Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

daß sie verrathen waren und Läugnen nichts half,
erzählten sie alles. Darauf fragte ihn der König,
welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete:
"ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die älteste."
Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit ge-
halten, und ihm das Reich nach des König Tode
versprochen, aber die Prinzen wurden auf so viel
Tage wieder verwünscht, als sie Nächte mit den
zwölfen getanzt hatten.

48.
Die sechs Diener.

Eine alte Königin, die war eine Zauberin,
und hatte die allerschönste Tochter unter der Son-
ne, wenn aber ein Freier kam, so gab sie ihm ei-
nen Bund (etwas zu lösen) auf, und konnt' er den
nicht herausbringen, so war keine Gnade, er
mußt' niederknien und das Haupt ward ihm abge-
schlagen. Nun geschah es, daß ein Königssohn
um sie werben wollte, aber sein Vater ließ es
nicht zu und sprach: "nein, gehst du hin, so
kommst du nicht wieder zurück." Da legte sich
der Prinz nieder und ward sterbenskrank sieben
Jahre lang; weil nun der Vater sah, daß er doch
verloren wäre, sprach er: "zieh hin, vielleicht bist
du glücklich." Alsbald war er gesund, stand auf
von seinem Lager und machte sich auf den Weg.

daß ſie verrathen waren und Laͤugnen nichts half,
erzaͤhlten ſie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig,
welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete:
„ich bin nicht mehr jung, ſo gebt mir die aͤlteſte.“
Da ward noch an ſelbigem Tage die Hochzeit ge-
halten, und ihm das Reich nach des Koͤnig Tode
verſprochen, aber die Prinzen wurden auf ſo viel
Tage wieder verwuͤnſcht, als ſie Naͤchte mit den
zwoͤlfen getanzt hatten.

48.
Die ſechs Diener.

Eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin,
und hatte die allerſchoͤnſte Tochter unter der Son-
ne, wenn aber ein Freier kam, ſo gab ſie ihm ei-
nen Bund (etwas zu loͤſen) auf, und konnt’ er den
nicht herausbringen, ſo war keine Gnade, er
mußt’ niederknien und das Haupt ward ihm abge-
ſchlagen. Nun geſchah es, daß ein Koͤnigsſohn
um ſie werben wollte, aber ſein Vater ließ es
nicht zu und ſprach: „nein, gehſt du hin, ſo
kommſt du nicht wieder zuruͤck.“ Da legte ſich
der Prinz nieder und ward ſterbenskrank ſieben
Jahre lang; weil nun der Vater ſah, daß er doch
verloren waͤre, ſprach er: „zieh hin, vielleicht biſt
du gluͤcklich.“ Alsbald war er geſund, ſtand auf
von ſeinem Lager und machte ſich auf den Weg.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="245"/>
daß &#x017F;ie verrathen waren und La&#x0364;ugnen nichts half,<lb/>
erza&#x0364;hlten &#x017F;ie alles. Darauf fragte ihn der Ko&#x0364;nig,<lb/>
welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete:<lb/>
&#x201E;ich bin nicht mehr jung, &#x017F;o gebt mir die a&#x0364;lte&#x017F;te.&#x201C;<lb/>
Da ward noch an &#x017F;elbigem Tage die Hochzeit ge-<lb/>
halten, und ihm das Reich nach des Ko&#x0364;nig Tode<lb/>
ver&#x017F;prochen, aber die Prinzen wurden auf &#x017F;o viel<lb/>
Tage wieder verwu&#x0364;n&#x017F;cht, als &#x017F;ie Na&#x0364;chte mit den<lb/>
zwo&#x0364;lfen getanzt hatten.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>48.<lb/><hi rendition="#g">Die &#x017F;echs Diener</hi>.</head><lb/>
        <p>Eine alte Ko&#x0364;nigin, die war eine Zauberin,<lb/>
und hatte die aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Tochter unter der Son-<lb/>
ne, wenn aber ein Freier kam, &#x017F;o gab &#x017F;ie ihm ei-<lb/>
nen Bund (etwas zu lo&#x0364;&#x017F;en) auf, und konnt&#x2019; er den<lb/>
nicht herausbringen, &#x017F;o war keine Gnade, er<lb/>
mußt&#x2019; niederknien und das Haupt ward ihm abge-<lb/>
&#x017F;chlagen. Nun ge&#x017F;chah es, daß ein Ko&#x0364;nigs&#x017F;ohn<lb/>
um &#x017F;ie werben wollte, aber &#x017F;ein Vater ließ es<lb/>
nicht zu und &#x017F;prach: &#x201E;nein, geh&#x017F;t du hin, &#x017F;o<lb/>
komm&#x017F;t du nicht wieder zuru&#x0364;ck.&#x201C; Da legte &#x017F;ich<lb/>
der Prinz nieder und ward &#x017F;terbenskrank &#x017F;ieben<lb/>
Jahre lang; weil nun der Vater &#x017F;ah, daß er doch<lb/>
verloren wa&#x0364;re, &#x017F;prach er: &#x201E;zieh hin, vielleicht bi&#x017F;t<lb/>
du glu&#x0364;cklich.&#x201C; Alsbald war er ge&#x017F;und, &#x017F;tand auf<lb/>
von &#x017F;einem Lager und machte &#x017F;ich auf den Weg.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0266] daß ſie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten ſie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, ſo gebt mir die aͤlteſte.“ Da ward noch an ſelbigem Tage die Hochzeit ge- halten, und ihm das Reich nach des Koͤnig Tode verſprochen, aber die Prinzen wurden auf ſo viel Tage wieder verwuͤnſcht, als ſie Naͤchte mit den zwoͤlfen getanzt hatten. 48. Die ſechs Diener. Eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin, und hatte die allerſchoͤnſte Tochter unter der Son- ne, wenn aber ein Freier kam, ſo gab ſie ihm ei- nen Bund (etwas zu loͤſen) auf, und konnt’ er den nicht herausbringen, ſo war keine Gnade, er mußt’ niederknien und das Haupt ward ihm abge- ſchlagen. Nun geſchah es, daß ein Koͤnigsſohn um ſie werben wollte, aber ſein Vater ließ es nicht zu und ſprach: „nein, gehſt du hin, ſo kommſt du nicht wieder zuruͤck.“ Da legte ſich der Prinz nieder und ward ſterbenskrank ſieben Jahre lang; weil nun der Vater ſah, daß er doch verloren waͤre, ſprach er: „zieh hin, vielleicht biſt du gluͤcklich.“ Alsbald war er geſund, ſtand auf von ſeinem Lager und machte ſich auf den Weg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/266
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/266>, abgerufen am 18.12.2024.