§. 15. Die Weichheit; elastische Kraft; und veränder- liche Figur der Kügelchen.
Es ist schwer, nach Versuchen von diesen |Eigen- schaften der roten Kügelchen zu urtheilen, und es muß folglich die Bescheidenheit eines Schriftstellers, der dar- über zu richten willens ist, gros, so wie die Entschuldi- gung eines Zweiflers, über diesen Punkt, leicht genung seyn: da der ganze Blutkuchen bei seiner Elasticität auch weich ist, und da wir auch an seinem Orte die Fettig- keit, die unsern Kügelchen eigen ist, erweisen wollen, so mag ich nicht in Abrede seyn, daß diese Kügelchen nicht an der elastischen Natur des Gallerts, doch unter fol- gender Einschränkung, mit Theil haben sollten (i), daß solche ein wenig eigensinniger ihre Figur zu erhalten schei- nen, indem ich in so häufigen Versuchen niemals gese- hen, daß sie sich zusammendrükken oder ihre Figur ver- ändern lassen, wenn sie von dem Strome gegen die Wände ihrer Gefässe fortgestossen werden; und ich habe eben so wenig gefunden, daß sie nach solcher Befreiung eine neue Figur wieder an sich genommen, noch daß sie sich in den engen Wegen der engsten Gefässe, nach Ver- änderung der Durchmesser, in eine elliptische Figur ver- wandelt hätten, deren längere Achse sich nach der Länge seines Gefässes bequemet, und deren kürzere Durchschnitts- linie das Maas von der Weite des Kanals abgegeben hätte. Es ist mir freilich mehr als zu wohl bekannt, wie viele und in Versuchen berühmte Männer nicht nur mit Augen gesehen, daß sie ihre Figur verändern, son-
dern
(i)[Spaltenumbruch]
Elastisch nennt sie Franz Quesnai in seiner Oeconom. ani- mal. T. III. S. 41. und G. mar- tine Edimb. Essays angef. Ort, und andre; und es glaubt der be- rümte Schwenke, es könnten sel- [Spaltenumbruch]
bige, vermöge ihrer vereinigten und anerschaffnen Federkraft, das zwischen ihnen befindliche Salz- wasser fortstossen S. 110. drükk- bar und bildbar nennt sie der be- rümte gavbivs angef. Ort. S. 162.
Fuͤnftes Buch. Das Blut.
§. 15. Die Weichheit; elaſtiſche Kraft; und veraͤnder- liche Figur der Kuͤgelchen.
Es iſt ſchwer, nach Verſuchen von dieſen |Eigen- ſchaften der roten Kuͤgelchen zu urtheilen, und es muß folglich die Beſcheidenheit eines Schriftſtellers, der dar- uͤber zu richten willens iſt, gros, ſo wie die Entſchuldi- gung eines Zweiflers, uͤber dieſen Punkt, leicht genung ſeyn: da der ganze Blutkuchen bei ſeiner Elaſticitaͤt auch weich iſt, und da wir auch an ſeinem Orte die Fettig- keit, die unſern Kuͤgelchen eigen iſt, erweiſen wollen, ſo mag ich nicht in Abrede ſeyn, daß dieſe Kuͤgelchen nicht an der elaſtiſchen Natur des Gallerts, doch unter fol- gender Einſchraͤnkung, mit Theil haben ſollten (i), daß ſolche ein wenig eigenſinniger ihre Figur zu erhalten ſchei- nen, indem ich in ſo haͤufigen Verſuchen niemals geſe- hen, daß ſie ſich zuſammendruͤkken oder ihre Figur ver- aͤndern laſſen, wenn ſie von dem Strome gegen die Waͤnde ihrer Gefaͤſſe fortgeſtoſſen werden; und ich habe eben ſo wenig gefunden, daß ſie nach ſolcher Befreiung eine neue Figur wieder an ſich genommen, noch daß ſie ſich in den engen Wegen der engſten Gefaͤſſe, nach Ver- aͤnderung der Durchmeſſer, in eine elliptiſche Figur ver- wandelt haͤtten, deren laͤngere Achſe ſich nach der Laͤnge ſeines Gefaͤſſes bequemet, und deren kuͤrzere Durchſchnitts- linie das Maas von der Weite des Kanals abgegeben haͤtte. Es iſt mir freilich mehr als zu wohl bekannt, wie viele und in Verſuchen beruͤhmte Maͤnner nicht nur mit Augen geſehen, daß ſie ihre Figur veraͤndern, ſon-
