Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun mußte er auch durch ein Holz, darin sah er
einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal-
tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der
Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn
wollte zum Diener haben? Der Prinz sprach:
"was soll ich mit einem so dicken Mann anfan-
gen; wie bist du nur so dick geworden?" -- "O
das ist noch gar nichts, wenn ich mich recht aus-
einander thue, bin ich noch dreitausendmal so
dick!" -- "Da komm mit mir," sagte der Prinz.
Die zwei gingen weiter und fanden einen andern,
der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den
Rasen gelegt. "Was machst du da?" sprach der
Prinz. "Ei! ich horche, denn ich kann das Gras
wachsen hören, und alles, was sich in der Welt
zuträgt, und darum werd' ich der Horcher ge-
nannt." "Sag' mir, was geschieht eben an der
alten Königin Hof?" -- "Es wird einem Freier
der Kopf abgeschlagen, ich hör' das Schwert sau-
sen." -- "Komm mit mir," sprach der Prinz
und sie zogen zu dreien weiter. Da fanden sie
einen, der lag da und war ganz lang, so daß
sie eine gute Strecke gehen mußten, bis sie von
seinen Füßen bis zum Kopf kamen. "Warum
bist du so lang?" fragte der Prinz. "O, sagte
er, wenn ich mich ausstrecke, so bin ich noch drei-
tausendmal so lang, und größer, als der höchste
Berg auf Erden." "Komm mit mir," sprach
der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-

Nun mußte er auch durch ein Holz, darin ſah er
einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal-
tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der
Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn
wollte zum Diener haben? Der Prinz ſprach:
„was ſoll ich mit einem ſo dicken Mann anfan-
gen; wie biſt du nur ſo dick geworden?“ — „O
das iſt noch gar nichts, wenn ich mich recht aus-
einander thue, bin ich noch dreitauſendmal ſo
dick!“ — „Da komm mit mir,“ ſagte der Prinz.
Die zwei gingen weiter und fanden einen andern,
der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den
Raſen gelegt. „Was machſt du da?“ ſprach der
Prinz. „Ei! ich horche, denn ich kann das Gras
wachſen hoͤren, und alles, was ſich in der Welt
zutraͤgt, und darum werd’ ich der Horcher ge-
nannt.“ „Sag’ mir, was geſchieht eben an der
alten Koͤnigin Hof?“ — „Es wird einem Freier
der Kopf abgeſchlagen, ich hoͤr’ das Schwert ſau-
ſen.“ — „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz
und ſie zogen zu dreien weiter. Da fanden ſie
einen, der lag da und war ganz lang, ſo daß
ſie eine gute Strecke gehen mußten, bis ſie von
ſeinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. „Warum
biſt du ſo lang?“ fragte der Prinz. „O, ſagte
er, wenn ich mich ausſtrecke, ſo bin ich noch drei-
tauſendmal ſo lang, und groͤßer, als der hoͤchſte
Berg auf Erden.“ „Komm mit mir,“ ſprach
der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="246"/>
Nun mußte er auch durch ein Holz, darin &#x017F;ah er<lb/>
einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal-<lb/>
tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der<lb/>
Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn<lb/>
wollte zum Diener haben? Der Prinz &#x017F;prach:<lb/>
&#x201E;was &#x017F;oll ich mit einem &#x017F;o dicken Mann anfan-<lb/>
gen; wie bi&#x017F;t du nur &#x017F;o dick geworden?&#x201C; &#x2014; &#x201E;O<lb/>
das i&#x017F;t noch gar nichts, wenn ich mich recht aus-<lb/>
einander thue, bin ich noch dreitau&#x017F;endmal &#x017F;o<lb/>
dick!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Da komm mit mir,&#x201C; &#x017F;agte der Prinz.<lb/>
Die zwei gingen weiter und fanden einen andern,<lb/>
der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den<lb/>
Ra&#x017F;en gelegt. &#x201E;Was mach&#x017F;t du da?&#x201C; &#x017F;prach der<lb/>
Prinz. &#x201E;Ei! ich horche, denn ich kann das Gras<lb/>
wach&#x017F;en ho&#x0364;ren, und alles, was &#x017F;ich in der Welt<lb/>
zutra&#x0364;gt, und darum werd&#x2019; ich der Horcher ge-<lb/>
nannt.&#x201C; &#x201E;Sag&#x2019; mir, was ge&#x017F;chieht eben an der<lb/>
alten Ko&#x0364;nigin Hof?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Es wird einem Freier<lb/>
der Kopf abge&#x017F;chlagen, ich ho&#x0364;r&#x2019; das Schwert &#x017F;au-<lb/>
&#x017F;en.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Komm mit mir,&#x201C; &#x017F;prach der Prinz<lb/>
und &#x017F;ie zogen zu dreien weiter. Da fanden &#x017F;ie<lb/>
einen, der lag da und war ganz lang, &#x017F;o daß<lb/>
&#x017F;ie eine gute Strecke gehen mußten, bis &#x017F;ie von<lb/>
&#x017F;einen Fu&#x0364;ßen bis zum Kopf kamen. &#x201E;Warum<lb/>
bi&#x017F;t du &#x017F;o lang?&#x201C; fragte der Prinz. &#x201E;O, &#x017F;agte<lb/>
er, wenn ich mich aus&#x017F;trecke, &#x017F;o bin ich noch drei-<lb/>
tau&#x017F;endmal &#x017F;o lang, und gro&#x0364;ßer, als der ho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Berg auf Erden.&#x201C; &#x201E;Komm mit mir,&#x201C; &#x017F;prach<lb/>
der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0267] Nun mußte er auch durch ein Holz, darin ſah er einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal- tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn wollte zum Diener haben? Der Prinz ſprach: „was ſoll ich mit einem ſo dicken Mann anfan- gen; wie biſt du nur ſo dick geworden?“ — „O das iſt noch gar nichts, wenn ich mich recht aus- einander thue, bin ich noch dreitauſendmal ſo dick!“ — „Da komm mit mir,“ ſagte der Prinz. Die zwei gingen weiter und fanden einen andern, der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den Raſen gelegt. „Was machſt du da?“ ſprach der Prinz. „Ei! ich horche, denn ich kann das Gras wachſen hoͤren, und alles, was ſich in der Welt zutraͤgt, und darum werd’ ich der Horcher ge- nannt.“ „Sag’ mir, was geſchieht eben an der alten Koͤnigin Hof?“ — „Es wird einem Freier der Kopf abgeſchlagen, ich hoͤr’ das Schwert ſau- ſen.“ — „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz und ſie zogen zu dreien weiter. Da fanden ſie einen, der lag da und war ganz lang, ſo daß ſie eine gute Strecke gehen mußten, bis ſie von ſeinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. „Warum biſt du ſo lang?“ fragte der Prinz. „O, ſagte er, wenn ich mich ausſtrecke, ſo bin ich noch drei- tauſendmal ſo lang, und groͤßer, als der hoͤchſte Berg auf Erden.“ „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/267
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/267>, abgerufen am 18.12.2024.