Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Völkerrechte überhaupt,
§. 31.
Hauptschriftsteller des natürlichen Völker-
rechts
.

Vor dem sechszehnten Jahrhundert fehlte es an ei-
ner systematischen Bearbeitung des Natur- und Völker-
rechts gänzlich. Johann Oldendorp legte 1539. ge-
wissermaßen den ersten Grund. Das Hauptsystem des
Völkerrechts aber führte zuerst Hugo Grotius 1625. in
seinem jure belli et pacis auf. Sein Werk macht in al-
lem Betrachte Epoche, und behauptet unter den Völker-
rechtsschriften noch itzt einen vorzüglichen Rang. Nach
ihm zeichneten sich besonders Thomas Hobbes und Sa-
muel Puffendorf am meisten dadurch aus, daß sie die
Absonderung des Völkerrechts vom Naturrechte für un-
nöthig hielten. Diesen folgten, iedoch mit richtiger
Unterscheidung beider Wissenschaften in eignen Abhand-
lungen Glafey, Ickstadt, Wolf, Rahrel, Real,
Vattel, Schrodt
und mehrere andere.

§. 32.
Hauptschriftsteller des europäischen Völ-
kerrechts
.

Das positive Völkerrecht blieb noch länger vernach-
lässigt. Grotius nahm in seinem vorgedachten Werke
zwar vorzüglich auch auf die Gewonheiten der Völker
Rücksicht: seine Beispiele sind aber meistens von den
Griechen und Römern entlehnt. Richard Zouchäus be-
nüzte hauptsächlich die neuern Staatshandlungen. Seit-
dem aber Hobbes und Puffendorf dem positiven und
practischen Völkerrechte die Verbindlichkeit abzusprechen
gesucht hatten, kam es, die Bearbeitung einiger einzel-
nen Materien ausgenommen, in noch größern Verfall.
Erst zu Anfange dieses Jahrhunderts suchte J. J. Mo-
ser
diese nützliche Wissenschaft mit algemeinem Beifal

wie-
Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
§. 31.
Hauptſchriftſteller des natuͤrlichen Voͤlker-
rechts
.

Vor dem ſechszehnten Jahrhundert fehlte es an ei-
ner ſyſtematiſchen Bearbeitung des Natur- und Voͤlker-
rechts gaͤnzlich. Johann Oldendorp legte 1539. ge-
wiſſermaßen den erſten Grund. Das Hauptſyſtem des
Voͤlkerrechts aber fuͤhrte zuerſt Hugo Grotius 1625. in
ſeinem jure belli et pacis auf. Sein Werk macht in al-
lem Betrachte Epoche, und behauptet unter den Voͤlker-
rechtsſchriften noch itzt einen vorzuͤglichen Rang. Nach
ihm zeichneten ſich beſonders Thomas Hobbes und Sa-
muel Puffendorf am meiſten dadurch aus, daß ſie die
Abſonderung des Voͤlkerrechts vom Naturrechte fuͤr un-
noͤthig hielten. Dieſen folgten, iedoch mit richtiger
Unterſcheidung beider Wiſſenſchaften in eignen Abhand-
lungen Glafey, Ickſtadt, Wolf, Rahrel, Real,
Vattel, Schrodt
und mehrere andere.

§. 32.
Hauptſchriftſteller des europaͤiſchen Voͤl-
kerrechts
.

Das poſitive Voͤlkerrecht blieb noch laͤnger vernach-
laͤſſigt. Grotius nahm in ſeinem vorgedachten Werke
zwar vorzuͤglich auch auf die Gewonheiten der Voͤlker
Ruͤckſicht: ſeine Beiſpiele ſind aber meiſtens von den
Griechen und Roͤmern entlehnt. Richard Zouchaͤus be-
nuͤzte hauptſaͤchlich die neuern Staatshandlungen. Seit-
dem aber Hobbes und Puffendorf dem poſitiven und
practiſchen Voͤlkerrechte die Verbindlichkeit abzuſprechen
geſucht hatten, kam es, die Bearbeitung einiger einzel-
nen Materien ausgenommen, in noch groͤßern Verfall.
Erſt zu Anfange dieſes Jahrhunderts ſuchte J. J. Mo-
ſer
dieſe nuͤtzliche Wiſſenſchaft mit algemeinem Beifal