dern
(i)[Spaltenumbruch]
Elaſtiſch nennt ſie Franz Quesnai in ſeiner Oeconom. ani- mal. T. III. S. 41. und G. mar- tine Edimb. Eſſays angef. Ort, und andre; und es glaubt der be- ruͤmte Schwenke, es koͤnnten ſel- [Spaltenumbruch]
bige, vermoͤge ihrer vereinigten und anerſchaffnen Federkraft, das zwiſchen ihnen befindliche Salz- waſſer fortſtoſſen S. 110. druͤkk- bar und bildbar nennt ſie der be- ruͤmte gavbivſ angef. Ort. S. 162.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0112"n="92"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Fuͤnftes Buch. Das Blut.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 15.<lb/>
Die Weichheit; elaſtiſche Kraft; und veraͤnder-<lb/>
liche Figur der Kuͤgelchen.</head><lb/><p>Es iſt ſchwer, nach Verſuchen von dieſen |Eigen-<lb/>ſchaften der roten Kuͤgelchen zu urtheilen, und es muß<lb/>
folglich die Beſcheidenheit eines Schriftſtellers, der dar-<lb/>
uͤber zu richten willens iſt, gros, ſo wie die Entſchuldi-<lb/>
gung eines Zweiflers, uͤber dieſen Punkt, leicht genung<lb/>ſeyn: da der ganze Blutkuchen bei ſeiner Elaſticitaͤt auch<lb/>
weich iſt, und da wir auch an ſeinem Orte die Fettig-<lb/>
keit, die unſern Kuͤgelchen eigen iſt, erweiſen wollen, ſo<lb/>
mag ich nicht in Abrede ſeyn, daß dieſe Kuͤgelchen nicht<lb/>
an der elaſtiſchen Natur des Gallerts, doch unter fol-<lb/>
gender Einſchraͤnkung, mit Theil haben ſollten <noteplace="foot"n="(i)"><cb/>
Elaſtiſch nennt ſie Franz<lb/><hirendition="#fr">Quesnai</hi> in ſeiner <hirendition="#aq">Oeconom. ani-<lb/>
mal. T. III.</hi> S. 41. und <hirendition="#aq">G. <hirendition="#k">mar-<lb/>
tine</hi> Edimb. Eſſays</hi> angef. Ort,<lb/>
und andre; und es glaubt der be-<lb/>
ruͤmte <hirendition="#fr">Schwenke,</hi> es koͤnnten ſel-<lb/><cb/>
bige, vermoͤge ihrer vereinigten<lb/>
und anerſchaffnen Federkraft, das<lb/>
zwiſchen ihnen befindliche Salz-<lb/>
waſſer fortſtoſſen S. 110. druͤkk-<lb/>
bar und bildbar nennt ſie der be-<lb/>
ruͤmte <hirendition="#aq"><hirendition="#k">gavbivſ</hi></hi> angef. Ort. S. 162.</note>, daß<lb/>ſolche ein wenig eigenſinniger ihre Figur zu erhalten ſchei-<lb/>
nen, indem ich in ſo haͤufigen Verſuchen niemals geſe-<lb/>
hen, daß ſie ſich zuſammendruͤkken oder ihre Figur ver-<lb/>
aͤndern laſſen, wenn ſie von dem Strome gegen die<lb/>
Waͤnde ihrer Gefaͤſſe fortgeſtoſſen werden; und ich habe<lb/>
eben ſo wenig gefunden, daß ſie nach ſolcher Befreiung<lb/>
eine neue Figur wieder an ſich genommen, noch daß ſie<lb/>ſich in den engen Wegen der engſten Gefaͤſſe, nach Ver-<lb/>
aͤnderung der Durchmeſſer, in eine elliptiſche Figur ver-<lb/>
wandelt haͤtten, deren laͤngere Achſe ſich nach der Laͤnge<lb/>ſeines Gefaͤſſes bequemet, und deren kuͤrzere Durchſchnitts-<lb/>
linie das Maas von der Weite des Kanals abgegeben<lb/>
haͤtte. Es iſt mir freilich mehr als zu wohl bekannt,<lb/>
wie viele und in Verſuchen beruͤhmte Maͤnner nicht nur<lb/>
mit Augen geſehen, daß ſie ihre Figur veraͤndern, ſon-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dern</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[92/0112]
Fuͤnftes Buch. Das Blut.
