Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite
überhaupt betrachtet.
§. 4.
Das Blut ist in den Schlagadern von dem Blute
der Blutadern nicht unterschieden. Schrift-
steller, welche unter beiderlei Geblüte einen
Unterscheid machen.

Jn den Schlagadern und in den Blutadern befindet
sich einerlei Blut, und es erlaubt der erwiesene Blut-
umlauf keinen Unterscheid darunter zu machen, weil kein
ander Blut in die Schlagadern kömmt, als was das
Herz von den Blutadern empfängt. Demohngeachtet
liessen sich doch die Arzeneigelehrten eine uralte und wie-
drige Meinung gefallen, welche einen willkürlichen
Saz zum Vater hatte, und die sich auch noch heut zu
Tage mit dem Ansehn einer Hipothese behelfen mus.
Die Alten nahmen nämlich in den Schlagadern und
Blutadern einen Lebenssaft von verschiedner Art an,
wiewohl diejenigen hierinnen ihren eignen Grundsäzzen
nicht so sehr entgegen handelten, welche beiderlei Ge-
blüte einen verschiednen Ursprung gaben. Erasistrat
und seine Anhänger fingen zuerst zu lehren an, daß in den
Schlagadern reine Luft, und in den Blutadern, Blut
befindlich sey (q). Wir lesen solchergestalt in den
Schriften Cicerons (r), daß die Luft aus der Lunge ins
Herz übertritt, durch die Schlagadern ausgebreitet
wird, und daß sich in den Blutadern Blut aufhalte.
Aus diesem Grunde nennet Rufus die rechte Herzkam-
mer die Blutkammer, und die linke die Luftkammer, weil
die leztere von der aufgenommenen Luft in Bewegung ge-
sezzet würde (s). So gar Galen, der sich alle ersinn-
liche Mühe gab, die Meinungen des Erasistrats zu

wieder-
(q) [Spaltenumbruch] Beim Galen de Hippocr.
et Platonis decret. L. VI. c.
7. und
in einem neuern Werkchen, wel-
ches die Aufschrift hat, an sanguis
natura in arteriis contineatur?
(r) [Spaltenumbruch] de natura Deorum L. II.
p. m.
603.
(s) de appellat. part. L. II. S. 59.
Clinchs Ausg.
uͤberhaupt betrachtet.
§. 4.
Das Blut iſt in den Schlagadern von dem Blute
der Blutadern nicht unterſchieden. Schrift-
ſteller, welche unter beiderlei Gebluͤte einen
Unterſcheid machen.

Jn den Schlagadern und in den Blutadern befindet
ſich einerlei Blut, und es erlaubt der erwieſene Blut-
umlauf keinen Unterſcheid darunter zu machen, weil kein
ander Blut in die Schlagadern koͤmmt, als was das
Herz von den Blutadern empfaͤngt. Demohngeachtet
lieſſen ſich doch die Arzeneigelehrten eine uralte und wie-
drige Meinung gefallen, welche einen willkuͤrlichen
Saz zum Vater hatte, und die ſich auch noch heut zu
Tage mit dem Anſehn einer Hipotheſe behelfen mus.
Die Alten nahmen naͤmlich in den Schlagadern und
Blutadern einen Lebensſaft von verſchiedner Art an,
wiewohl diejenigen hierinnen ihren eignen Grundſaͤzzen
nicht ſo ſehr entgegen handelten, welche beiderlei Ge-
bluͤte einen verſchiednen Urſprung gaben. Eraſiſtrat
und ſeine Anhaͤnger fingen zuerſt zu lehren an, daß in den
Schlagadern reine Luft, und in den Blutadern, Blut
befindlich ſey (q). Wir leſen ſolchergeſtalt in den
Schriften Cicerons (r), daß die Luft aus der Lunge ins
Herz uͤbertritt, durch die Schlagadern ausgebreitet
wird, und daß ſich in den Blutadern Blut aufhalte.
Aus dieſem Grunde nennet Rufus die rechte Herzkam-
mer die Blutkammer, und die linke die Luftkammer, weil
die leztere von der aufgenommenen Luft in Bewegung ge-
ſezzet wuͤrde (s). So gar Galen, der ſich alle erſinn-
liche Muͤhe gab, die Meinungen des Eraſiſtrats zu