wie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0072" n="46"/>
        <fw place="top" type="header">Von dem Vo&#x0364;lkerrechte u&#x0364;berhaupt,</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 31.<lb/><hi rendition="#g">Haupt&#x017F;chrift&#x017F;teller des natu&#x0364;rlichen Vo&#x0364;lker-<lb/>
rechts</hi>.</head><lb/>
          <p>Vor dem &#x017F;echszehnten Jahrhundert fehlte es an ei-<lb/>
ner &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Bearbeitung des Natur- und Vo&#x0364;lker-<lb/>
rechts ga&#x0364;nzlich. Johann <hi rendition="#fr">Oldendorp</hi> legte 1539. ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;ermaßen den er&#x017F;ten Grund. Das Haupt&#x017F;y&#x017F;tem des<lb/>
Vo&#x0364;lkerrechts aber fu&#x0364;hrte zuer&#x017F;t Hugo <hi rendition="#fr">Grotius</hi> 1625. in<lb/>
&#x017F;einem <hi rendition="#aq">jure belli et pacis</hi> auf. Sein Werk macht in al-<lb/>
lem Betrachte Epoche, und behauptet unter den Vo&#x0364;lker-<lb/>
rechts&#x017F;chriften noch itzt einen vorzu&#x0364;glichen Rang. Nach<lb/>
ihm zeichneten &#x017F;ich be&#x017F;onders Thomas <hi rendition="#fr">Hobbes</hi> und Sa-<lb/>
muel <hi rendition="#fr">Puffendorf</hi> am mei&#x017F;ten dadurch aus, daß &#x017F;ie die<lb/>
Ab&#x017F;onderung des Vo&#x0364;lkerrechts vom Naturrechte fu&#x0364;r un-<lb/>
no&#x0364;thig hielten. Die&#x017F;en folgten, iedoch mit richtiger<lb/>
Unter&#x017F;cheidung beider Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften in eignen Abhand-<lb/>
lungen <hi rendition="#fr">Glafey, Ick&#x017F;tadt, Wolf, Rahrel, Real,<lb/>
Vattel, Schrodt</hi> und mehrere andere.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 32.<lb/><hi rendition="#g">Haupt&#x017F;chrift&#x017F;teller des europa&#x0364;i&#x017F;chen Vo&#x0364;l-<lb/>
kerrechts</hi>.</head><lb/>
          <p>Das po&#x017F;itive Vo&#x0364;lkerrecht blieb noch la&#x0364;nger vernach-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;igt. <hi rendition="#fr">Grotius</hi> nahm in &#x017F;einem vorgedachten Werke<lb/>
zwar vorzu&#x0364;glich auch auf die Gewonheiten der Vo&#x0364;lker<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht: &#x017F;eine Bei&#x017F;piele &#x017F;ind aber mei&#x017F;tens von den<lb/>
Griechen und Ro&#x0364;mern entlehnt. Richard <hi rendition="#fr">Zoucha&#x0364;us</hi> be-<lb/>
nu&#x0364;zte haupt&#x017F;a&#x0364;chlich die neuern Staatshandlungen. Seit-<lb/>
dem aber <hi rendition="#fr">Hobbes</hi> und <hi rendition="#fr">Puffendorf</hi> dem po&#x017F;itiven und<lb/>
practi&#x017F;chen Vo&#x0364;lkerrechte die Verbindlichkeit abzu&#x017F;prechen<lb/>
ge&#x017F;ucht hatten, kam es, die Bearbeitung einiger einzel-<lb/>
nen Materien ausgenommen, in noch gro&#x0364;ßern Verfall.<lb/>
Er&#x017F;t zu Anfange die&#x017F;es Jahrhunderts &#x017F;uchte J. J. <hi rendition="#fr">Mo-<lb/>
&#x017F;er</hi> die&#x017F;e nu&#x0364;tzliche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mit algemeinem Beifal<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0072] Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt, §. 31. Hauptſchriftſteller des natuͤrlichen Voͤlker- rechts. Vor dem ſechszehnten Jahrhundert fehlte es an ei- ner ſyſtematiſchen Bearbeitung des Natur- und Voͤlker- rechts gaͤnzlich. Johann Oldendorp legte 1539. ge- wiſſermaßen den erſten Grund. Das Hauptſyſtem des Voͤlkerrechts aber fuͤhrte zuerſt Hugo Grotius 1625. in ſeinem jure belli et pacis auf. Sein Werk macht in al- lem Betrachte Epoche, und behauptet unter den Voͤlker- rechtsſchriften noch itzt einen vorzuͤglichen Rang. Nach ihm zeichneten ſich beſonders Thomas Hobbes und Sa- muel Puffendorf am meiſten dadurch aus, daß ſie die Abſonderung des Voͤlkerrechts vom Naturrechte fuͤr un- noͤthig hielten. Dieſen folgten, iedoch mit richtiger Unterſcheidung beider Wiſſenſchaften in eignen Abhand- lungen Glafey, Ickſtadt, Wolf, Rahrel, Real, Vattel, Schrodt und mehrere andere. §. 32. Hauptſchriftſteller des europaͤiſchen Voͤl- kerrechts. Das poſitive Voͤlkerrecht blieb noch laͤnger vernach- laͤſſigt. Grotius nahm in ſeinem vorgedachten Werke zwar vorzuͤglich auch auf die Gewonheiten der Voͤlker Ruͤckſicht: ſeine Beiſpiele ſind aber meiſtens von den Griechen und Roͤmern entlehnt. Richard Zouchaͤus be- nuͤzte hauptſaͤchlich die neuern Staatshandlungen. Seit- dem aber Hobbes und Puffendorf dem poſitiven und practiſchen Voͤlkerrechte die Verbindlichkeit abzuſprechen geſucht hatten, kam es, die Bearbeitung einiger einzel- nen Materien ausgenommen, in noch groͤßern Verfall. Erſt zu Anfange dieſes Jahrhunderts ſuchte J. J. Mo- ſer dieſe nuͤtzliche Wiſſenſchaft mit algemeinem Beifal wie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/72
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/72>, abgerufen am 21.12.2024.