§. 15.
Die Weichheit; elaſtiſche Kraft; und veraͤnder-
liche Figur der Kuͤgelchen.
Es iſt ſchwer, nach Verſuchen von dieſen |Eigen-
ſchaften der roten Kuͤgelchen zu urtheilen, und es muß
folglich die Beſcheidenheit eines Schriftſtellers, der dar-
uͤber zu richten willens iſt, gros, ſo wie die Entſchuldi-
gung eines Zweiflers, uͤber dieſen Punkt, leicht genung
ſeyn: da der ganze Blutkuchen bei ſeiner Elaſticitaͤt auch
weich iſt, und da wir auch an ſeinem Orte die Fettig-
keit, die unſern Kuͤgelchen eigen iſt, erweiſen wollen, ſo
mag ich nicht in Abrede ſeyn, daß dieſe Kuͤgelchen nicht
an der elaſtiſchen Natur des Gallerts, doch unter fol-
gender Einſchraͤnkung, mit Theil haben ſollten (i), daß
ſolche ein wenig eigenſinniger ihre Figur zu erhalten ſchei-
nen, indem ich in ſo haͤufigen Verſuchen niemals geſe-
hen, daß ſie ſich zuſammendruͤkken oder ihre Figur ver-
aͤndern laſſen, wenn ſie von dem Strome gegen die
Waͤnde ihrer Gefaͤſſe fortgeſtoſſen werden; und ich habe
eben ſo wenig gefunden, daß ſie nach ſolcher Befreiung
eine neue Figur wieder an ſich genommen, noch daß ſie
ſich in den engen Wegen der engſten Gefaͤſſe, nach Ver-
aͤnderung der Durchmeſſer, in eine elliptiſche Figur ver-
wandelt haͤtten, deren laͤngere Achſe ſich nach der Laͤnge
ſeines Gefaͤſſes bequemet, und deren kuͤrzere Durchſchnitts-
linie das Maas von der Weite des Kanals abgegeben
haͤtte. Es iſt mir freilich mehr als zu wohl bekannt,
wie viele und in Verſuchen beruͤhmte Maͤnner nicht nur
mit Augen geſehen, daß ſie ihre Figur veraͤndern, ſon-
dern
(i)
Elaſtiſch nennt ſie Franz
Quesnai in ſeiner Oeconom. ani-
mal. T. III. S. 41. und G. mar-
tine Edimb. Eſſays angef. Ort,
und andre; und es glaubt der be-
ruͤmte Schwenke, es koͤnnten ſel-
bige, vermoͤge ihrer vereinigten
und anerſchaffnen Federkraft, das
zwiſchen ihnen befindliche Salz-
waſſer fortſtoſſen S. 110. druͤkk-
bar und bildbar nennt ſie der be-
ruͤmte gavbivſ angef. Ort. S. 162.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/112>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.