wieder-
(q) [Spaltenumbruch] Beim Galen de Hippocr.
et Platonis decret. L. VI. c.
7. und
in einem neuern Werkchen, wel-
ches die Aufſchrift hat, an ſanguis
natura in arteriis contineatur?
(r) [Spaltenumbruch] de natura Deorum L. II.
p. m.
603.
(s) de appellat. part. L. II. S. 59.
Clinchs Ausg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" n="11"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">u&#x0364;berhaupt betrachtet.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.<lb/>
Das Blut i&#x017F;t in den Schlagadern von dem Blute<lb/>
der Blutadern nicht unter&#x017F;chieden. Schrift-<lb/>
&#x017F;teller, welche unter beiderlei Geblu&#x0364;te einen<lb/>
Unter&#x017F;cheid machen.</head><lb/>
            <p>Jn den Schlagadern und in den Blutadern befindet<lb/>
&#x017F;ich einerlei Blut, und es erlaubt der erwie&#x017F;ene Blut-<lb/>
umlauf keinen Unter&#x017F;cheid darunter zu machen, weil kein<lb/>
ander Blut in die Schlagadern ko&#x0364;mmt, als was das<lb/>
Herz von den Blutadern empfa&#x0364;ngt. Demohngeachtet<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich doch die Arzeneigelehrten eine uralte und wie-<lb/>
drige Meinung gefallen, welche einen willku&#x0364;rlichen<lb/>
Saz zum Vater hatte, und die &#x017F;ich auch noch heut zu<lb/>
Tage mit dem An&#x017F;ehn einer Hipothe&#x017F;e behelfen mus.<lb/>
Die Alten nahmen na&#x0364;mlich in den Schlagadern und<lb/>
Blutadern einen Lebens&#x017F;aft von ver&#x017F;chiedner Art an,<lb/>
wiewohl diejenigen hierinnen ihren eignen Grund&#x017F;a&#x0364;zzen<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;ehr entgegen handelten, welche beiderlei Ge-<lb/>
blu&#x0364;te einen ver&#x017F;chiednen Ur&#x017F;prung gaben. <hi rendition="#fr">Era&#x017F;i&#x017F;trat</hi><lb/>
und &#x017F;eine Anha&#x0364;nger fingen zuer&#x017F;t zu lehren an, daß in den<lb/>
Schlagadern reine Luft, und in den Blutadern, Blut<lb/>
befindlich &#x017F;ey <note place="foot" n="(q)"><cb/>
Beim <hi rendition="#fr">Galen</hi> <hi rendition="#aq">de Hippocr.<lb/>
et Platonis decret. L. VI. c.</hi> 7. und<lb/>
in einem neuern Werkchen, wel-<lb/>
ches die Auf&#x017F;chrift hat, <hi rendition="#aq">an &#x017F;anguis<lb/>
natura in arteriis contineatur?</hi></note>. Wir le&#x017F;en &#x017F;olcherge&#x017F;talt in den<lb/>
Schriften <hi rendition="#fr">Cicerons</hi> <note place="foot" n="(r)"><cb/><hi rendition="#aq">de natura Deorum L. II.<lb/>
p. m.</hi> 603.</note>, daß die Luft aus der Lunge ins<lb/>
Herz u&#x0364;bertritt, durch die Schlagadern ausgebreitet<lb/>
wird, und daß &#x017F;ich in den Blutadern Blut aufhalte.<lb/>
Aus die&#x017F;em Grunde nennet <hi rendition="#fr">Rufus</hi> die rechte Herzkam-<lb/>
mer die Blutkammer, und die linke die Luftkammer, weil<lb/>
die leztere von der aufgenommenen Luft in Bewegung ge-<lb/>
&#x017F;ezzet wu&#x0364;rde <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">de appellat. part. L. II.</hi> S. 59.<lb/><hi rendition="#fr">Clinchs</hi> Ausg.</note>. So gar <hi rendition="#fr">Galen,</hi> der &#x017F;ich alle er&#x017F;inn-<lb/>
liche Mu&#x0364;he gab, die Meinungen des <hi rendition="#fr">Era&#x017F;i&#x017F;trats</hi> zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wieder-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0031] uͤberhaupt betrachtet. §. 4. Das Blut iſt in den Schlagadern von dem Blute der Blutadern nicht unterſchieden. Schrift- ſteller, welche unter beiderlei Gebluͤte einen Unterſcheid machen. Jn den Schlagadern und in den Blutadern befindet ſich einerlei Blut, und es erlaubt der erwieſene Blut- umlauf keinen Unterſcheid darunter zu machen, weil kein ander Blut in die Schlagadern koͤmmt, als was das Herz von den Blutadern empfaͤngt. Demohngeachtet lieſſen ſich doch die Arzeneigelehrten eine uralte und wie- drige Meinung gefallen, welche einen willkuͤrlichen Saz zum Vater hatte, und die ſich auch noch heut zu Tage mit dem Anſehn einer Hipotheſe behelfen mus. Die Alten nahmen naͤmlich in den Schlagadern und Blutadern einen Lebensſaft von verſchiedner Art an, wiewohl diejenigen hierinnen ihren eignen Grundſaͤzzen nicht ſo ſehr entgegen handelten, welche beiderlei Ge- bluͤte einen verſchiednen Urſprung gaben. Eraſiſtrat und ſeine Anhaͤnger fingen zuerſt zu lehren an, daß in den Schlagadern reine Luft, und in den Blutadern, Blut befindlich ſey (q). Wir leſen ſolchergeſtalt in den Schriften Cicerons (r), daß die Luft aus der Lunge ins Herz uͤbertritt, durch die Schlagadern ausgebreitet wird, und daß ſich in den Blutadern Blut aufhalte. Aus dieſem Grunde nennet Rufus die rechte Herzkam- mer die Blutkammer, und die linke die Luftkammer, weil die leztere von der aufgenommenen Luft in Bewegung ge- ſezzet wuͤrde (s). So gar Galen, der ſich alle erſinn- liche Muͤhe gab, die Meinungen des Eraſiſtrats zu wieder- (q) Beim Galen de Hippocr. et Platonis decret. L. VI. c. 7. und in einem neuern Werkchen, wel- ches die Aufſchrift hat, an ſanguis natura in arteriis contineatur? (r) de natura Deorum L. II. p. m. 603. (s) de appellat. part. L. II. S. 59. Clinchs Ausg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/31
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/31>, abgerufen am 21.12.2024.