat von zwanzig oder dreiſſig Muſkeln zu uͤbergehen (l).
Man wird aber bald einſehen, daß dieſes nicht unwar-
ſcheinlich ſei, wenn ſich viele Muſkeln in einem Spiele
mit einander vereinigen.

§. 44.
Wie ſich die Wirkungen der Muſkeln, mit der
veraͤnderten Feſtigkeit der Theile, ſelbſt
veraͤndern.

Auſſer denjenigen Muſkeln, welche aus einem Kno-
chen entſpringen, und in einen weichen Theil laufen, als
zum Auge, zur Zunge oder Schlunde, haben die uͤbrigen
Muſkeln ſelten eins von beiden Enden vollkommen un-
beweglich, und es iſt gemeiniglich das eine Muſkelende
viel feſter, und das andre viel beweglicher; feſter, wel-
ches ſich gegen den Koͤrperſtamm und gegen das Bekken

hin
(l) Comm. Acad. Scient. Petrop. p. 277.
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="115"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Er&#x017F;cheinungen.</hi></fw><lb/>
Auge der obere &#x017F;chiefe Mu&#x017F;kel das Auge nach vorne zie-<lb/>
hen, daß es aus der Augenho&#x0364;le hervortreten mus; der<lb/>
innere ziehet es einwerts, und der obere zugleich hinauf-<lb/>
werts. So wie ferner ein jeder die&#x017F;er Mu&#x017F;keln mit mehr<lb/>
Lebhaftigkeit wirkt, und &#x017F;ein Gegner mehr er&#x017F;chlaft, &#x017F;o<lb/>
wird auch das Auge nach derjenigen Linie hingeri&#x017F;&#x017F;en, wel-<lb/>
che der Wille der Seele haben will, mehr aufwerts, als<lb/>
einwerts, oder mehr vorwerts, als aufwerts.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezzte Bewegungen, welche von der<lb/>
Lage der verwanten Mu&#x017F;keln und der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Kra&#x0364;fte<lb/>
auf ver&#x017F;chiedne Art ent&#x017F;tehen, hat Jo&#x017F;ias <hi rendition="#fr">Weitbrecht</hi><lb/>
nach den Verbindungsregeln berechnet, und gefunden,<lb/>
daß von zehn Mu&#x017F;keln, und zwo <hi rendition="#aq">inten&#x017F;itatibus,</hi> wie er es<lb/>
nennt, nicht weniger mannigfaltige Bewegungen, als<lb/>
1.048.575 hervorgebracht werden ko&#x0364;nnen, um das Re-<lb/>
&#x017F;ultat von zwanzig oder drei&#x017F;&#x017F;ig Mu&#x017F;keln zu u&#x0364;bergehen <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq">Comm. Acad. Scient. Petrop. p.</hi> 277.</note>.<lb/>
Man wird aber bald ein&#x017F;ehen, daß die&#x017F;es nicht unwar-<lb/>
&#x017F;cheinlich &#x017F;ei, wenn &#x017F;ich viele Mu&#x017F;keln in einem Spiele<lb/>
mit einander vereinigen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">§. 44.<lb/>
Wie &#x017F;ich die Wirkungen der Mu&#x017F;keln, mit der<lb/>
vera&#x0364;nderten Fe&#x017F;tigkeit der Theile, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
vera&#x0364;ndern.</hi> </head><lb/>
          <p>Au&#x017F;&#x017F;er denjenigen Mu&#x017F;keln, welche aus einem Kno-<lb/>
chen ent&#x017F;pringen, und in einen weichen Theil laufen, als<lb/>
zum Auge, zur Zunge oder Schlunde, haben die u&#x0364;brigen<lb/>
Mu&#x017F;keln &#x017F;elten eins von beiden Enden vollkommen un-<lb/>
beweglich, und es i&#x017F;t gemeiniglich das eine Mu&#x017F;kelende<lb/>
viel fe&#x017F;ter, und das andre viel beweglicher; fe&#x017F;ter, wel-<lb/>
ches &#x017F;ich gegen den Ko&#x0364;rper&#x017F;tamm und gegen das Bekken<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">hin</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0133] II. Abſchnitt. Erſcheinungen. Auge der obere ſchiefe Muſkel das Auge nach vorne zie- hen, daß es aus der Augenhoͤle hervortreten mus; der innere ziehet es einwerts, und der obere zugleich hinauf- werts. So wie ferner ein jeder dieſer Muſkeln mit mehr Lebhaftigkeit wirkt, und ſein Gegner mehr erſchlaft, ſo wird auch das Auge nach derjenigen Linie hingeriſſen, wel- che der Wille der Seele haben will, mehr aufwerts, als einwerts, oder mehr vorwerts, als aufwerts. Dieſe zuſammengeſezzte Bewegungen, welche von der Lage der verwanten Muſkeln und der Groͤſſe der Kraͤfte auf verſchiedne Art entſtehen, hat Joſias Weitbrecht nach den Verbindungsregeln berechnet, und gefunden, daß von zehn Muſkeln, und zwo intenſitatibus, wie er es nennt, nicht weniger mannigfaltige Bewegungen, als 1.048.575 hervorgebracht werden koͤnnen, um das Re- ſultat von zwanzig oder dreiſſig Muſkeln zu uͤbergehen (l). Man wird aber bald einſehen, daß dieſes nicht unwar- ſcheinlich ſei, wenn ſich viele Muſkeln in einem Spiele mit einander vereinigen. §. 44. Wie ſich die Wirkungen der Muſkeln, mit der veraͤnderten Feſtigkeit der Theile, ſelbſt veraͤndern. Auſſer denjenigen Muſkeln, welche aus einem Kno- chen entſpringen, und in einen weichen Theil laufen, als zum Auge, zur Zunge oder Schlunde, haben die uͤbrigen Muſkeln ſelten eins von beiden Enden vollkommen un- beweglich, und es iſt gemeiniglich das eine Muſkelende viel feſter, und das andre viel beweglicher; feſter, wel- ches ſich gegen den Koͤrperſtamm und gegen das Bekken hin (l) Comm. Acad. Scient. Petrop. p. 277. H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/133
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/133>, abgerufen am 21.12.2024.